Sein grosser Trumpf im Rennen um den Chefjob war die profunde Kenntnis von Unternehmen und Umfeld. Michel Kunz (49) ist seit 14 Jahren in leitender Funktion im Betrieb und hat als Chef der Kernbereiche Brief- und Paketpost überzeugt. Der Ingenieur und Ökonom besticht nicht durch Charisma, sondern durch Intellekt, Pragmatismus und Verlässlichkeit.
Die Gretchenfrage ist, ob sich der designierte Präsident Claude Béglé und Kunz in Machtkämpfe verstricken oder mit ihren Gegensätzen ergänzen. Dort der beredte, global vernetzte Romand, hier der sachorientierte, technokratische Schaffer aus dem Seeland. Béglé hat im Vorfeld nicht goutiert, dass ihm Kunz als gesetzt präsentiert wurde. Wie zuverlässige Quellen sagen und niemand dementiert: Béglé stimmte in der Wahl nicht für Kunz, sondern für den externen Kandidaten Adrian Bult. Kunz meint nur: «Mir wurde einfach mitgeteilt, dass ich gewählt bin.» Béglé und er hätten «denselben Auftrag», das Unternehmen weiterzubringen: «Wir haben Zeit, uns abzustimmen.» Auch Béglé betont: «Ich sehe kein Problem.» Die Aufgabe wird nicht leicht. Mit der Rezession droht ein Einbruch im Brief- und Paketgeschäft. Bald steht die vollständige Liberalisierung an. Strategisch müssen postnahe Bereiche erschlossen, Internationalisierung und Technologiewandel gemeistert werden.
SEINE POLIT-CONNECTION
«Ich bin politisch neutral», sagt Kunz. Dass er kein Parteibuch besitzt, ist kein Malus. Schliesslich wurde seinem Vorgänger Ulrich Gygi die SP-Mitgliedschaft immer wieder zum Vorwurf gemacht – meist von der eigenen Partei, wenn er nicht nach deren Gusto agierte. Kunz’ Achillesferse ist dagegen das Fehlen eines politischen Netzwerks. Er pflegt Beziehungen, wenn sie dem Geschäft dienen, und «nicht um meiner selbst willen», wie er sagt. Immerhin wisse man beim verlässlichen Kunz, woran man sei, heisst es in Bern.
Gut bekannt ist der Postchef mit CVP-Nationalrätin Lucrezia Meier-Schatz, die lange Jahre im Post-VR sass. SP-Chef Christian Levrat schätzt den Postmanager als intelligenten Kopf. Als ehemaliger Chef der Gewerkschaft Kommunikation hat Levrat erbitterte Kämpfe mit ihm ausgefochten, etwa 2004 mit der Blockade der Paketzentren. Kunz war damals verärgert, doch nimmt er berufliche Auseinandersetzungen nie persönlich.
Einen guten Draht pflegt er zu Economiesuisse-Direktor Pascal Gentinetta, der beim Wirtschaftsverband früher das Dossier Post betreute. Das Gleiche gilt für den Economiesuisse-Kadermann und Ex-Postregulator Martin Kaiser.
Im zuständigen Departement von Moritz Leuenberger hat der neue Postchef gute Karten. Der Uvek-Vorsteher mag keinen unnötigen Ärger. Er möchte, dass bei der Post wieder Ruhe einkehrt. Um das forsche Vorgehen des designierten Präsidenten Claude Béglé noch vor dessen Amtsantritt gab es zu viel Wirbel. Béglé muss nun Vertrauen schaffen und sich zurückhalten. Dem CEO Kunz kann das nur recht sein.
SEINE WEGBEREITER
Zum Postchef portiert haben Kunz der Vorgänger Ulrich Gygi und Präsident Anton Menth. Kunz war erklärter Wunschkandidat, und das Duo legte sich ordentlich für ihn ins Zeug. Nicht zuletzt, um zu verhindern, dass der rührige neue Präsident Béglé mit einem externen CEO zu stark am bisherigen Kurs rütteln würde. Kunz’ erster Förderer beim gelben Riesen war der frühere PostFinance-Chef Urs Wepf. Unter ihm stieg Kunz 1994 in die PostFinance-Geschäftsleitung ein und blieb ihm bis 1999 unterstellt. In die Konzernführung trat Kunz dann in der Ära von Reto Braun ein. Er verdiente sich rasch Lorbeeren, indem er das technologisch bedingte «Päcklichaos» löste.
Förderer und Vorgesetzter in der Zeit bei Ascom Anfang der neunziger Jahre war Ueli Emch, bis vor kurzem Leiter der Sparte Electronics bei der Ruag.
SEINE GEGENSPIELER
In der Endrunde um den Posten als Postchef stach Kunz den früheren Swisscom-Manager Adrian Bult aus. Bult unterlag in der Abstimmung des Verwaltungsrates knapp – obwohl der designierte Präsident Claude Béglé für ihn votierte. Generell gilt Kunz als fairer, berechenbarer Gegner. Die Gewerkschaften, die im Liberalisierungsprozess im Dauerclinch mit dem Postmanagement liegen, haben seine Wahl geradezu bejubelt. «Er steht zu seinem Wort und vertritt seine Position nachhaltig», erklärt Fritz Gurtner, Leiter Post der Gewerkschaft Kommunikation.
Die Konkurrenten auf dem Markt sind Martin Müller-Duysing, Chef des Expresspost-Anbieters DHL, und Georges Champoud vom Paketdienst DPD. Beides sind ehemalige Kaderleute der Post. Man schätzt sich der gemeinsamen Zeit wegen und trifft sich regelmässig zum Austausch.
SEINE MITSTREITER
Lob aus Wirtschaftskreisen bekommt Kunz für seine Kundenorientierung. Mit seinen Beziehungen zu Schlüsselkunden gleicht er die mangelnde Politvernetzung aus. Mit Tamedia-Chef Martin Kall hat Kunz bei der Übernahme der Frühzustellung der Titel von Tamedia und NZZ erfolgreich verhandelt. Die beiden Hardliner können es gut miteinander, ihre ähnliche Grundhaltung verbindet. Auch Orange-Chef Andreas Wetter schätzt Kunz als guten Geschäftspartner. Aus gemeinsamen Zeiten bei der Ascom kennt Kunz den Ex-Cablecom-Chef Ruedi Fischer und den heutigen Swisscom-Manager Urs Schaeppi.
SEIN PRIVATLEBEN
Seine Frau Eliane hat Michel Kunz mit 20 Jahren kennen gelernt, beide stammen aus dem bernischen Schüpfen und leben noch heute dort. Das Paar hat zwei Töchter im Alter von 19 und 22 Jahren. Die Familie pflegt einen engen, kleinen Bekanntenkreis.
Wenn Kunz nach dem Dossierstudium noch lesen mag, dann am liebsten Bücher über Entstehung und Entwicklung des Weltalls oder internationale politische Hintergründe. Seit zehn Jahren betreibt der 49-Jährige ein konsequentes einstündiges Fitnessprogramm im hauseigenen Studio. Dafür steht er zwischen vier und fünf Uhr früh auf. Kunz: «Die einzige Tageszeit, die wirklich planbar ist.» Jeweils vom Frühjahr bis im Herbst ist er ausserdem gerne auf Bergtouren im Berner Oberland unterwegs.