Seit einem halben Jahr ist Roger Schawinski AHV-Rentner. Eigentlich steht er im Unruhestand. Denn wo der Radio- und Fernsehmann auftritt, polarisiert er wie kaum ein anderer der Medienbranche. So sorgte er jüngst wieder für hochrote Köpfe: Der «Kassensturz»-Gründer, einstige Radiopirat und Privatfernseh-Wegbereiter wird beim Schweizer Fernsehen eine eigene Talkshow moderieren, schlicht «Schawinski» genannt. Und dies ausgerechnet bei der SRG, als deren schärfster Kritiker sich Roger Schawinski seit langem hervortut. Beim Fernsehen herrscht unverhohlene Freude. «Ein verlorener Sohn kehrt zurück», jubelte TV-Direktor Rudolf Matter. Da wollte Schawinski nicht zurückstehen und kommentierte seinen neuen Job flugs mit: «I love it.» Andere Kommentare fielen giftig aus. «Bankrotterklärung des Schweizer Fernsehens», titelte die «NZZ». Heftige Reaktionen kommen aus den SVP-Reihen: «Opportunist», giftelte Bundesrat Ueli Maurer, und Parteipräsident Toni Brunner denkt über einen Aufruf zum Boykott der TV-Gebühren nach. Für viele gilt: Die Hand, die dich füttert, beisst man nicht. Roger, den Haudrauf, kümmert dies nicht. Und das ist gut so. Er wird vom August an jeweils am Montagabend Unterhaltung bieten – mit Roger Schawinski im Vordergrund.

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Die Freunde Nach 40 Jahren im Mediengeschäft besteht Schawinskis Freundeskreis vor allem aus Journalisten. Dazu zählen Hanspeter Bürgin, mit dem er bei der «Tat» arbeitete, wie auch Peter Rothenbühler von Edipresse, Hannes Britschgi, Ex-«SonntagsBlick»-Chefredaktor, «Sonntag»-Boss Patrik Müller oder Andreas Z’Graggen, der jahrelang die BILANZ leitete. Mit der Familie von Markus Gisler, einst «Cash»-Chefredaktor, gingen die Schawinskis auch schon in die Ferien. Mit einigen Freunden hat Schawinski früher zusammengearbeitet, so mit Michael Perricone, Politchef der Blick-Gruppe, mit dem «Schweizer Illustrierte»-Chefredaktor Nik Niethammer oder mit «Persönlich»-Chef Matthias Ackeret. Als weitere Freunde nennt Schawinski Ex-«NZZ»-Auslandredaktor Reini Meier, den Schriftsteller Jürg Acklin, den FDP-Politiker Filippo Leutenegger, den designierten CS-Präsidenten Urs Rohner oder die Filmproduzentin Ruth Waldburger, seine Sekretärin beim «Kassensturz». In jene Zeiten zurück reicht auch seine Freundschaft zu Viktor Giacobbo. Der Spassmacher war damals Archivar beim Fernsehen. Giacobbo parodiert Schawinski regelmässig in seiner TV-Sendung.

Die Gegner Wer derart hart auszuteilen pflegt, kann sich über einen Mangel an Gegnern kaum beklagen. Eine tiefe Feindschaft pflegt er mit Frank A. Meyer, Kolumnist aus dem Ringier-Stall, der heute im Berliner Exil lebt. Nach der Thomas-Borer-Affäre forderte Schawinski Verleger Michael Ringier in einem offenen Brief auf, Meyer subito zu feuern. 2007 kam dessen Retourkutsche: Er verhinderte, dass Schawinski seine Nachfolge als Moderator der TV-Sendung «Standpunkte» antreten konnte. Eine Fehde aus alter Zeit verbindet ihn mit Ex-Fernsehdirektor Peter Schellenberg. Doch auch an Armin Walpen konnte sich der Medienmann trefflich reiben. Zu seinem Abschied nach 14 Jahren an der SRG-Spitze schrieb Schawinski jüngst: «Glaub mir, Armin, kaum jemand wird dich vermissen.» Der abgetretene Medienminister Moritz Leuenberger war einst ein guter Freund, doch als ihn Schawinski wegen seiner Medienpolitik zum Rücktritt aufforderte, herrschte lange dicke Luft.

Die MedienConnection Der neue SRG-Generaldirektor ist einer seiner besten Freunde, mit Roger de Weck ging er jahrelang joggen, zusammen liefen sie Marathons. Seit vier Jahren lässt Schawinskis lädiertes Knie kein Lauftraining mehr zu. Auch zu TV-Direktor Rudolf Matter hat er einen guten Draht; sie kennen sich aus ihrer Berlin-Zeit, als Schawinski für Sat.1 und Matter für n-tv arbeitete. Die Beziehungen zu Ellen und Michael Ringier sind sowohl privat als auch geschäftlich. Schawinski ist Pate von Lilly, der ältesten Tochter von Ringier. Dass sie dennoch nie ganz enge Freunde wurden, hat mit der Dauerfehde zwischen Schawinski und Ringier-Intimus Meyer zu tun. Mathias Döpfner, Vorstandsvorsitzender der deutschen Mediengruppe Axel Springer (zu der auch BILANZ gehört), kennt der Zürcher aus seiner Zeit bei Sat.1, als Döpfner im Aufsichtsrat der Sendergruppe ProSieben Sat.1 sass.

Die Karriere Der Sohn des Vertreters Abri Schawinski wuchs in bescheidenen Verhältnissen auf, studierte Ökonomie und promovierte 1972 an der HSG. Bereits zwei Jahre vorher hatte ihn Erich Gysling zur «Rundschau» geholt. 1974 konzipierte Schawinski den «Kassensturz». Drei Jahre danach setzte ihn Migros-Chef Pierre Arnold als Chefredaktor der Tageszeitung «Tat» ein, 1978 wurde er gefeuert. 1979 gründete er Radio 24, 1994 Tele Züri, 1998 Tele 24. 2001 erwarb Tamedia dessen Firmengruppe für geschätzte 90 Millionen Franken. Zwischen 2003 und 2006 katapultierte Schawinski als Geschäftsführer von Sat.1 den Gewinn von 4 auf 204 Millionen Euro. Seit 2008 ist er wieder auf Sendung – mit seinem Radio 1.

Die Familie Schawinski ist in dritter Ehe verheiratet mit Gabriella Sontheim, Lehrerin und erste Produzentin von «Talk Täglich» bei Tele Züri. Seit 2008 studiert sie Erziehungswissenschaft. Tochter Lea (13) absolviert am Gymi ihr erstes Jahr. Die beiden Kinder aus zweiter Ehe leben im Ausland.