Mit einer Körpergrösse von 1,90 Metern, den breiten Schultern und der strengen Brille strahlt Thomas Jordan Autorität aus. Im Ausdruck bedächtig, in den Körperbewegungen behäbig, im Auftritt unprätentiös, verkörpert er fast idealtypisch den introvertierten Notenbanker – anders als sein glamouröser Ex-Chef Philipp Hildebrand, der über eine Devisenaffäre stolperte. Noch wird auch Thomas Jordan auf Herz und Nieren geprüft, doch wenn keine unerwarteten Machenschaften auftauchen – womit beim wenig spektakulären Lebensstil des zweifachen Familienvaters kaum jemand rechnet –, ist der Weg an die Spitze für den bisherigen Vize frei.
Von der Ausbildung her ist er ein eher dogmatischer Geldtheoretiker mit der Priorität auf Inflationsbekämpfung. Doch in seiner praktischen Tätigkeit als Direktoriumsmitglied hat er mit Devisenmarktinterventionen viel Flexibilität in Sachen Geldversorgung sowie Verständnis für konjunkturelle Erfordernisse gezeigt. Als Leiter des Departements II der Nationalbank hat er sich mit Vehemenz für mehr Macht bei der Bankenregulierung eingesetzt – und sich dabei einige Feinde eingehandelt. Er steht für die Kontinuität der Nationalbank und will in einem Punkt keine Zweifel aufkommen lassen: Die Kursuntergrenze zum Euro von 1.20 Franken werde mit allen Mitteln durchgesetzt.
Die Förderer
1997, knapp 34-jährig, trat Thomas Jordan seine Karriere bei der Nationalbank an. Es war der Startschuss für einen rasanten Aufstieg, der ihn vom wissenschaftlichen Berater bis ins Direktorium führte. Das Rüstzeug für den Job holte er sich als Assistent des Berner Ökonomieprofessors Ernst Baltensperger. Der Notenbankexperte geniesst SNB-intern bis heute einen hervorragenden Ruf und hat Jordan empfohlen. Nach Abschluss des Studiums absolvierte Jordan einen Forschungsaufenthalt an der Harvard University, Professorenlegende Benjamin Friedman war sein Mentor. Seine ersten Chefs bei der Nationalbank waren Chefökonom Georg Rich sowie Nationalbank-Präsident Hans Meyer. Sie beförderten ihn bereits zwei Jahre nach dem Eintritt zum Vizedirektor. Unter den SNB-Chefs Jean-Pierre Roth und Philipp Hildebrand bekam seine Karriere weiteren Schub: 2004 machte ihn Hildebrand zu seinem Stellvertreter, 2007 wurde er Mitglied des Direktoriums. Hildebrand und Jordan arbeiteten eng zusammen. Hildebrand baute auf Jordan und gab ihm bei Aufgaben wie der Regulierung viel Gestaltungsfreiheit. Nach der Devisenaffäre kam der Bankrat, gemeinsam mit dem Direktorium inklusive Thomas Jordan, zum Schluss, dass die Glaubwürdigkeit von Hildebrand angeschlagen sei und er besser zurücktreten solle. Für Jordan eine unverhoffte Chance: Hildebrand wäre ihm für den Aufstieg ins Präsidium wohl noch lange vor der Sonne gestanden – die beiden sind gleich alt.
Die Kandidaten
Das Kandidatenkarussell dreht sich. Einerseits muss der Nachfolger von Hildebrand bestimmt werden, andererseits ein neues Mitglied die Lücke im dreiköpfigen Präsidium füllen. Steht Jordan fürs Präsidium klar in der Pole Position, so ist völlig offen, wer neu dazustossen soll. Gute Chancen eingeräumt werden dem Direktor der eidgenössischen Finanzverwaltung, Fritz Zurbrügg, der die Schweiz beim IWF vertreten hat. Als ausgewiesene Ökonomin gilt auch Beatrice Weder di Mauro, eine Schweizerin, die als Professorin an der Uni Mainz tätig ist und die deutsche Regierung in Wirtschaftsfragen berät. Auch Serge Gaillard, Leiter der Direktion für Arbeit im Staatssekretariat für Wirtschaft, wurde in der Presse genannt.
Auch intern stehen erfahrene Leute zur Verfügung, allen voran das erweiterte Direktorium. Thomas Moser wirkte als Stellvertreter von Hildebrand im I. Departement und war beim IWF. Thomas Wiedmer war Chefökonom in der Berner Finanzdirektion, Dewet Moser baute nach 1997 das SNB-Risikomanagement auf.
Die Familie
Seine Frau Jacqueline lernte Jordan gegen Ende der Schulzeit in Biel kennen, wo er geboren und aufgewachsen ist. Sie war später als Englischlehrerin tätig und arbeitet heute als Fachhochschul-Dozentin für Englisch. Das Paar hat zwei Söhne im Teenageralter, die aufs Gymnasium gehen. Die Familie wohnt am Zürichsee. Er hat zwei Brüder, Andreas Jordan, der bei der Berner Kantonalbank arbeitet, und Peter Jordan, der als Geologe in Baselland tätig ist. Der verstorbene Vater, Peter Jordan, war Oberrichter im Kanton Bern. In seiner Schulzeit spielte Thomas Jordan wettkampfmässig Wasserball, zusammen mit Bruder Andreas.
Die Kontrahenten
Als die UBS 2008 in Schieflage geriet, übernahm die Nationalbank in einem Stabilitätsfonds deren Finanzmüll. Seither fordert sie in Sachen Bankenregulierung generell mehr Macht. Als Leiter des für die Finanzstabilität zuständigen Departements und des Stabilitätsfonds spielt Jordan dabei die entscheidende Rolle. Auf Skepsis stösst sein Machtanspruch bei der eigentlich für die Bankenregulierung zuständigen Finanzmarktaufsicht (Finma) unter Patrick Raaflaub. Die Chemie zwischen Raaflaub und Jordan stimme ohnehin nicht, sagen Beobachter, Jordan trete wenig feinfühlig auf. Abwehrreflexe gibt es auch in Bankerkreisen. Zu den frühen Kritikern vermehrter Regulierung gehörte Ex-CS-Präsident Walter Kielholz. Auch wenn die Töne unter dem jetzigen Präsidenten Urs Rohner versöhnlicher sind, ist eine Distanz geblieben. Oswald Grübel ging als UBS-CEO unverblümt auf Konfrontationskurs und forderte die Schrottpapiere, auf denen die Nationalbank inzwischen Gewinne verbuchen konnte, wieder zurück. Der ehemalige Preisüberwacher und SP-Politiker Rudolf Strahm liess verlauten, Jordans Lehrväter seien «dogmatische Monetaristen» und ihm sei daher in geldpolitischen Fragen nicht zu trauen. Er sieht seine Aussage als «Warnschuss», damit Jordan die realwirtschaftlichen Folgen der Geldpolitik nicht vernachlässigt.
Die Ausland-Connection
Hildebrand galt als bestens vernetzt in internationalen Finanzkreisen. Dabei sollte man nicht vergessen, dass viele Kontakte funktionsbedingt sind. Auch Thomas Jordan verfügt über ein enges Netzwerk. William Dudley etwa, Präsident der Fed in New York, kennt er durch die Zusammenarbeit im Märkteausschuss der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ). Mit Jens Weidmann, Chef der Deutschen Bundesbank, hat er sich über die europäische Schuldenkrise ausgetauscht, ebenso wie mit David Lipton, dem ersten Vize beim Währungsfonds. Mit Barry Eichengreen, Professor in Berkeley, sitzt er in der Bellagio Group, die sich mit globalen Wirtschaftsfragen beschäftigt.