In gut zwei Monaten wählt Frankreich einen neuen Präsidenten. Am Wochenende präsentierten sich zwei sehr unterschiedliche Kandidaten bei Wahlkampfveranstaltungen dem Publikum.
Die Rechtspopulisten der Front National um Marine Le Pen rufen am Wochenende in Lyon nach dem Vorbild von US-Präsident Donald Trump: «La France d'abord» - Frankreich zuerst. Bei den Anhängern des unabhängigen Präsidentschaftskandidaten Emmanuel Macron heisst es wenige Kilometer entfernt: «Oui, on peut» - eine Übersetzung von Barack Obamas Slogan «Yes, we can».
Nationalismus und Optimismus
Le Pen heizt den Saal mit nationalistischen Tönen und Kampfansagen an einen islamischen Fundamentalismus auf. Mit tiefer Stimme ruft sie: «Ihr habt das Recht, euer Land zu lieben, und ihr habt sogar das Recht, das zu zeigen.» Die Menge antwortet mit Sprechchören: «On est chez nous» - wir sind bei uns.
Macron beschwört dagegen Optimismus - «eine Demonstration der Lust und des Enthusiasmus», nennt er die Zusammenkunft seiner Anhänger. In der Fankurve des Stadions, in das der Polit-Jungstar geladen hat, weht ein Meer aus Frankreich- und Europaflaggen.
Weg mit der EU-Flagge
Am anderen Ende der Stadt bei der Front National braucht man nach der blauen Fahne mit den gelben Sternen gar nicht erst suchen. Die Rechtsaussen-Partei hat sich sogar in das am Samstag veröffentlichte Wahlprogramm geschrieben, die europäische Flagge von allen öffentlichen Gebäuden zu entfernen.
Beim Thema Europa wird der Unterschied zwischen den Bewegungen ganz besonders deutlich. So kündigen beide an, im Fall eines Wahlsiegs das Verteidigungsbudget erhöhen zu wollen.
Während Le Pen aber die Präsenz Frankreichs im integrierten militärischen Kommando der NATO in Frage stellt, sagt Macron: «Ich will eine europäischere Verteidigung, eine Partnerschaft zwischen Frankreich und Deutschland.»
Kein Europa vs. mehr Europa
Le Pen verspricht ein Referendum über den Austritt Frankreichs aus der Europäischen Union (EU) - einen «Frexit». In dem Wahlprogramm steht die Forderung an erster Stelle. Macron spricht sich dagegen für mehr Europa aus. Einen Weg wie den Brexit könnten sich viele seiner Anhänger nicht vorstellen, sagt er.
Die Präsidentschaftswahl ist damit auch eine Entscheidung über das Schicksal der EU. Ohnehin angeschlagen droht ihr bei einem Le-Pen-Sieg das Auseinanderbrechen. Frankreich ist immerhin die zweitgrösste Euro-Wirtschaft der Union.
Gute Chancen auf Endrunde
Wie die Abstimmung über den künftigen Staatschef ausgehen wird, ist zum jetzigen Zeitpunkt völlig unklar. Macron und Le Pen haben mittlerweile beide gute Aussichten, die entscheidende zweite Runde Anfang Mai zu erreichen. Beiden nützt der Wirbel um die Vorwürfe gegen den konservativen Kandidaten François Fillon, seine Frau zum Schein beschäftigt und ihr mehrere Hunderttausend Euro gezahlt zu haben.
Noch vor wenigen Monaten schien ein Erfolg der unabhängigen Kandidatur von Macron weit hergeholt. Im Sommer trat er als Wirtschaftsminister zurück und gründete seine eigene Bewegung «En Marche!». Mittlerweile liegt er in Umfragen bei um die 20 Prozent.
Vorsicht bei Umfragewerten
Aber auch für die Front National sah es bei einer Präsidentschaftswahl noch nie so gut aus. In Umfragen für den ersten Wahlgang im April liegt Le Pen mit um die 25 Prozent seit Wochen vorn. Für den zweiten Wahlgang sagen Umfragen ihr allerdings bisher eine krachende Niederlage voraus.
Nun steht die Aussagekraft von Umfragen aber spätestens seit dem Brexit-Votum zur Debatte und der französische Wahlkampf hat in den vergangenen Monaten schon einige Überraschungen bereit gehalten: den Kandidatur-Verzicht des amtierenden Präsidenten François Hollande, die Niederlagen von Alain Juppé und Nicolas Sarkozy bei den Vorwahlen der Konservativen, den Vorwurf der Vetternwirtschaft gegen den Saubermann Fillon.
Le Pen in Lyon die Verliererin
Aus dem Wochenende in Lyon geht Macron als Publikumsliebling hervor. Nach Angaben des Veranstalters kommen am Samstag 16'000 Menschen in und vor das Stadion, in dem er seine Rede hält. Auf dem Weg zur Bühne lässt sich der Kandidat Zeit für ein ausgiebiges Bad in der Menge - die johlt, ruft und in Vuvuzuelas bläst.
Bei der Front National bleiben die Ränge am ersten Tag halb leer. Während der Rede von Marine Le Pen am Sonntagnachmittag füllt sich das Amphitheater, das 3000 Menschen fasst, dann doch. Die Menschen bejubeln ihre Marine und singen immer wieder mit Inbrunst die Marseillaise.
Nach einer guten Stunde ist aber alles wieder vorbei, der Saal bis auf ein paar übrig gebliebene Kamerateams leergeräumt. Verglichen mit dem Polit-Ereignis, das die Anhänger von Macron am Vortag gefeiert haben, war das nichts.
(sda/ccr)