Check. Ready. Go. Start. Später die Weiten Russlands unter sich oder die Wüste des Atlantiks. Mario Corti fliegt gerne. Der CEO und neue Verwaltungsratspräsident der SAirGroup hebt selten ab – mit seiner Cessna aber so oft als möglich. Um die Maschine ist eine Anekdote gewoben, die für diesen Piloten typisch ist. Vor zwei Jahren hatte er sie zu einem vereinbarten Termin höchstselbst in der Werkstatt in Florida abholen wollen. Sie stand noch nicht bereit, und der damalige Finanzchef von Nestlé musste ohne eigenes Fluggerät unverrichteter Dinge in die Schweiz heimreisen. Zurückgekehrt nach Vevey, machte er aus seiner Wut kein Hehl. «Der schlimmste Moment im Leben» sei diese Situation in Florida für ihn gewesen, sagte er damals allen, die es hören wollten, und kaum jemand verstand diesen Zorn. Zwei Wochen später war Mario Corti wieder in den Cessna-Werken in Übersee, nahm diesmal den bereitgestellten Vogel glücklich in Empfang und pilotierte ihn selber über den Atlantik heimwärts. In der Nestlé-Zentrale in Vevey trafen die Kollegen danach einen komplett verwandelten Mario Corti an. Für ihn sei ein Traum in Erfüllung gegangen, verkündete er euphorisch und sprach vom «schönsten Tag im Leben.»
So ist Mario Corti, seit bald sechs Wochen der Retter der Swissair, der Mann, der die Schweizer Airline nach einem veritablen finanziellen Sinkflug in den Jetstream des Profits zurücksteuern soll. Seit 1964 besitzt er die Berufslizenz für Instrumentenflug und mehrmotorige Maschinen. 1992 flog er rund um die Welt und 1999 über den Atlantik. Der 55-jährige hochgebildete Manager kennt und liebt die Kontrolle, die jeder Pilot beim Fliegen mag. Er checkt dies, misst jenes, und vor allem vergisst er selten – falsch: Er vergisst nie. Mario Corti geht in den Dingen auf, mit denen er sich beschäftigt. Zwei Jahre hatte er sich in den Achtzigerjahren in die Akten des Bundesamtes für Aussenwirtschaft (Bawi) versenkt, ehe er dessen Wirken und Aufgaben zu verstehen glaubte. Zwei Jahre hatte er in den Neunzigern den Nahrungsmittelriesen Nestlé studiert, bevor er ihn zur Gänze durchschaute. Mario Corti, Doktor der Jurisprudenz, kennt keine Distanz und scheut keine Mühen. Das führt ihn zu Höchstleistungen, macht ihn aber auch anfällig. Er wird zu dem, was er tut. Kritik an der Sache trifft ihn direkt. Öfter, als er zugibt. «Die Sache» gibt es für ihn letztlich nicht. Nur noch sich selber. Mario Corti.
Wie anders ist seine kleinliche Reaktion auf eine dümmliche «Blick»-Kampagne zu deuten? Die Journalisten aus Zürich hatten in den letzten Wochen immer wieder über einen offenbar abgehobenen und verschlossenen «Herrn Doktor» geschrieben. Wütend publizierend, weil er sich den Medien verschloss und nicht mit ihnen sprach. Mario Corti brach nach wenigen Tagen das selber auferlegte «silenzio stampa», das resolute Schweigen in der Öffentlichkeit, das bis zur SAir-Generalversammlung am 25. April hätte anhalten sollen. Er verteidigte seinen Titel vor laufender Fernsehkamera. Für ihn war es eine Sache der Ehre.
Dabei ist Mario Corti im Fall der SAirGroup in der Tat der «Herr Doktor», der Company-Doctor nämlich, der zunächst einen maroden Organismus gesund pflegen muss. Die Diagnose ist weit fortgeschritten, die Therapie aber erst in Ansätzen zu erkennen. Letzteres bewirkte zwiespältige Reaktionen auf seine zwei bisherigen Zusammentreffen mit den Medien. Nach seinem Auftritt in der «Arena» am Tag seines Amtsantritts, in dem er eine «Blut, Schweiss und Tränen»-Rede hielt, wurde Mario Corti noch als der einzig denkbare Retter gefeiert, als letzter Hoffnungsträger der nationalen Airline, als Mann, der alles richten würde. Den Spitznamen «Super-Mario» hatte er weg.
Nach der direkt im Fernsehen übertragenen Medienkonferenz war er noch immer Hoffnungsträger. Die Zuseher bescheinigten ihm einen souveränen Auftritt, doch bereits bemängelten viele (Analysten), dass der «Doc» über die Zukunft der Swissair zu wenig Konkretes bekannt gegeben habe. Die Tatsache, dass Mario Corti zu diesem Zeitpunkt erst einmal zwei Wochen im Amt war, interessierte niemanden mehr. Zu sehr hatte sich eine Öffentlichkeit bereits am mehrfach beschriebenen messianischen Heilsbild des Herrn Mario Corti orientiert. Am nächsten Tag stürzte der Kurs der SAir-Aktie um mehr als 20 Prozent ab. So wie er funktioniert, muss man annehmen, dass dies Mario Corti persönlich traf.
Fliegen will gelernt sein
Einer seiner Bekannten erinnert sich an eine Begebenheit vor einiger Zeit: Mario Corti stand auf dem Trottoir. Das Taxi war eben vorgefahren. Er schon beinahe eingestiegen. Da fiel ihm noch etwas ein. Er wollte zu der von ihm Abschied nehmenden Person zurück und noch etwas an ein nie beendetes Gespräch anfügen, er überquoll dabei fast, zappelig, weil die Zeit knapp wurde, ein wenig zurückweichend, ein wenig vorwärts strebend, der eine Mario Corti im Auto, der andere noch auf dem Trottoir. Verstanden wurde er nicht mehr. Dann war die Türe zu und er weg. Ein angefangener Satz hing in der Luft.
Das ist der andere Mario Corti. Er macht des Öftern einen gehetzten Eindruck. Prall gefüllt ist sein Terminplan. Die Tasche, die er in den vergangenen Jahren mit sich führte, schien ständig um drei oder vier Bücher zu voll zu sein. Doch er trug sie stets. Die Aufgaben, die er zu erfüllen hat, sind seit Jahren unendlich viele. Doch er denkt sie zu Ende. Mario Corti ist auch deshalb der richtige Mann für die SAirGroup zum heutigen Zeitpunkt. Er ist es gewohnt, viele Dinge gleichzeitig zu tun, sich in komplizierte Dossiers zu versenken, die vielen verknüpften Fäden zu entwirren, einen Entscheid zu treffen und daran festzuhalten. Er kann gleichzeitig drin und ausserhalb sein: im Taxi und auf dem Trottoir. Er verliert die Distanz – und sieht sich dennoch gleichzeitig von ferne agieren. Er muss zur selben Zeit die Finanzierungslücken der SAirGroup überbrücken, aus unsinnigen Beteiligungen aussteigen, das Personal besänftigen und motivieren, die Stärken des Unternehmens hervorstreichen, neue Allianzen schmieden. Nur verstanden wird er derzeit kaum – das «silenzio stampa» macht ihn nicht ablesbar. Die Türe ist zu, und ein angefangener Satz – «Herr Doktor …» – hängt in der Luft.
Ohne einen prallvollen Ausbildungs- und Erfahrungsrucksack wäre Mario Corti kaum der Richtige für den neuen Job. Der Tessin-Deutschschweizer mit den Heimatorten Stabio und Winterthur besuchte in Kirchberg bei Bern die Schulen und absolvierte an der Universität Lausanne sein Studium, das er 1971 als 25-Jähriger mit einem juristischen Doktorat über die EG-Agrarpolitik zu Ende führte. Seine ersten beruflichen Schritte unternahm er als Corporate Planner in Pasadena, am kalifornischen Hauptsitz des Aluminium- und Chemieunternehmens Kaiser, der Nummer vier der Branche. In dieser Phase absolvierte er auch die Ausbildung an der Harvard Business School, die er 1975 als Zweitbester seines Jahrgangs mit dem MBA abschloss, im gleichen Jahr übrigens, in dem an selber Stelle ein gewisser George W. Bush promovierte. Zu dieser Zeit lernte Mario Corti in Boston seine Frau Joy kennen, mit der er bis heute zusammen ist – sie zu heiraten, bezeichnet er als «den besten Entscheid meines Lebens». Das kinderlose Paar lebt heute abgeschieden in Bex nahe Lausanne. Hier bremst Mario Corti den unentwegt mahlenden Denkstrom mit Gartenarbeiten. Arbeit mit den eigenen Händen liebt er. Das manuelle Tun katapultiert ihn immer wieder aus den Denkwelten in die Realität zurück und stoppt das Karussell der Gedanken.
Der Weg zum Alu-Giganten Kaiser in die USA führte 1974 über die Firma seines Vaters. Willi Corti war von der Alusuisse nach Kirchberg gekommen und Mitinhaber von Nyffeler Corti geworden, einer Fabrik, die Aluminiumverpackungen herstellte und später an die US-Firma Kaiser verkauft werden sollte. Der Vater geschäftete prächtig, den Cortis ging es gut. Keine Rede also von einem typischen Secondo, vom Sohn eines aus dem Tessin Zugezogenen in einem finanziell minder privilegierten Umfeld, das manchmal am Anfang grossen Ehrgeizes steht. Vater Willi Corti prägte seinen Sohn. Der einzige Bub der Familie, jüngster Spross, wuchs mit seinen Schwestern Cornelia (61) und Vera (58) auf und lernte sehr früh, exzellent zu sein. Er habe sich stets am Vater gemessen, den Weggefährten als «echten Mann» beschreiben, als einen, der Patron und Geniesser in einem gewesen sein soll. Das Vorbild war Antrieb.
Nach seiner Rückkehr aus den USA verbrachte Mario Corti die nächsten zehn Berufsjahre bei der Schweizerischen Nationalbank, wo er bis zum Direktor und stellvertretenden Chef des Bankendepartements aufstieg. Weitere vier Jahre im Staatsdienst absolvierte Mario Corti im Bundesamt für Aussenwirtschaft (Bawi), im Range eines Botschafters und Delegierten des Bundesrates für Aussenhandelsverträge sowie als stellvertretender Bawi-Direktor. In dieser Zeit war Franz Blankart sein Chef. Dieser lobt Mario Corti noch heute in den höchsten Tönen als Mann von hoher Sozialkompetenz, als integren und gradlinigen Menschen, der beim Bawi ein enormes Dossier zu betreuen hatte: Die Hälfte des Personals war ihm unterstellt, über seinen Schreibtisch gingen alle Grundsatzstudien; zusätzlich betreute er das OECD-Dossier und vertrat seinen Chef bei der Weltbank und bei EWR-Fragen. Nebenbei brachte er seinem Bundesamt als erstem im Staatsapparat die Informatik bei. Wie Mario Corti daneben noch Zeit fand, seine Professur an der Universität Bern auszuüben, ist für Blankart bis heute ein Rätsel. Er hält Mario Corti für einen der drei intelligentesten Menschen, die ihm je im Bundeshaus begegnet sind – die anderen beiden sind alt Bundesrat Kurt Furgler und der spätere Nestlé-Präsident, Staatssekretär Paul Paul Jolles. Nur einen «Fehler» vermag Franz Blankart bei seinem Freund zu entdecken: Er sei unglaublich treu – in seinen Überzeugungen, in seinen Freundschaften und in seinen Feindschaften. Will heissen: Er könne auch nachtragend sein. Die Verbindung mit seinem ehemaligen Chef hat jedenfalls gehalten. Zwei Wochen vor Mario Corti Ernennung zum neuen Swissair-Chef traf er sich mit Franz Blankart zum Mittagessen – ohne dabei auch nur ein Wort über die Swissair zu verlieren. Blankart ahnte, was dräute, und Mario Corti wusste, dass Blankart es spürte. So schwiegen sie beredt darüber, denn die beiden Freunde wollten einander nicht in einen Gewissensnotstand treiben. weiter...
So ist Mario Corti, seit bald sechs Wochen der Retter der Swissair, der Mann, der die Schweizer Airline nach einem veritablen finanziellen Sinkflug in den Jetstream des Profits zurücksteuern soll. Seit 1964 besitzt er die Berufslizenz für Instrumentenflug und mehrmotorige Maschinen. 1992 flog er rund um die Welt und 1999 über den Atlantik. Der 55-jährige hochgebildete Manager kennt und liebt die Kontrolle, die jeder Pilot beim Fliegen mag. Er checkt dies, misst jenes, und vor allem vergisst er selten – falsch: Er vergisst nie. Mario Corti geht in den Dingen auf, mit denen er sich beschäftigt. Zwei Jahre hatte er sich in den Achtzigerjahren in die Akten des Bundesamtes für Aussenwirtschaft (Bawi) versenkt, ehe er dessen Wirken und Aufgaben zu verstehen glaubte. Zwei Jahre hatte er in den Neunzigern den Nahrungsmittelriesen Nestlé studiert, bevor er ihn zur Gänze durchschaute. Mario Corti, Doktor der Jurisprudenz, kennt keine Distanz und scheut keine Mühen. Das führt ihn zu Höchstleistungen, macht ihn aber auch anfällig. Er wird zu dem, was er tut. Kritik an der Sache trifft ihn direkt. Öfter, als er zugibt. «Die Sache» gibt es für ihn letztlich nicht. Nur noch sich selber. Mario Corti.
Wie anders ist seine kleinliche Reaktion auf eine dümmliche «Blick»-Kampagne zu deuten? Die Journalisten aus Zürich hatten in den letzten Wochen immer wieder über einen offenbar abgehobenen und verschlossenen «Herrn Doktor» geschrieben. Wütend publizierend, weil er sich den Medien verschloss und nicht mit ihnen sprach. Mario Corti brach nach wenigen Tagen das selber auferlegte «silenzio stampa», das resolute Schweigen in der Öffentlichkeit, das bis zur SAir-Generalversammlung am 25. April hätte anhalten sollen. Er verteidigte seinen Titel vor laufender Fernsehkamera. Für ihn war es eine Sache der Ehre.
Dabei ist Mario Corti im Fall der SAirGroup in der Tat der «Herr Doktor», der Company-Doctor nämlich, der zunächst einen maroden Organismus gesund pflegen muss. Die Diagnose ist weit fortgeschritten, die Therapie aber erst in Ansätzen zu erkennen. Letzteres bewirkte zwiespältige Reaktionen auf seine zwei bisherigen Zusammentreffen mit den Medien. Nach seinem Auftritt in der «Arena» am Tag seines Amtsantritts, in dem er eine «Blut, Schweiss und Tränen»-Rede hielt, wurde Mario Corti noch als der einzig denkbare Retter gefeiert, als letzter Hoffnungsträger der nationalen Airline, als Mann, der alles richten würde. Den Spitznamen «Super-Mario» hatte er weg.
Nach der direkt im Fernsehen übertragenen Medienkonferenz war er noch immer Hoffnungsträger. Die Zuseher bescheinigten ihm einen souveränen Auftritt, doch bereits bemängelten viele (Analysten), dass der «Doc» über die Zukunft der Swissair zu wenig Konkretes bekannt gegeben habe. Die Tatsache, dass Mario Corti zu diesem Zeitpunkt erst einmal zwei Wochen im Amt war, interessierte niemanden mehr. Zu sehr hatte sich eine Öffentlichkeit bereits am mehrfach beschriebenen messianischen Heilsbild des Herrn Mario Corti orientiert. Am nächsten Tag stürzte der Kurs der SAir-Aktie um mehr als 20 Prozent ab. So wie er funktioniert, muss man annehmen, dass dies Mario Corti persönlich traf.
Fliegen will gelernt sein
Einer seiner Bekannten erinnert sich an eine Begebenheit vor einiger Zeit: Mario Corti stand auf dem Trottoir. Das Taxi war eben vorgefahren. Er schon beinahe eingestiegen. Da fiel ihm noch etwas ein. Er wollte zu der von ihm Abschied nehmenden Person zurück und noch etwas an ein nie beendetes Gespräch anfügen, er überquoll dabei fast, zappelig, weil die Zeit knapp wurde, ein wenig zurückweichend, ein wenig vorwärts strebend, der eine Mario Corti im Auto, der andere noch auf dem Trottoir. Verstanden wurde er nicht mehr. Dann war die Türe zu und er weg. Ein angefangener Satz hing in der Luft.
Das ist der andere Mario Corti. Er macht des Öftern einen gehetzten Eindruck. Prall gefüllt ist sein Terminplan. Die Tasche, die er in den vergangenen Jahren mit sich führte, schien ständig um drei oder vier Bücher zu voll zu sein. Doch er trug sie stets. Die Aufgaben, die er zu erfüllen hat, sind seit Jahren unendlich viele. Doch er denkt sie zu Ende. Mario Corti ist auch deshalb der richtige Mann für die SAirGroup zum heutigen Zeitpunkt. Er ist es gewohnt, viele Dinge gleichzeitig zu tun, sich in komplizierte Dossiers zu versenken, die vielen verknüpften Fäden zu entwirren, einen Entscheid zu treffen und daran festzuhalten. Er kann gleichzeitig drin und ausserhalb sein: im Taxi und auf dem Trottoir. Er verliert die Distanz – und sieht sich dennoch gleichzeitig von ferne agieren. Er muss zur selben Zeit die Finanzierungslücken der SAirGroup überbrücken, aus unsinnigen Beteiligungen aussteigen, das Personal besänftigen und motivieren, die Stärken des Unternehmens hervorstreichen, neue Allianzen schmieden. Nur verstanden wird er derzeit kaum – das «silenzio stampa» macht ihn nicht ablesbar. Die Türe ist zu, und ein angefangener Satz – «Herr Doktor …» – hängt in der Luft.
Ohne einen prallvollen Ausbildungs- und Erfahrungsrucksack wäre Mario Corti kaum der Richtige für den neuen Job. Der Tessin-Deutschschweizer mit den Heimatorten Stabio und Winterthur besuchte in Kirchberg bei Bern die Schulen und absolvierte an der Universität Lausanne sein Studium, das er 1971 als 25-Jähriger mit einem juristischen Doktorat über die EG-Agrarpolitik zu Ende führte. Seine ersten beruflichen Schritte unternahm er als Corporate Planner in Pasadena, am kalifornischen Hauptsitz des Aluminium- und Chemieunternehmens Kaiser, der Nummer vier der Branche. In dieser Phase absolvierte er auch die Ausbildung an der Harvard Business School, die er 1975 als Zweitbester seines Jahrgangs mit dem MBA abschloss, im gleichen Jahr übrigens, in dem an selber Stelle ein gewisser George W. Bush promovierte. Zu dieser Zeit lernte Mario Corti in Boston seine Frau Joy kennen, mit der er bis heute zusammen ist – sie zu heiraten, bezeichnet er als «den besten Entscheid meines Lebens». Das kinderlose Paar lebt heute abgeschieden in Bex nahe Lausanne. Hier bremst Mario Corti den unentwegt mahlenden Denkstrom mit Gartenarbeiten. Arbeit mit den eigenen Händen liebt er. Das manuelle Tun katapultiert ihn immer wieder aus den Denkwelten in die Realität zurück und stoppt das Karussell der Gedanken.
Der Weg zum Alu-Giganten Kaiser in die USA führte 1974 über die Firma seines Vaters. Willi Corti war von der Alusuisse nach Kirchberg gekommen und Mitinhaber von Nyffeler Corti geworden, einer Fabrik, die Aluminiumverpackungen herstellte und später an die US-Firma Kaiser verkauft werden sollte. Der Vater geschäftete prächtig, den Cortis ging es gut. Keine Rede also von einem typischen Secondo, vom Sohn eines aus dem Tessin Zugezogenen in einem finanziell minder privilegierten Umfeld, das manchmal am Anfang grossen Ehrgeizes steht. Vater Willi Corti prägte seinen Sohn. Der einzige Bub der Familie, jüngster Spross, wuchs mit seinen Schwestern Cornelia (61) und Vera (58) auf und lernte sehr früh, exzellent zu sein. Er habe sich stets am Vater gemessen, den Weggefährten als «echten Mann» beschreiben, als einen, der Patron und Geniesser in einem gewesen sein soll. Das Vorbild war Antrieb.
Nach seiner Rückkehr aus den USA verbrachte Mario Corti die nächsten zehn Berufsjahre bei der Schweizerischen Nationalbank, wo er bis zum Direktor und stellvertretenden Chef des Bankendepartements aufstieg. Weitere vier Jahre im Staatsdienst absolvierte Mario Corti im Bundesamt für Aussenwirtschaft (Bawi), im Range eines Botschafters und Delegierten des Bundesrates für Aussenhandelsverträge sowie als stellvertretender Bawi-Direktor. In dieser Zeit war Franz Blankart sein Chef. Dieser lobt Mario Corti noch heute in den höchsten Tönen als Mann von hoher Sozialkompetenz, als integren und gradlinigen Menschen, der beim Bawi ein enormes Dossier zu betreuen hatte: Die Hälfte des Personals war ihm unterstellt, über seinen Schreibtisch gingen alle Grundsatzstudien; zusätzlich betreute er das OECD-Dossier und vertrat seinen Chef bei der Weltbank und bei EWR-Fragen. Nebenbei brachte er seinem Bundesamt als erstem im Staatsapparat die Informatik bei. Wie Mario Corti daneben noch Zeit fand, seine Professur an der Universität Bern auszuüben, ist für Blankart bis heute ein Rätsel. Er hält Mario Corti für einen der drei intelligentesten Menschen, die ihm je im Bundeshaus begegnet sind – die anderen beiden sind alt Bundesrat Kurt Furgler und der spätere Nestlé-Präsident, Staatssekretär Paul Paul Jolles. Nur einen «Fehler» vermag Franz Blankart bei seinem Freund zu entdecken: Er sei unglaublich treu – in seinen Überzeugungen, in seinen Freundschaften und in seinen Feindschaften. Will heissen: Er könne auch nachtragend sein. Die Verbindung mit seinem ehemaligen Chef hat jedenfalls gehalten. Zwei Wochen vor Mario Corti Ernennung zum neuen Swissair-Chef traf er sich mit Franz Blankart zum Mittagessen – ohne dabei auch nur ein Wort über die Swissair zu verlieren. Blankart ahnte, was dräute, und Mario Corti wusste, dass Blankart es spürte. So schwiegen sie beredt darüber, denn die beiden Freunde wollten einander nicht in einen Gewissensnotstand treiben. weiter...
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