Am 28. Oktober wird es auf dem Gelände des Kaffeemaschinenbauers Jura nicht nach Kaffee duften, sondern nach Champagner: Firmenchef Emanuel Probst lässt nach Feierabend die Korken knallen. Nicht für einen bahnbrechenden Kaffeeautomaten, sondern für ein Denkmal, das er seinem Markenbotschafter Roger Federer setzt: Im solothurnischen Niederbuchsiten wird an diesem Abend die Eröffnung des weltweit ersten «Roger Federer Walk of Fame» zelebriert.
Am Festakt werden die geladenen Gäste neben dem Tennisstar auch Trophäen bewundern können, die dieser zur Verfügung gestellt hat. Ihm zu Ehren lanciert Jura an dem Abend auch eine auf 300 Stück limitierte Spezialedition von Kaffeemaschinen – exakt das Modell, das auch in Federers Küche steht. Die Nummer 1 der Sonderserie wird derzeit unter www.rogerfederer.com zugunsten der Federer Foundation versteigert. Dem Meistbietenden winken eine VIP-Einladung für das Fest bei Jura, zwei Tickets für die Swiss Indoors in Basel sowie ein Händedruck von Federer, der die Maschine persönlich überreichen wird.
Warum so viel Aufhebens? Jura verdanke dem Tennisstar viel, meint Kommunikationschef Meinrad Kofmel, «er ist ein sensationeller Markenbotschafter». Weil Federer weltberühmt ist und aller Welt sympathisch. Weil Federer als Personifizierung dessen gilt, womit Jura laut Kofmel assoziiert werden will: «Schweizer Herkunft, Präzision, Leistung, Leidenschaft.» Der Kaffeemaschinenhersteller war einer der Ersten, die Federer als Markenbotschafter unter Vertrag nahmen. Das war 2006. Zwei Jahre später wurde die Geschäftsbeziehung mit dem Tennisspieler um acht Jahre verlängert, wohl wissend, dass Federer dannzumal längst nicht mehr die Nummer eins sein würde. «Federer als Marke leidet nicht, wenn er in der Rangliste zurückfällt», behauptet Kofmel.
Politur fürs Image. Was Federer Jura konkret bringt, weiss keiner. Und es scheint auch niemanden zu interessieren. «Wir sind überzeugt, dass sich das Engagement auszahlt», sagt Kofmel nur, «gerade in den asiatischen Märkten ist Federer beinahe ein Halbgott und daher ein Türöffner.»
Federer als Politur fürs Image – das sehen auch andere Firmen so. Der Tenniscrack gilt als Idealtyp für alle Tugenden, die mit Swissness verbunden werden. Entsprechend hoch steht er im Kurs: Neben Jura repräsentiert er Mercedes, Gillette, Wilson und Nike. Für den Versicherer Nationale Suisse spaziert Federer derzeit in einem TV-Spot «atemberaubend sicher» über die Dachkante eines Hochhauses. Für den Schokoladenfabrikanten Lindt & Sprüngli erzählt er seit Ende Oktober 2009 aller Welt von seiner Liebe zur Schokolade. Und der Credit Suisse, mit der Federer zur gleichen Zeit eine Partnerschaft besiegelt hat, beschert er in wenigen Wochen über eine Million Hits auf der Firmen-Homepage: Zu sehen gibt es ein Video mit Roger Federer und Rafael Nadal, die es bei den Aufnahmen zum Werbespot für «The Match for Africa» vor Lachen nur so schüttelt. Das Spiel zugunsten von Federers Stiftung findet im Dezember im Zürcher Hallenstadion statt.
Millionenspiel. Werbung mit prominenten Zeitgenossen wie Roger Federer erlebt einen Boom. Vom Autobauer über Kosmetikkonzerne bis zum Uhrenhersteller buhlen heute unzählige Marken um die Aufmerksamkeit von Konsumenten, indem sie eine Celebrity für sich einspannen. Der Marktwert von Promis mit globaler Ausstrahlung ist entsprechend hoch, bei hochkarätigen Verträgen sind Millionen im Spiel. Im Fall von Federer werden die Einnahmen von «Forbes» auf 33 Millionen Dollar beziffert. Zu den Spitzenverdienern gehört nach Schätzungen des US-Branchenmagazins «Adweek» auch Nicole Kidman. Die Schauspielerin, die ebenso für Omega wirbt, erhält demnach für ihre Kampagne für Chanel N° 5 pro Jahr zwölf Millionen Dollar. Und Scarlett Johansson, die von der Champagnermarke Moët & Chandon unter Vertrag genommen wurde, erhält von L’Oréal zwei Millionen Dollar, ebenso viel wie Penélope Cruz, die seit neustem ausser für L’Oréal auch für den Kleiderkonzern Charles Vögele lächelt.
Der Nutzen eines prominenten Ambassadeurs für Marken wird nicht beziffert, sondern gefühlt in Form von erfüllten Erwartungen: Wenn Lindt & Sprüngli in Melbourne zur Eröffnung eines neuen Ladenkonzepts einlädt, erscheinen Journalisten vor allem darum in Heerscharen, weil Federer auch dort ist. Auch bei einem «Meet and Greet» von Roger Federer mit der Jura-Belegschaft reist ein ganzer Journalistentross nach Niederbuchsiten. Interessant: Von den zehn Federer-Sponsoren stört sich keiner daran, dass er den Star nicht exklusiv hat. Im Gegenteil. «Mit einer Marke wie Rolex assoziiert zu werden, ist doch gut», sagt Jura-Kommunikationschef Meinrad Kofmel. Im Gegensatz zu Jura, wo Federer «the one and only» ist, ist er bei Rolex einer von vielen.
Das mag daher rühren, dass beim Luxusuhrenmacher diese Art von Werbung eine lange Tradition, wenn nicht gar ihren Ursprung hat. 1926 lancierte Rolex mit dem Modell Oyster die erste wasserdichte Uhr – und trat sogleich den Beweis an: Am 7. Oktober 1927 versuchte die damalige Büroangestellte Mercedes Gleitze mit einer Oyster am Handgelenk, den Ärmelkanal zu durchschwimmen. Der Versuch scheiterte, doch die Uhr überstand den 15-stündigen Trip schadlos, was Rolex der Welt auf der Titelseite des «Daily Mail» als «greatest triumph» verkündete.
Aktive Uhrenlabels. Ein Job als Rolex-Markenbotschafter gilt als Prestigeangelegenheit und wirft darum laut einem Branchenkenner ausser dem Zugang zu den neusten Modellen wenig ab. Andere Uhrenfirmen überlassen ihren Stars neben Uhren auch eine Gage. Zu den Pionieren gehört TAG Heuer. 1969 präsentierte die Uhrenmanufaktur den ersten automatischen Chronographen, Kaliber 11. Werbewirksam getragen wurde dieser vom Autorennfahrer Jo Siffert. Die Idee war doppelt gut: erstens weil Siffert eine Ikone war, zweitens weil vor TAG Heuer noch nie ein Unternehmen von ausserhalb der Autoindustrie die Formel 1 gesponsert hatte. Mit dem Deal landete Jack Heuer, der Urenkel des Firmengründers, einen einmaligen Coup. Nur gerade 25 000 Franken bezahlte er damals, um auf Sifferts Wagen und Anzug das Firmenlogo zu platzieren. Dass es dann auch noch millionenfach auf Spielzeugrennautos geklebt wurde, stimmt Heuer bis heute vergnügt. Mit den Vorzeigefiguren Lewis Hamilton und Jenson Button ist TAG Heuer bis heute im Rennsport verankert.
Unterdessen setzen fast alle Uhrenlabels Markenbotschafter ein: Piaget holte Schauspielerin Sienna Miller, Longines Kate Winslet, Jaeger-LeCoultre Diane Kruger. Die Liste liesse sich beliebig verlängern. Etwas differenzierter geht die Schaffhauser IWC vor. In Printkampagnen setzt sie mehr auf technische Promessen denn auf attraktive Promis, lässt sich aber sonst einiges einfallen, um sich mit Celebrities in Szene zu setzen. So lieferte der Schriftsteller Paulo Coelho Geschichten für ein monumentales Buch über die 1868 gegründete Firma. Und der Schauspieler Jean Reno ist Hauptdarsteller in einem IWC-Movie über die Geschichte der Navigation und damit Botschafter der berühmten Portugieser-Linie. Anlässlich des 140-Jahr-Jubliäums liess IWC einen Film drehen über die Anfänge von IWC mit Cate Blanchett und Joseph Fiennes in den Hauptrollen. Premiere hatte das Œuvre an einer Gala, zu der 1700 VIP aus der ganzen Welt eingeladen waren. Ein Markenbotschafter, der bei jedem Happening dabei ist, das der umtriebige IWC-Chef Georges Kern veranstaltet, ist Boris Becker.
Umsatz bolzen mit Clooney. Omega setzt neben Topmodel Cindy Crawford auf die Schauspielerinnen Nicole Kidman und Zhang Ziyi sowie auf George Clooney. Der smarte Weltstar ist bei Omega nur ein Werbeträger unter vielen – bei Nespresso aber macht er seinen Job allein. 2006 setzte er sich in einer Umfrage bei Nespresso-Clubmitgliedern gegen andere prominente Kandidaten klar durch. Seither schlägt der Kaffeekonzern aus Clooneys Charisma Profit, der Umsatz stieg von 1,2 auf 2,8 Milliarden Franken, seit der Mann unter Vertrag ist. Wie viel davon aufs Konto des Stars geht, interessiert auch in diesem Fall nicht. «George Clooney half uns, Nespresso zu einer globalen Marke aufzubauen», sagt Kommunikationschef Hans-Joachim Richter.
Anders als Federer, der langjährige Verträge abschliessen kann, verhandelt Clooney seinen Deal mit Nespresso immer wieder neu, je nach Stand der Markenentwicklung. Die aktuelle Vereinbarung läuft bis 2011 und regelt auch die Kurzfilme mit Schauspieler John Malkovich. Um ja keinen Déjà-vu-Effekt aufkommen zu lassen, stellten die Nespresso-Strategen in letzter Zeit statt Clooney eigene Mitarbeiter ins Zentrum der Kampagne und erhöhten so die Spannung auf die fünfte Episode der Nespresso-Saga hin, die im November ausgestrahlt wird. Bis es so weit ist, werden die Clubmitglieder im Internet mit Backstage-Filmmaterial bei Laune gehalten.
Der Kaffee-Attaché gehört gemäss einer Untersuchung der britischen Marktforschungsfirma Millward Brown zu den stärksten Markenbotschaftern. Grund: Ihm werden keine negativen Attribute zugeschrieben, Clooney gilt als clever, sympathisch und humorvoll und ist als eine der wenigen Markenpersönlichkeiten mit globaler Wirkung im Dauereinsatz. Er geht mit seinen kaffeebraunen Augen auch für andere Konsumgüter wie Martini oder Omega-Uhren auf Kundenfang. Nespresso stört es nicht. «Clooney ist sehr wählerisch, was die Marken betrifft», sagt Nespresso-Kommunikationschef Hans-Joachim Richter. Der Slogan «Nespresso. What else?» habe einen starken Wiedererkennungswert.
Diese Gelassenheit ist erstaunlich: Sind Botschafter omnipräsent, verblasst nämlich ihre Strahlkraft. Das belegt eine Umfrage des deutschen Marktforschungsunternehmens IMAS International. Es nennt dies «Sättigungseffekt» und schliesst, eine Marke könne nur dann von Prominenten profitieren, wenn eine Verbindung zwischen ihr und dem Botschafter existiere. Sonst sorgten die vielen Prominenten bei den vielen Marken nur für Verwirrung. Die Macher des vorletzten Bond-Films machten daraus ein Spässchen: James Bond, der traditionell Omega trägt, wird vom Bond-Girl gefragt: «Rolex?» Bond hebt die Augenbrauen und antwortet kühl: «Omega.»
Die Crux mit dem Nutzen. Peter Marti, Inhaber der Kommunikationsagentur Marti.Seiler, ist nach wie vor von der Wirkung der Botschafter überzeugt: «Der Konsument kann bekannte Gesichter bis zu 15-mal besser memorisieren und den Inhalt der Werbebotschaft wiedergeben, als wenn mit irgendeinem Fotomodell gearbeitet wird», behauptet er, «deshalb versprechen Promis mehr Beachtung und Erfolg.» Auf Martis Empfehlung engagierte der Kleiderkonzern Vögele die Schwestern Penélope und Mónica Cruz. Vögele will mit den Schauspielerinnen nicht nur die Bekanntheit steigern, sondern auch das Image entstauben. «Mode ist ein internationales Geschäft und wird von internationalen Trends bestimmt», so Marti, «wir haben Vögele von Anfang an empfohlen, mit einem Weltstar zusammenzuarbeiten.» Von den Cruz-Schwestern soll es eine 40-teilige Kollektion geben, die an den Charles Vögele Fashion Days in Zürich Anfang November gezeigt wird. Es handelt sich um die Frühjahrs- und Sommerkollektion 2011, die Ende Januar in die Läden kommt. Ob und wie der Glamour der beiden auf die Firma abfärbt, wird also erst in einigen Monaten zu sehen sein.
Es ist damit zu rechnen, dass Vögele zum Schluss kommt, der Einsatz der Cruz-Schwestern sei ein Erfolg gewesen. Eine Promikampagne gilt nämlich schon dann als geglückt, wenn sich die in Umfragen gemessene Bekanntheit der Marke steigern lässt. «Es ist nicht ganz einfach, den Erfolg der Kampagne mit Markenbotschaftern zu beziffern», gesteht Daniel Mori, Geschäftsführer des Brillenunternehmens Visilab. Mit repräsentativen Umfragen habe er aber festgestellt, dass sich der Bekanntheitsgrad von Visilab in der Deutschschweiz eindeutig erhöht habe, seit man Bernhard Russi als Botschafter einsetze. Seit Russi vor 25 Jahren für Subaru den Allradantrieb promotete, hat er sich zu einem der sichersten Werte der hiesigen Szene mit entsprechend vielen Geschäftsbeziehungen entwickelt. Aber auch andere Schweizer verdienen mit Promiwerbung gutes Geld: Melanie Winiger wirbt für Coop Naturaline, Volvo und das Dusch-WC AquaClean, Fiona Hefti für Schulthess-Waschmaschinen, DJ Bobo für das Shoppingcenter Tivoli, Alex Frei für Mazda und, neu, Alain Sutter für VW. Anders als Weltstars wie Clooney, der einfach von der Leinwand herunterlächeln darf, müssen sie auch an Messeständen oder Händleranlässen gute Miene machen.
Der CEO als Fan. «Die Kosten sind hoch, der Nutzen fragwürdig – mit dem Einsatz von Celebrities bereiten die Firmenchefs vor allem sich selber eine Freude», folgert Thomas Sevcik, Mitinhaber der Beratungsfirma Arthesia (siehe Interview «Flucht aus der Ideenlosigkeit»). Der Mann hat recht. So liess es sich Vögele-Chef André Maeder nicht nehmen, beim Shooting mit den Cruz-Schwestern persönlich dabei zu sein. Der Boss von TAG Heuer, Jean-Christophe Babin, taucht dort auf, wo seine Markenbotschafter sind – mal mit Leonardo DiCaprio in Paris, mal mit Bollywood-Star Shahrukh Khan in Mumbai. Lindt-&-Sprüngli-Chef Ernst Tanner sonnte sich so sehr im Rampenlicht, als er Roger Federer als Markenbotschafter präsentierte, dass er fast vergass, auch Federer zu Wort kommen zu lassen. Lotus-Chef Dany Bahar liess am Pariser Automobilsalon stolz das Supermodel Naomi Campbell einlaufen, um das neuste Automodell zu enthüllen. Und Philippe Gaydoul, Eigentümer von Fogal, Jet Set und Navyboot, scheint mit Botschafter Michael Schumacher auch persönlich das grosse Los gezogen zu haben: Auf Fotos mit dem Rennfahrer wirkt er jedenfalls tief zufrieden.
Die Zusammenarbeit mit Promis birgt auch Risiken. Etwa wenn der Markenbotschafter nicht hält, was man sich von ihm verspricht. Was, wenn Alex Frei das Tor nicht mehr trifft und Michael Schumacher seinen rüpelhaften Fahrstil beibehält? V-Zug liess Martina Hingis sofort fallen, als es hiess, sie habe Kokain konsumiert. Drogen kosteten auch Kate Moss Millionen: Bilder des kokainschnupfenden Topmodels empör-ten die Welt dermassen, dass es von Burberry und Chanel aus den Kampagnen verbannt wurde. Und als Tiger Woods, für den vor drei Jahren noch jeder die Hand ins Feuer gelegt hätte, mit seinen Affären für Schlagzeilen sorgte, erklärten AT&T, Accenture und Gatorade ihre Werbeverträge mit dem Golfer für Makulatur. Auch bei TAG Heuer wurde dies geprüft, aber wieder verworfen. Woods ist immer noch für die Firma im Einsatz. Nicht in Europa, nicht in den USA, aber in China: Dort ist Woods nach seinen Eskapaden in der Achtung gestiegen – bei den Männern.