Still ist es geworden um den Aktiensparer aus Wilen. So atypisch still, dass unter Börsianern bereits der Verdacht aufkeimte, der Prediger des permanenten Aktienmehrwerts sei nach dem Kurszerfall der letzten Monate womöglich bald klamm. Eine Annahme, die sich als krude Fehlinterpretation entpuppt, wenn man um Ebners Finanzierungsgrundsätze und seine angeborene Vorsicht weiss. Das Schweigen des BZ-Gründers gibt gleichwohl Rätsel auf, weil der Mann mit dem fröhlichen Halsbinder und den unergründlichen Taschen ehemals keine Gelegenheit ausliess, um seinem Frust über reale oder vermeintliche Missstände im Land öffentlich Ausdruck zu verleihen.
Unermüdlich hatte Ebner gegen fehlendes Kostenbewusstsein gewettert, hatte das Verschleudern von Steuergeldern beklagt und war gegen Missmanagement und Interessenfilz zu Felde gezogen. Ausgerechnet jetzt, wo die Schweiz durch eine ihrer tiefsten Sinnkrisen geht, weil die Folgen von kleinstaatlicher Kompromisskultur und institutionalisierter Mediokrität schonungslos zu Tage treten, versagt dem unerbittlichen Mahner die Stimme. Dabei – und hier sind sich wohl alle einig – mangelt es in der Seifenoper rund um das Grounding der SAirGroup beileibe nicht an Ansatzpunkten für Ebners als beissend bekannte Kritik.
Der 56-jährige Banker indessen ist stumm geblieben – in Kontrast zu seinem langjährigen Geschäftspartner, SVP-Nationalrat Christoph Blocher, der das nationale Trauerspiel instinktiv nutzte, um daraus politisch Kapital zu schlagen. Während der Jugendfreund ätzte, dass es ihn nachgerade freuen würde, falls sich die vom Bund orchestrierte Rettungsaktion als Schuss in den Ofen erweisen sollte, hielt sich Ebner mit abfälligen Bemerkungen artig zurück. Ist der Aktionärspopulist in Sachen Corporate Governance am Ende befangen?
Auf seinem Marsch durch den helvetischen Wirtschaftsfilz ist der Sohn eines deutschstämmigen Lithografen von seinem eigenen Feindbild eingeholt worden. Da haben sich diverse prominente Mandatsträger, namentlich hoch dotierte Exponenten aus der Teppichetage der Credit Suisse Group, durch ihre Mitverantwortung an einer zu Boden gewirtschafteten Fluggesellschaft auf augenfällige Weise delegitimiert – um nicht zu sagen: untragbar gemacht –, und der dominanteste Aktionär besagter Grossbankengruppe, der seit Jahren für eine wirkungsvolle Aufsicht der Manager durch die Kapitalgeber kämpft, schaut zu, ohne dass auch nur eine Silbe der Kritik über seine Lippen kommt. «Jetzt wären die Aktionäre gefordert», bringt ein Zürcher Aktienrechtler sein Erstaunen über das Schweigen des Shareholder-Aktivisten auf den Punkt. «Warum meldet sich Ebner nicht?»
«Aktien verändern Ihr Leben», hatte der Hühne mit dem gefriergetrockneten Lächeln Schweizer Büezern und Hausfrauen geschworen und war eigens von Sursee über Winterthur bis ins Muotathal gereist, um von den Segnungen der Dividendenpapiere und ihrem langfristigen Renditebonus zu künden. «Schlechte Zeiten sind gute Zeiten», dozierte Ebner noch vor einem guten halben Jahr und verleitete ahnungslose Kleinanleger zum denkbar dümmsten Zeitpunkt, ihr Erspartes in vermeintlich stabile Bluechips wie Credit Suisse oder ABB zu stecken. Mit Kaufempfehlungen zur Unzeit hat der Vorreiter helvetischer Aktionärskultur im Publikum erheblichen Schaden angerichtet und dabei selbst horrende Summen verlocht. So empfahl man etwa die CS-Namenaktie vor einem Dreivierteljahr noch dringlich zum Kauf. Es sei «nicht unrealistisch», machte Ebner den Aktiensparern damals den Mund wässrig, «dass bereits im Jahr 2002 ein Kursniveau von 125 Franken erreicht wird.» Bei einer Marktbewertung von aktuell gerade einmal der Hälfte erweist sich Ebners Schönwetterprognose im Rückblick als fatale Augenwischerei.
Wenn sich vielen Anlegern nach dem Blutbad vom 11. September und dem dadurch beschleunigten Kurszerfall etwas ins Bewusstsein gebrannt hat, dann dies: Die Aktienmärkte folgen weder einem rationalen Muster, noch lässt sich ihre langfristige Entwicklung zuverlässig vorhersagen. Garantiert ist im globalen Kasino nichts – schon gar nicht, dass sich historisch gemessene Durchschnittserträge über einen bestimmten Zeithorizont hinweg mit Sicherheit wiederholen werden.
Nachdem sich die Verheissungen des schnellen Geldes verflüchtigt und einer nüchterneren Einschätzung Platz gemacht haben, ist auch der von Ebner mit Penetranz vertretene Erziehungsansatz obsolet geworden. Nach bitteren Verlusten fliehen die Kleinanleger das Risiko und wollen von den Belehrungen des Aktienpuristen nichts mehr wissen. Shareholder-Value bezeichnet einen Ansatz, mit dem sich nicht der Mann von der Strasse, sondern in erster Linie Leute wie Martin Ebner, Verwalter institutioneller Vermögen und die Topmanager börsenkotierter Konzerne sanieren. So viel ist mittlerweile wohl den meisten klar.
Dass die Renditeschwüre des Bankers ihre Überzeugungskraft eingebüsst haben, lässt sich nicht nur der misslichen Börsenverfassung anlasten. Ebners fehlendes Augenmass in sozialen Belangen und die zu beklagende Häufung krasser Fehleinschätzungen haben das Ihre dazu beigetragen, dass der Midas-Touch von ihm gewichen ist. Nachdem die Gesamtperformance seiner Finanzgruppe schon im Vorjahr zu wünschen übrig gelassen hatte, haben Ebner und seine zwei Dutzend BZ-Mitarbeiter seit Beginn dieses Jahres erneut Buchgeld in einer Grössenordnung von weit über fünf Milliarden Franken verbrannt.
Wie die Lemminge waren die Anleger früher den Fussspuren des Bankers gefolgt und hatten sich, sobald eines seiner Investitionsziele ruchbar wurde, an der Börse auf dieselben Titel gestürzt. Nach diversen Missgriffen – allein der Sturzflug von ABB scheint Warnung genug – ist die Marke Ebner heute kein Selbstläufer mehr. Einem Underperfomer rennt niemand blindlings hinterher, womit auch die magisch kurstreibende Wirkung von sich selbst erfüllenden Prophezeiungen dahinfällt.
Kein Zufall, dass es bisweilen so aussieht, als sei Ebner der Glaube an die eigene Sache abhanden gekommen. Im Gegensatz zu seinem grossen Vorbild, dem amerikanischen Investor Warren Buffet, einem Mann, der sich und seinen Prinzipien seit vierzig Jahren treu geblieben ist, erinnert sich der BZ-Stratege offenbar kaum mehr an das, wofür er einmal eingestanden ist. «Ebner glaubt an gar nichts», behauptet ein ehemals enger Mitstreiter. «Das Problem mit ihm war schon immer, dass er das eine vertrat und das andere tat.»
Begonnen hatte Ebner als Aktienbroker, zunächst in Diensten der Zürcher Bankiersfamilie Vontobel und ab 1985 als Betreiber seiner eigenen Börsenhandelsboutique. Beide Male bestand sein Job im Überzeugen von institutionellen Grosskunden. Ob der Kurs der en bloque verschobenen Qualitätstitel rauf- oder runterging, konnte dem Jungbanker damals egal sein, denn als Händler war Ebner primär am Verrechnen von Kommissionsgeldern und Courtagen interessiert. Schon nach wenigen Jahren machte ihn das reine Vermittlungsgeschäft dann allerdings nicht mehr satt.
In der Rolle eines Vermögensverwalters, dachte sich Ebner, kriegt man den Hals erst richtig voll. Ende der Achtzigerjahre nutzte er die Gunst der Stunde und trotzte der Investmentbank Merrill Lynch das Verwaltungsmandat bei der Pharma Vision 2000 ab. Hinter der Gesellschaft mit Briefkasten in Glarus verbarg sich ein schwer durchschaubares Beteiligungsvehikel, das – wie sich später herausstellte – auf Betreiben der Roche-Erben gegründet worden war, um ein von der kalifornischen Biotechfirma ICN gehaltenes Aktienpaket diskret zu repatriieren.
Unterstützt von Christoph Blocher, putschte sich Ebner bei der Pharma Vision an die Macht. Im Juli 1991 übernahmen die beiden überraschend die Stimmenmehrheit, während das Portfoliomanagement dem bereits im Vorjahr bereitgestellten BZ Trust unter Leitung des Ex-Nationalbänklers Kurt Schiltknecht übertragen wurde. Kurz darauf rief Martin Ebner mit der BK Vision ein zweites, analog konstruiertes Beteiligungsvehikel ins Leben. 1993 folgte die Gas Vision und im Frühjahr 1994 schliesslich die Stillhalter Vision. Für die Verwaltung dieser vier an der Börse kotierten, mit grossem Werbeaufwand ins Publikum getragenen und im Rückblick alles andere als berauschenden «Visionen» liess sich Ebner fürstlich entlöhnen. Mehr als zweieinhalb Milliarden Franken saugte er zusammen mit einer Hand voll Mitstreiter in einem knappen Jahrzehnt mit dem Honorarstaubsauger ab.
Als ihm dann auch dieses nicht mehr genügte und diverse Kunden von seiner Gebührenabzockerei die Nase voll hatten und absprangen, kam Ebner die bestechend simple Idee, dass das Verwalten von Beteiligungen schliesslich auch ohne Kunden zu bewerkstelligen sei. Ergo mutierte der Mann mit dem quer gestellten Schlips und der Seele eines Verkäufers vor der Millenniumswende noch zum Industriellen. Statt wie bis anhin auf Überraschungseffekte, verdeckte Raids und Konfrontation zu setzen, liess der BZ-Chef 1999 erstmals durchblicken, er werde sich in Zukunft vermehrt auf kooperative Methoden verlegen. Strategische Beteiligungen beabsichtige er künftig direkt und nicht mehr über die «Visionen» zu halten, verkündete das Enfant terrible der Schweizer Finanzszene. Und um das kleidsame Industriellenimage gut sichtbar zu untermauern, pochte der geläuterte Bankenschreck fortan darauf, seinen Kapitaleinsatz, wo immer es ging, mit einem Sitz im Aufsichtsgremium zu komplettieren.
In den Verwaltungsrat der Credit Suisse schaffte es Ebner gleichwohl nicht, obschon sich der mächtige Allfinanzkonzern bei der Auswahl lohnender Finanzanlagen bisweilen eng mit der BZ-Gruppe abzustimmen scheint. Ist anlagetaktisches Parallelverhalten – wie im Fall der Rentenanstalt oder beim Autozulieferer Rieter – am Ende gar der tiefere Grund für das beredte Schweigen des Grossaktionärs?
Auf Aussenstehende wirkt das Machtgeflecht im Umfeld der CS-Gruppe reichlich diffus. Symptomatisch für diesen Mangel an Klarsicht ist die gewundene Erklärung, mit der sich die CS im Frühjahr 2000 aus der Affäre zog. Im Grunde genommen hätte man Ebners unbestrittene Fachkompetenz gerne in der Gruppe vertreten gehabt, gab CS-Chef Lukas Mühlemann zu erkennen. Leider würden sich die Geschäftsfelder der BZ-Gruppe aber mit den eigenen überschneiden, was bei einer Mandatserteilung möglicherweise zu Interessenkonflikten führen könnte. Vor diesem Hintergrund erstaunt es nicht, dass Ebner, Befürworter von unternehmerischem Machtausgleich und Transparenz in Managementfragen, seine Haltung zum Swissair-Debakel partout nicht preisgeben will.
Als VR-Präsident von eigenen Gnaden schaffte er es bei Alusuisse-Lonza bis in die obersten Ränge, wirkungsvoll sekundiert von seinem Freund und VR-Vizepräsident Christoph Blocher. Nachdem man die Verfügungsgewalt über das traditionsreiche Unternehmen handstreichartig an sich gerissen hatte, gingen der «rauen Eminenz» («Manager Magazin») und seinem Kompagnon dann allerdings erschreckend schnell die Ideen aus. Bei Ebners angestrengtem Nachdenken über eine dem Shareholder-Prinzip verpflichtete Lösung sah es zwischenzeitlich danach aus, als käme es zu einer komplexen Dreierfusion mit den Konkurrenten Pechiney (Frankreich) und Alcan (Kanada). Nachdem sich das Vorhaben aber zerschlagen hatte, verscherbelten Ebner und Blocher ihre Algroup-Anteile Mitte letzten Jahres der Einfachheit halber an die Kanadier, was der BZ-Gruppe auf dem Papier immerhin satte 2,3 Milliarden Franken einbrachte und deren umstrittenen Chef zum grössten Aktionär und Aufsichtsratsmitglied des kanadischen Aluminiumriesen, der Nummer zwei weltweit, aufsteigen liess. «Ebner ist und bleibt ein Trader», sagt einer, der ihn aus Pionierzeiten kennt. «An originärer Wertschöpfung war er nie interessiert.»
Auch für das Feinchemieunternehmen Lonza, wo der Aktienhändler seit der Trennung vom Aluminiumteil das Präsidium besetzt, gebricht es ihm bisher an einer Vision. Herauslösen von weniger rentablen Unternehmensbereichen und diese meistbietend liquidieren, so lautet hier das banale Konzept. Mit dem Erlös aus der betrieblichen Schrumpfkur lässt Ebner eigene Titel zurückkaufen, was den Gewinn pro Aktie rein rechnerisch erhöht und sich auf die Börsennotierung des amputierten Life-Science-Zulieferers tendenziell stimulierend auswirkt. Wahrlich, ein finanztechnisches Bravourstück!
Ebners Einstieg bei den schwedischen Beteiligungsgesellschaften Investor und Industrivärden markiert einstweilen den Gipfel seiner industriellen Fantasielosigkeit. Der Financier mit dem nordischen Habitus, der bereits als Kantonsschüler Schwedisch gebüffelt haben soll, kehrt damit gewissermassen an den Ausgangspunkt seiner Karriere zurück. Unter Verweis auf die erklecklichen Bewertungsdiscounts, welche die beiden Beteiligungsgesellschaften verglichen mit ihrem inneren Wert (dem kumulierten Marktwert der gehaltenen Aktien) aufweisen, hat Ebner in den letzten anderthalb Jahren gegen zwei Milliarden Franken in ein wenig homogenes Sammelsurium von schwedischen Bluechip-Aktien investiert – vom Pharmariesen AstraZeneca über Traditionsfirmen wie Saab und Electrolux bis hin zum Telekomausrüster Ericsson. Warum delegiert Ebner die Trüffelsuche auf einmal an fremde Nasen und investiert seine Milliarden in von Dritten verwaltete Kapitalsammeltöpfe, anstatt – wie bisher – aussichtsreiche Einzelaktien zu favorisieren? Leistet er damit nicht der Ansicht Vorschub, dass er dem eigenen Riecher nicht mehr vertraut?
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Unermüdlich hatte Ebner gegen fehlendes Kostenbewusstsein gewettert, hatte das Verschleudern von Steuergeldern beklagt und war gegen Missmanagement und Interessenfilz zu Felde gezogen. Ausgerechnet jetzt, wo die Schweiz durch eine ihrer tiefsten Sinnkrisen geht, weil die Folgen von kleinstaatlicher Kompromisskultur und institutionalisierter Mediokrität schonungslos zu Tage treten, versagt dem unerbittlichen Mahner die Stimme. Dabei – und hier sind sich wohl alle einig – mangelt es in der Seifenoper rund um das Grounding der SAirGroup beileibe nicht an Ansatzpunkten für Ebners als beissend bekannte Kritik.
Der 56-jährige Banker indessen ist stumm geblieben – in Kontrast zu seinem langjährigen Geschäftspartner, SVP-Nationalrat Christoph Blocher, der das nationale Trauerspiel instinktiv nutzte, um daraus politisch Kapital zu schlagen. Während der Jugendfreund ätzte, dass es ihn nachgerade freuen würde, falls sich die vom Bund orchestrierte Rettungsaktion als Schuss in den Ofen erweisen sollte, hielt sich Ebner mit abfälligen Bemerkungen artig zurück. Ist der Aktionärspopulist in Sachen Corporate Governance am Ende befangen?
Auf seinem Marsch durch den helvetischen Wirtschaftsfilz ist der Sohn eines deutschstämmigen Lithografen von seinem eigenen Feindbild eingeholt worden. Da haben sich diverse prominente Mandatsträger, namentlich hoch dotierte Exponenten aus der Teppichetage der Credit Suisse Group, durch ihre Mitverantwortung an einer zu Boden gewirtschafteten Fluggesellschaft auf augenfällige Weise delegitimiert – um nicht zu sagen: untragbar gemacht –, und der dominanteste Aktionär besagter Grossbankengruppe, der seit Jahren für eine wirkungsvolle Aufsicht der Manager durch die Kapitalgeber kämpft, schaut zu, ohne dass auch nur eine Silbe der Kritik über seine Lippen kommt. «Jetzt wären die Aktionäre gefordert», bringt ein Zürcher Aktienrechtler sein Erstaunen über das Schweigen des Shareholder-Aktivisten auf den Punkt. «Warum meldet sich Ebner nicht?»
«Aktien verändern Ihr Leben», hatte der Hühne mit dem gefriergetrockneten Lächeln Schweizer Büezern und Hausfrauen geschworen und war eigens von Sursee über Winterthur bis ins Muotathal gereist, um von den Segnungen der Dividendenpapiere und ihrem langfristigen Renditebonus zu künden. «Schlechte Zeiten sind gute Zeiten», dozierte Ebner noch vor einem guten halben Jahr und verleitete ahnungslose Kleinanleger zum denkbar dümmsten Zeitpunkt, ihr Erspartes in vermeintlich stabile Bluechips wie Credit Suisse oder ABB zu stecken. Mit Kaufempfehlungen zur Unzeit hat der Vorreiter helvetischer Aktionärskultur im Publikum erheblichen Schaden angerichtet und dabei selbst horrende Summen verlocht. So empfahl man etwa die CS-Namenaktie vor einem Dreivierteljahr noch dringlich zum Kauf. Es sei «nicht unrealistisch», machte Ebner den Aktiensparern damals den Mund wässrig, «dass bereits im Jahr 2002 ein Kursniveau von 125 Franken erreicht wird.» Bei einer Marktbewertung von aktuell gerade einmal der Hälfte erweist sich Ebners Schönwetterprognose im Rückblick als fatale Augenwischerei.
Wenn sich vielen Anlegern nach dem Blutbad vom 11. September und dem dadurch beschleunigten Kurszerfall etwas ins Bewusstsein gebrannt hat, dann dies: Die Aktienmärkte folgen weder einem rationalen Muster, noch lässt sich ihre langfristige Entwicklung zuverlässig vorhersagen. Garantiert ist im globalen Kasino nichts – schon gar nicht, dass sich historisch gemessene Durchschnittserträge über einen bestimmten Zeithorizont hinweg mit Sicherheit wiederholen werden.
Nachdem sich die Verheissungen des schnellen Geldes verflüchtigt und einer nüchterneren Einschätzung Platz gemacht haben, ist auch der von Ebner mit Penetranz vertretene Erziehungsansatz obsolet geworden. Nach bitteren Verlusten fliehen die Kleinanleger das Risiko und wollen von den Belehrungen des Aktienpuristen nichts mehr wissen. Shareholder-Value bezeichnet einen Ansatz, mit dem sich nicht der Mann von der Strasse, sondern in erster Linie Leute wie Martin Ebner, Verwalter institutioneller Vermögen und die Topmanager börsenkotierter Konzerne sanieren. So viel ist mittlerweile wohl den meisten klar.
Dass die Renditeschwüre des Bankers ihre Überzeugungskraft eingebüsst haben, lässt sich nicht nur der misslichen Börsenverfassung anlasten. Ebners fehlendes Augenmass in sozialen Belangen und die zu beklagende Häufung krasser Fehleinschätzungen haben das Ihre dazu beigetragen, dass der Midas-Touch von ihm gewichen ist. Nachdem die Gesamtperformance seiner Finanzgruppe schon im Vorjahr zu wünschen übrig gelassen hatte, haben Ebner und seine zwei Dutzend BZ-Mitarbeiter seit Beginn dieses Jahres erneut Buchgeld in einer Grössenordnung von weit über fünf Milliarden Franken verbrannt.
Wie die Lemminge waren die Anleger früher den Fussspuren des Bankers gefolgt und hatten sich, sobald eines seiner Investitionsziele ruchbar wurde, an der Börse auf dieselben Titel gestürzt. Nach diversen Missgriffen – allein der Sturzflug von ABB scheint Warnung genug – ist die Marke Ebner heute kein Selbstläufer mehr. Einem Underperfomer rennt niemand blindlings hinterher, womit auch die magisch kurstreibende Wirkung von sich selbst erfüllenden Prophezeiungen dahinfällt.
Kein Zufall, dass es bisweilen so aussieht, als sei Ebner der Glaube an die eigene Sache abhanden gekommen. Im Gegensatz zu seinem grossen Vorbild, dem amerikanischen Investor Warren Buffet, einem Mann, der sich und seinen Prinzipien seit vierzig Jahren treu geblieben ist, erinnert sich der BZ-Stratege offenbar kaum mehr an das, wofür er einmal eingestanden ist. «Ebner glaubt an gar nichts», behauptet ein ehemals enger Mitstreiter. «Das Problem mit ihm war schon immer, dass er das eine vertrat und das andere tat.»
Begonnen hatte Ebner als Aktienbroker, zunächst in Diensten der Zürcher Bankiersfamilie Vontobel und ab 1985 als Betreiber seiner eigenen Börsenhandelsboutique. Beide Male bestand sein Job im Überzeugen von institutionellen Grosskunden. Ob der Kurs der en bloque verschobenen Qualitätstitel rauf- oder runterging, konnte dem Jungbanker damals egal sein, denn als Händler war Ebner primär am Verrechnen von Kommissionsgeldern und Courtagen interessiert. Schon nach wenigen Jahren machte ihn das reine Vermittlungsgeschäft dann allerdings nicht mehr satt.
In der Rolle eines Vermögensverwalters, dachte sich Ebner, kriegt man den Hals erst richtig voll. Ende der Achtzigerjahre nutzte er die Gunst der Stunde und trotzte der Investmentbank Merrill Lynch das Verwaltungsmandat bei der Pharma Vision 2000 ab. Hinter der Gesellschaft mit Briefkasten in Glarus verbarg sich ein schwer durchschaubares Beteiligungsvehikel, das – wie sich später herausstellte – auf Betreiben der Roche-Erben gegründet worden war, um ein von der kalifornischen Biotechfirma ICN gehaltenes Aktienpaket diskret zu repatriieren.
Unterstützt von Christoph Blocher, putschte sich Ebner bei der Pharma Vision an die Macht. Im Juli 1991 übernahmen die beiden überraschend die Stimmenmehrheit, während das Portfoliomanagement dem bereits im Vorjahr bereitgestellten BZ Trust unter Leitung des Ex-Nationalbänklers Kurt Schiltknecht übertragen wurde. Kurz darauf rief Martin Ebner mit der BK Vision ein zweites, analog konstruiertes Beteiligungsvehikel ins Leben. 1993 folgte die Gas Vision und im Frühjahr 1994 schliesslich die Stillhalter Vision. Für die Verwaltung dieser vier an der Börse kotierten, mit grossem Werbeaufwand ins Publikum getragenen und im Rückblick alles andere als berauschenden «Visionen» liess sich Ebner fürstlich entlöhnen. Mehr als zweieinhalb Milliarden Franken saugte er zusammen mit einer Hand voll Mitstreiter in einem knappen Jahrzehnt mit dem Honorarstaubsauger ab.
Als ihm dann auch dieses nicht mehr genügte und diverse Kunden von seiner Gebührenabzockerei die Nase voll hatten und absprangen, kam Ebner die bestechend simple Idee, dass das Verwalten von Beteiligungen schliesslich auch ohne Kunden zu bewerkstelligen sei. Ergo mutierte der Mann mit dem quer gestellten Schlips und der Seele eines Verkäufers vor der Millenniumswende noch zum Industriellen. Statt wie bis anhin auf Überraschungseffekte, verdeckte Raids und Konfrontation zu setzen, liess der BZ-Chef 1999 erstmals durchblicken, er werde sich in Zukunft vermehrt auf kooperative Methoden verlegen. Strategische Beteiligungen beabsichtige er künftig direkt und nicht mehr über die «Visionen» zu halten, verkündete das Enfant terrible der Schweizer Finanzszene. Und um das kleidsame Industriellenimage gut sichtbar zu untermauern, pochte der geläuterte Bankenschreck fortan darauf, seinen Kapitaleinsatz, wo immer es ging, mit einem Sitz im Aufsichtsgremium zu komplettieren.
In den Verwaltungsrat der Credit Suisse schaffte es Ebner gleichwohl nicht, obschon sich der mächtige Allfinanzkonzern bei der Auswahl lohnender Finanzanlagen bisweilen eng mit der BZ-Gruppe abzustimmen scheint. Ist anlagetaktisches Parallelverhalten – wie im Fall der Rentenanstalt oder beim Autozulieferer Rieter – am Ende gar der tiefere Grund für das beredte Schweigen des Grossaktionärs?
Auf Aussenstehende wirkt das Machtgeflecht im Umfeld der CS-Gruppe reichlich diffus. Symptomatisch für diesen Mangel an Klarsicht ist die gewundene Erklärung, mit der sich die CS im Frühjahr 2000 aus der Affäre zog. Im Grunde genommen hätte man Ebners unbestrittene Fachkompetenz gerne in der Gruppe vertreten gehabt, gab CS-Chef Lukas Mühlemann zu erkennen. Leider würden sich die Geschäftsfelder der BZ-Gruppe aber mit den eigenen überschneiden, was bei einer Mandatserteilung möglicherweise zu Interessenkonflikten führen könnte. Vor diesem Hintergrund erstaunt es nicht, dass Ebner, Befürworter von unternehmerischem Machtausgleich und Transparenz in Managementfragen, seine Haltung zum Swissair-Debakel partout nicht preisgeben will.
Als VR-Präsident von eigenen Gnaden schaffte er es bei Alusuisse-Lonza bis in die obersten Ränge, wirkungsvoll sekundiert von seinem Freund und VR-Vizepräsident Christoph Blocher. Nachdem man die Verfügungsgewalt über das traditionsreiche Unternehmen handstreichartig an sich gerissen hatte, gingen der «rauen Eminenz» («Manager Magazin») und seinem Kompagnon dann allerdings erschreckend schnell die Ideen aus. Bei Ebners angestrengtem Nachdenken über eine dem Shareholder-Prinzip verpflichtete Lösung sah es zwischenzeitlich danach aus, als käme es zu einer komplexen Dreierfusion mit den Konkurrenten Pechiney (Frankreich) und Alcan (Kanada). Nachdem sich das Vorhaben aber zerschlagen hatte, verscherbelten Ebner und Blocher ihre Algroup-Anteile Mitte letzten Jahres der Einfachheit halber an die Kanadier, was der BZ-Gruppe auf dem Papier immerhin satte 2,3 Milliarden Franken einbrachte und deren umstrittenen Chef zum grössten Aktionär und Aufsichtsratsmitglied des kanadischen Aluminiumriesen, der Nummer zwei weltweit, aufsteigen liess. «Ebner ist und bleibt ein Trader», sagt einer, der ihn aus Pionierzeiten kennt. «An originärer Wertschöpfung war er nie interessiert.»
Auch für das Feinchemieunternehmen Lonza, wo der Aktienhändler seit der Trennung vom Aluminiumteil das Präsidium besetzt, gebricht es ihm bisher an einer Vision. Herauslösen von weniger rentablen Unternehmensbereichen und diese meistbietend liquidieren, so lautet hier das banale Konzept. Mit dem Erlös aus der betrieblichen Schrumpfkur lässt Ebner eigene Titel zurückkaufen, was den Gewinn pro Aktie rein rechnerisch erhöht und sich auf die Börsennotierung des amputierten Life-Science-Zulieferers tendenziell stimulierend auswirkt. Wahrlich, ein finanztechnisches Bravourstück!
Ebners Einstieg bei den schwedischen Beteiligungsgesellschaften Investor und Industrivärden markiert einstweilen den Gipfel seiner industriellen Fantasielosigkeit. Der Financier mit dem nordischen Habitus, der bereits als Kantonsschüler Schwedisch gebüffelt haben soll, kehrt damit gewissermassen an den Ausgangspunkt seiner Karriere zurück. Unter Verweis auf die erklecklichen Bewertungsdiscounts, welche die beiden Beteiligungsgesellschaften verglichen mit ihrem inneren Wert (dem kumulierten Marktwert der gehaltenen Aktien) aufweisen, hat Ebner in den letzten anderthalb Jahren gegen zwei Milliarden Franken in ein wenig homogenes Sammelsurium von schwedischen Bluechip-Aktien investiert – vom Pharmariesen AstraZeneca über Traditionsfirmen wie Saab und Electrolux bis hin zum Telekomausrüster Ericsson. Warum delegiert Ebner die Trüffelsuche auf einmal an fremde Nasen und investiert seine Milliarden in von Dritten verwaltete Kapitalsammeltöpfe, anstatt – wie bisher – aussichtsreiche Einzelaktien zu favorisieren? Leistet er damit nicht der Ansicht Vorschub, dass er dem eigenen Riecher nicht mehr vertraut?
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