Der erste Platz wäre ihr gewiss: Wird Magdalena Martullo-Blocher (45) als Neo-SVP-Politikerin im Oktober in den Nationalrat gewählt, wäre sie mit Abstand die grösste Unternehmerin in Bundesbern. Rund 9,2 Milliarden Franken ist ihre Ems-Chemie an der Börse wert, 2900 Mitarbeiter stehen auf der Lohnliste, davon 1000 in Domat/Ems.
Ihre Wahl in Graubünden ist aber alles andere als sicher. Die «Südostschweiz» bezeichnete sie als «Kandidatin ohne Verankerung», als eine Zürcherin mit Ferienwohnung in Lenzerheide. Ihr Vater Christoph Blocher galt als Patron, der sich auch gesellschaftlich in Graubünden engagierte, zum Beispiel mit der Rettung des «Bündner Tagblatts». Seine Tochter ist zwar die grösste private Arbeitgeberin des Kantons, wird jedoch vor allem als harte Managerin beschrieben – ein Bild, das auch auf den Fernsehfilm von Roland Huber zurückgeht, in dem sie vor der Kamera ihre Kaderleute abkanzelt.
Auch wenn der Beitrag zugespitzt wurde, wie Martullo-Blocher jetzt behauptet: Austeilen kann sie. Das zeigte sie auch bei der Lancierung ihrer Nationalratskandidatur: Sie warf der Bundespolitik «oberflächliche Sachkenntnis» und «leichtsinnige, emotionale Schnellschüsse» vor. Ihr Vorbild in Sachen Wirtschaftspolitik ist die chinesische Regierung, die «kompetenteste Exekutive der Welt», wie sie sagt.
Die Verbündeten
2004 erbt Magdalena Martullo-Blocher von ihrem Vater Christoph Blocher nicht nur den Chefposten bei der Ems-Chemie, sie übernimmt auch sein Mandat im Vorstand des Chemie- und Pharmaverbands Scienceindustries. Dort präsidiert sie den Ausschuss Wirtschaftspolitik, wo sie regelmässig mit dem Verbandspräsidenten Gottlieb Keller, dem General Counsel bei Roche, zusammenkommt, ebenso wie mit dem stellvertretenden Sika-Chef Silvio Ponti, Emanuele Centonze, dem Präsidenten der Tessiner ECSA-Gruppe, sowie Christoph Mäder, Konzernleitungsmitglied bei Syngenta und Economiesuisse-Vize.
Eingeladen wird Martullo-Blocher – mit rund 70 weiteren Persönlichkeiten aus Wirtschaft und Politik – auch zur geheimnisumwitterten Rive-Reine-Tagung, die jeweils im Januar in Vevey stattfindet. Formeller Gastgeber ist der Nestlé-Chef Paul Bulcke. Faktisch lädt aber Jean-Pierre Roth ein, Nestlé-Verwaltungsrat und ehemaliger Nationalbank-Präsident.
An dieser Tagung trifft Martullo-Blocher jeweils auch SVP-Chef Toni Brunner, der als Präsident einer Bundesratspartei eingeladen wird. Er hat sie schon vor vier Jahren überreden wollen, in die Partei und die Politik einzusteigen. Doch damals noch ohne Erfolg.
Leer ging auch der Zürcher SVP-Präsident Alfred Heer aus, der sie für seine Zürcher Liste gewinnen wollte. Einen Mitstreiter hat Martullo-Blocher im früheren Sulzer-Chef Ulf Berg, der seit 2007 ihre Ems-Chemie präsidiert.
Die Gegner
Graubünden ist die Heimat der SVP-Lieblingsgegnerin Eveline Widmer-Schlumpf und eine BDP-Hochburg. Für die Affiche «Blocher vs. Widmer-Schlumpf» ist also im Wahljahr 2015 gesorgt. BDP-Spitzenkandidat Duri Campell wird es nicht einfach haben. Seiner Partei fehlen Aushängeschilder wie der langjährige Nationalrat Hansjörg Hassler. Hart wird der Wahlkampf für den grünliberalen Nationalrat und Bauunternehmer Josias Gasser, dessen Stuhl am stärksten wackelt. Auch für den FDP-Mann Hans Peter Michel ist das Rennen schwieriger geworden.
Der Bündner SP-Präsident Jon Pult hingegen zeigt sich wenig beeindruckt von Martullo-Blochers Kandidatur: «Sie hat den Ruf einer kalten Managerin und ist in Graubünden keine grosse Sympathieträgerin.»
Keine Freunde von Martullo-Blocher sind die Promotoren der Energiewende wie der Nationalrat und Swissolar-Präsident Roger Nordmann. Schwer tut sich die Ems-Chemie-Chefin auch mit den Medien: Vor ein paar Jahren verteilte sie an der Ems-Pressekonferenz Zettel mit der Aufforderung, die Quotes müssten zum Gegenlesen vorgelegt werden.
Im Visier hatte sie vor allem die Bündner Medien von Verleger Hanspeter Lebrument. Doch die von Chefredaktor David Sieber geleitete «Südostschweiz» weigerte sich, auf ihre Spielregel einzugehen. 2014 wiederum schloss sie den BILANZ-Journalisten Stefan Lüscher von der Ems-Pressekonferenz aus, weil er fünf Jahre zuvor einen kritischen Artikel geschrieben hatte.
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