Tradition oder Wandel? Spass oder Vernunft? Wann ist jemand erfolgreich? Karrieren kennen viele Massstäbe. Eines der Zeichen, dass man es geschafft hat, ist der Geschäftswagen. Das Symbol für Arriviertheit ist die E-Klasse von Mercedes. Doch was, wenn das Firmenwagenreglement dem voll ausgestatteten E500 4matic im Wege steht?

Wir machen die Erfahrung, dass gerade in grösseren Unternehmen häufiger leistungsschwächere Motoren mit dafür besserer Sonderausstattung verlangt werden. Mit Blick auf diesen Trend wollte ich deshalb den «kleinen Vier-Zylinder-Diesel» E220 CDI Kombi fahren.

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Gut, ich gebe zu, als ich im Fürstentum Liechtenstein bei einer Privatbank vorfuhr, wurde mir klar, dass im Ländle wohl nur der E55 AMG oder allenfalls der E500 mit BBS-Felgen in Frage kommt. Die unzähligen Treuhänder scheinen wohl nach wie vor die Dicke des Auspuffrohrs als Massstab der sozialen Stellung zu kennen. Ich liess mich allerdings nicht beirren. Der E-Klasse-Kombi besticht auch so durch eine schöne Form, stimmige Proportionen und klassische Eleganz.

Dem Alltag entrückt, surrt man mit dem E220 CDI durch den Grossstadtverkehr, um dann auf der Autobahn vollends zu entspannen. Der Fahrkomfort ist ausserordentlich. Seine vergleichsweise geringe Leistung von 150 PS verspricht in einem gut 1,8 Tonnen schweren Vollblutkombi eher bescheidenes Temperament. Da ruhte alle Hoffnung auf dem gewaltigen Drehmoment des Dieselmotors. Klar, den Liebhabern von Gummirauch in den Kotflügeln sei gesagt, dieser Wagen wäre eine falsche Wahl. Hat man jedoch einmal die «Flughöhe» erreicht, fliegt der Mercedes-Benz E220 CDI schwerelos über den Asphalt. Es fährt sich wie auf einem Wölkchen, ruhig, stabil, das Fahrzeug liegt gut in der Hand und vermittelt auf Anhieb Sicherheit. Bezüglich Laufkultur sowie Geräuschentwicklung glänzt der Mercedes-Stern zu Recht. Die weich schaltende Automatik sollte unbedingt auch in dieser Motorenversion bestellt werden. Auch das komplett narrensichere Fahrverhalten unter allen Bedingungen überzeugt. Der Kombi aus Stuttgart darf getrost als Alleskönner bezeichnet werden: Im Gartencenter nimmt er Terracotta-Töpfe auf, lässt sich von der Anwaltsfrau aber ebenso gerne vor die Prada-Boutique lenken. Einzig im Kurvenfahren steht die Behäbigkeit dem Fahrspass vielleicht etwas im Wege.

In der E-Klasse geniesst man einen sehr guten Überblick. Das Fahrzeug hinterlässt einen hervorragenden Qualitätseindruck. Langlebigkeit ist angesagt. Der Kofferraum ist grosszügig. In Platznöte kommt hier niemand, ob man nun Getränkekisten für die Firmenparty oder ein Architekturmodell sicher zu einer Präsentation bringen will. Und für mich als vierfacher Vater immer ein Thema: Im Mercedes-Kombi lässt sich auf Wunsch eine versenkbare dritte Sitzreihe mit eigenen Kopfstützen einbauen.

Die Sitze sind spitze. Ich wurde zur Liechtensteiner Bank von einem Geschäftsführer einer Finanzboutique begleitet, der immerhin 1,96 Meter misst und dementsprechend in den meisten Autos Sitzprobleme hat. Nicht so im E220 CDI. Nach ungefähr zehn Sekunden hat er die für ihn bequeme Sitzposition gefunden. Der Mercedes bietet auch im Fond genügend Platz und Beinfreiheit und ermöglich eine bequeme Sitzhaltung.

Der Innenbereich der Avantgardeversion ist sachlich. Der Mercedes hat weder die englisch-stilvolle Einrichtung eines Jaguar noch die Verspieltheit eines Lancia, sondern baut eher auf preussische Disziplin. Funktionalität dominiert das Cockpit. Aus meiner Sicht ist die Anordnung der Armaturen und Schalter vorbildlich: solide, logisch angeordnet und durchdacht, sehr gut verarbeitet. Sehr gut gelöst ist auch der in der Mittelkonsole vorgesehene Einbau des Telefons. Für Vielfahrer das Mass in diesem Bereich.

Mercedes-Benz-Automobile, insbesondere Dieselversionen, sind langlebige Objekte und bringen beim Eintausch selbst nach vielen Jahren immer noch hohe Werte. Kilometerleistungen von einer halben Million ohne grössere Reparaturen sind keine Seltenheit. Man kennt die Geschichte vom griechischen Taxifahrer, dessen Wagen weit mehr als eine Million Kilometer unversehrt abgespult hat.

Diese hohe Werthaltigkeit schlägt bei der Wirtschaftlichkeit in einer Kostenrechnung (siehe Nebenartikel «Vergleich: Der Mercedes-Benz E220 CDI, T-Modell und die Konkurrenten») voll durch. Der E220 CDI ist leistungsmässig nur wenig schwächer als die hubraumstärkeren Diesel-Modelle der Konkurrenz. Dank dem geringsten Wertverlust schneidet der Mercedes trotz hohem Anschaffungspreis immer noch gut ab. Denn ein Schnäppchen ist das ästhetische Vergnügen auch als Einsteiger-Diesel nicht. Der Grundpreis von 56 413 Franken lässt sich dank wenigen unerlässlichen Extras (nicht nur fürs Villenviertel) relativ problemlos an die 75 000-Franken-Grenze bewegen.

Fazit: Die Stunde des Mercedes E220 CDI schlägt, wenn Komfort gefragt ist. Mit seiner ausgewogenen Federung und den niedrigen Fahrgeräuschen ist auch die Einsteigerversion ein echt gutes Reisefahrzeug. Obendrein ist seine Form als Kombi elegant, aber zurückhaltend, und der Nutzfaktor wird durch viele Verstaumöglichkeiten erhöht. Vor allem Autobahnfahrer sollten sich wirklich die Frage stellen, ob sie mehr PS benötigen.

Mercedes-Benz E-Klasse, T-Modell, 220 CDI Avantgarde

Antrieb: Hinterräder
Motor: 2148 cm3, Diesel mit Turbo
Leistung: 150 PS / 110 kW
Drehmoment: 340 Nm bei 2000 U/min (1)
Energieeffizienz: A (Automatikgetr. B) (2)
Tankinhalt (gegen Aufpreis): 70 Liter
(80 Liter Tankvolumen)

(1) Der Drehmomentverlauf in Abhängigkeit von der Drehzahl ist massgebend für die Motor-Elastizität (Durchzugskraft) sowie für das Beschleunigungs- und das Steigvermögen eines Autos.

(2) Neu ist seit 2003 die Angabe der Energieeffizienz für Personenwagen, eingeteilt in Kategorien von A bis G, wobei A für energieeffizient und G für energieineffizient steht. Die Kategorie wird ermittelt, indem der Treibstoff-Normverbrauch und das Leergewicht in ein Verhältnis zueinander gesetzt werden.

Quelle: Auto-Interleasing AG