Ernesto Bertarelli mag einer der reichsten Menschen der Schweiz sein. Doch 135 Millionen Dollar auf ein Segelrennen zu setzen, um dann möglicherweise alles an einem Tag zu verlieren, ist wohl auch für ihn ein hohes Risiko.
Der America’s Cup ist ein brutaler Wettbewerb. Denn dabei geht es um alles oder nicht. Alle drei bis vier Jahre versuchen Teams, die schnellste Segeljacht der Welt zu bauen. Nach nur wenigen Wochen mit diversen Segelrennen ist der Spuk jeweils wieder vorbei – bis zum nächsten Mal.
Beim Rennen jagen Segelboote der ältesten internationalen Sporttrophäe der Welt nach. Dies erfolgte aber bisher nicht vor den grossen Zuschauermassen. Denn nur wenige wüssten, dass es das Segelrennen überhaupt gebe, sagte Bertarelli kürzlich in einem Interview. Geschweige denn, dass es sich um ein Rennen handle, bei dem einige der reichsten Menschen der Welt Hunderte Millionen Dollar investieren – und dabei die Segelboote in etwas verwandeln wollten, das Formel-1-Rennwagen ähnle.
Vermögen von 28 Milliarden Dollar
Bertarelli und seine Familie haben laut «Billionaire» ein geschätztes Vermögen von 28,2 Milliarden Dollar. Die letzten drei Jahre hat Bertarelli damit verbracht, sein Alinghi-Red-Bull-Racing-Team nach mehr als einem Jahrzehnt Pause wieder aufzubauen.
In Barcelona tritt er derzeit gegen fünf andere Teams an, darunter die der Milliardäre Jim Ratcliffe, der das britische Team finanziert, Patrizio Bertelli, Prada-Chef, und Doug DeVos, Spross der Familie hinter dem US-Direktvertriebskonzern Amway.
Als Segelfanatiker und erster Europäer, der die Trophäe in ihrer 173-jährigen Geschichte gewann, hofft Bertarelli, dass die Leute eine Segelversion von «Drive to Survive» sehen würden – der erfolgreichen Netflix-Serie, die das Publikum für die Formel 1 begeistert. Doch stattdessen, sagt Bertarelli, wisse «gar niemand, dass der Cup stattfindet».
Die Boote des America's Cup erreichen Geschwindigkeiten von fast fünfzig Knoten oder fast hundert Stundenkilometern. Sie stellen den Höhepunkt der Segeltechnologie dar und ziehen weiterhin Milliardäre an. Larry Ellison von Oracle war an fünf Rennen beteiligt und soll dafür laut Nachrichtenagentur AP rund 750 Millionen Dollar ausgegeben haben.
Geringe Zuschauerzahlen
Trotz des rasanten Wachstums bleibt die Zuschauerzahl gering. Das Publikum im Free-TV und online für den durch das Covid beeinträchtigten 36. America’s Cup 2021 erreichte laut Veranstalter 68,2 Millionen, eine Verdreifachung gegenüber der Vorversion. Zum Vergleich: Die Formel 1 soll 2023 laut Schätzungen 1,46 Milliarden Menschen angezogen haben, was einer Zuschauerzahl von 67 Millionen Menschen pro Rennen entspricht.
Bertarellis Vermögen stammt aus dem Verkauf seines familienkontrollierten Biotechnologiekonzerns Serono im Jahr 2006. Der 58-Jährige besitzt auch eine Beteiligung am britischen Supersportwagenhersteller Aston Martin. Sein Nettovermögen ist unterdessen auf einen Höchststand gestiegen.
Dennoch konzentriert er sich weiterhin auf den Segelsport. Er möchte, dass der America’s Cup mit den grössten Sportveranstaltungen konkurriert und die gleiche Aufmerksamkeit erhält wie Wimbledon und die Olympischen Spiele.
«Wir haben mehr Vermächtnis als jeder andere Sport hier, die Geschichte dieses Events, die Rivalität, die Erzählungen, das Filmmaterial. Es gibt genug Material, um diesen Event zu promoten», sagt Bertarelli. «Das ist einer der Gründe, warum ich zurückgekommen bin: die Euphorie wegen der neuen Boote, wegen der Technologie, die in diesem Boot implementiert wird – und auch wegen des Potenzials dieses Sports.»
Partnerschaft mit Red Bull
Bertarelli ist nach mehr als einem Jahrzehnt Pause – in Partnerschaft mit Red Bull – wieder beim America’s Cup dabei. Nachdem sein Alinghi-Team 2003 und 2007 gewonnen hatte, zog es sich nach dem Rennen 2010 zurück, das nach einem erbitterten Streit mit Larry Ellison über die Regeln von Rechtsstreitigkeiten überschattet war.
Der Milliardär selbst ist noch nicht mit seiner neuen 23-Meter-Yacht gesegelt. Das überlässt er den acht Besatzungsmitgliedern an Bord. Alinghi ist aktuell aber nicht gut gestartet. Am Sonntagnachmittag lag das Schweizer Team nach einer Serie von Rennen bei leichtem Wind mit 0:4 im Round-Robin-Event zurück, während Bertellis Luna Rossa die Rangliste anführte.
Der Wettbewerb folgt im Wesentlichen immer noch demselben Format wie damals, als ein Team des New York Yacht Club mit einem Boot namens «America» 1851 ein britisches Boot in einem Rennen vor der Isle of Wight schlug. Der Gewinner darf den Austragungsort und die Bedingungen für den zukünftigen Wettbewerb festlegen und hat einen garantierten Platz im Finale, mit minimalem Einfluss der Mehrheit der Rivalen.
US-Teamchef DeVos sagt, die Gewinner hätten schon immer das Sagen gehabt. «Es ist wie der Herr der Ringe: Wenn man ihn einmal hat, will man ihn nie wieder hergeben. Es stellen sich also die folgenden Fragen: Was ist das Richtige für den Wettbewerb, und was ist das Richtige für diesen Sport?»
Netflix-Doku über die Formel 1 als Vorbild
Wenige andere Sportarten werden auf die gleiche Weise geführt. Bertarelli beklagt, dass etwa Titelverteidiger Neuseeland die Gelegenheit verpasst habe, mehr Vorregatten abzuhalten, um das Interesse am Rennen zu wecken. Er hätte ein Filmteam dabei haben wollen, um den Wettbewerb für eine Netflix-ähnliche Serie zu dokumentieren.
Anderer Meinung ist Grant Dalton, der langjährige Leiter des neuseeländischen Teams. «Viele Teams wollen nicht mehr Regatten, weil sie sich auf das Hauptrennen konzentrieren wollen», sagt er. «Wer auch immer den Pokal gewinnt, wird seine eigene Entscheidung treffen.»
Das Hauptrennen sei «die Spitze der Nahrungskette» und sollte immer auf etwa sechs «hochwertige» Teilnehmer begrenzt sein, so Dalton. «Es steht unglaublich viel auf dem Spiel. Wenn man hier eine schlechte Regatta hat, geht man nach Hause.»
Neuseeland verlegte die Veranstaltung nach Barcelona – und verzichtete damit auf den Heimvorteil im Südpazifik –, nachdem das Turnier 2021 in Auckland unter den strengen Covid-Beschränkungen der Regierung gelitten und Geld verloren hatte.
Dieses Mal hoffen sie auf bessere Zeiten. Barcelona rechnet während der gesamten Veranstaltung mit 2,5 Millionen zusätzlichen Besuchern und Besucherinnen. Laut Dalton haben bisher 400’000 Menschen die Rennen gesehen. Die Zahl der Videostreams im August habe 8 Millionen überschritten.
Keine Voraussicht
Das britische Team unter der Leitung von Milliardär Jim Ratcliffe nimmt zum zweiten Mal am America’s Cup teil. Für das erste Rennen 2021 kündigte er eine Investition von umgerechnet 144 Millionen Dollar an. Und auch für das US-Team unter der Leitung von Doug DeVos ist es der zweite Versuch am America’s Cup. Ist dieser zu Ende, gehen die Teams nach Hause – und über die Bücher. Alle für sich.
«Wir sprechen mit niemandem über den nächsten America’s Cup. Wir wissen nicht, wie die Zukunft aussehen soll», sagt DeVos und fragt: «Wie wollen wir eine Veranstaltung im grossen Stil vermarkten, wenn wir nicht langfristig denken?»
(Bloomberg/dob)
Dieser Text wurde mithilfe von künstlicher Intelligenz übersetzt und von einem Menschen überarbeitet.