Die Entschädigung für den Verwaltungsrat von Raiffeisen ist letztes Jahr um fast 44 Prozent gestiegen. Sie kritisieren diese Erhöhung.
Monika Roth*: Angesichts der Situation, die wir heute haben, wäre der Verwaltungsrat gut beraten gewesen, auf die Erhöhung zu verzichten.

Raiffeisen begründet ihn mit dem zusätzlichen Aufwand, der für den Verwaltungsrat wegen Raiffeisens neuem Status als systemrelevante Bank entstanden sei. Zudem habe der Verwaltungsrat zwei zusätzliche Mitglieder erhalten.
Ich halte diese Begründung für nicht stichhaltig. Die Zahl der Sitzungen ist auch gestiegen, weil der Verwaltungsrat seine Aufsichtsfunktionen gegenüber Herrn Vincenz nicht nachgekommen ist. Die Begründung zeugt von einer mangelnden Einsicht zur eigenen Rolle in dieser Situation. Im Übrigen hat die Systemrelevanz bei der Corporate Governance offenbar keine besondere Rolle gespielt.

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

Hat die Affäre um Ex-Chef Pierin Vincenz tatsächlich so viel Aufwand verursacht? Sie wurde ja erst Ende Jahr bekannt.
Die Ursachen dafür wurden früher gesetzt. Der Aufwand ist letztes Jahr sicher auch massiv gestiegen wegen des Aufsichtsverfahrens der Finanzmarktaufsicht gegenüber Herrn Vincenz und dem «Enforcement»-Verfahren der Behörde gegenüber der Bank.
 
Raiffeisen nennt die Vergütung branchenüblich.
Dieser Hinweis ist in der aktuellen Situation eine verfehlte Argumentation. Wenn alles super läuft, kann so argumentiert werden. Der neue Verwaltungsratspräsident hat in den Medien als Begründung auch die guten Resultate von Raiffeisen genannt. Die Zahlen sind zwar gut ausgefallen, aber die Corporate Governance ist «hundslausig». Die Governance von Raiffeisen steht jetzt zur Debatte, und für die Governance ist der Verwaltungsrat verantwortlich. Der hat kläglich versagt. Wenn die Aufsichtsfunktion offensichtlich ungenügend wahrgenommen worden ist, muss dies für die Höhe des Honorars genauso ausschlaggebend sein wie das Geschäftsergebnis.

Monika Roth

Monika Roth ist Wirtschaftsprofessorin an der Hochschule Luzern. Die Juristin ist auf Finanzmarktrecht, Wirtschaftsstrafrecht, Compliance Management und Corporate Governance spezialisiert. Zu diesen Themen äussert sie sich regelmässig als Kolumnistin in der «Handelszeitung». Neben ihrer wissenschaftlichen Tätigkeit ist Roth Co-Partnerin der auf Wirtschaftsmeditation spezialisierten Kanzlei roth schwarz roth.

Monika_Roth
Quelle: ZVG

Bestehen Chancen, dass der Verwaltungsrat auf seinen Entscheid zurückkommt, die Vergütung zu erhöhen?
Wahrscheinlich nicht. Dass Raiffeisen am alten Plan festgehalten hat, zeugt von Uneinsichtigkeit.
 
Der Verwaltungsrat hat die Vergütung für die Jahre ab 2018 angepasst, vermutlich dürften die Bezüge sinken. Ist dies das richtige Signal?
Ich finde diesen Entscheid richtig. Eigentlich steht aber aus meiner Sicht mehr zur Disposition. Es stellen sich Fragen zur Besetzung des Verwaltungsrats, zur Grösse des Verwaltungsrats und auch zur Vergütung. Es ist eine Gesamtanalyse nötig. Das Honorar ist nur eines der Themen, die behandelt werden sollten.
 
Sie fordern grundlegende Veränderungen im Verwaltungsrat?

Ja, weil der Verwaltungsrat in seiner derzeitigen Zusammensetzung der Situation in den letzten Jahren nicht gerecht geworden ist.
 
Sie sprechen die Interessenkonflikte von Herrn Vincenz an?

Es ist nicht nur eine Affäre Vincenz, obwohl Herr Vincenz jetzt in Untersuchungshaft sitzt. Es ist eine Affäre Geschäftsleitung und eine Affäre Verwaltungsrat. Die Affäre Vincenz ist das Aushängeschild, aber dahinter steckt mehr.
 
Beim Verwaltungsrat wurden ja bereits Veränderungen eingeleitet. Pascal Gantenbein hat interimistisch das Präsidium übernommen. Genügt diese Neuerung nicht?

Ich erwarte, dass jene, welche die Verantwortung für die unhaltbaren Zustände tragen, die Konsequenzen ziehen. Ich spreche von allen VR-Mitgliedern, welche die bisherigen Entscheide gebilligt haben.