Kaffeetrinker profitieren womöglich gesundheitlich von ihrer Leidenschaft. Zu diesem Schluss kommt ein internationales Forscherteam, nachdem es sich Sterbedaten von mehr als einer halben Million Menschen aus zehn europäischen Ländern angeschaut hat. Ihre Ergebnisse veröffentlichten die Wissenschaftler in den «Annals of Internal Medicine».

Demnach war beispielsweise die Wahrscheinlichkeit der untersuchten Männer mit sehr hohem Kaffeekonsum (mehr als 580 Milliliter am Tag), innerhalb des Beobachtungszeitraumes von etwa 16,4 Jahren zu sterben, 12 Prozent geringer als bei Nicht-Kaffeetrinkern. Bei Frauen waren es sieben Prozent. Um die gesundheitlichen Effekte von Kaffee isolierter betrachten zu können, rechneten die Forscher viele andere Einflüsse heraus, beispielsweise Ernährung und Rauchen.

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Noch keine Empfehlung

Hauptautor Marc Gunter dämpft trotzdem zu grosse Euphorie bei Kaffeetrinkern: «Aufgrund der Grenzen beobachtender Forschung sind wir nicht an einem Punkt, eine Empfehlung für mehr oder weniger Kaffeekonsum auszusprechen.» Dennoch legten die Ergebnisse nahe, dass moderater Kaffeegenuss von etwa drei Tassen am Tag nicht schädlich für die Gesundheit sei, sondern dass Kaffee sogar gesundheitliche Vorteile haben könnte.

Gunter Kuhnle von der britischen Universität Reading, der nicht an der Studie mitwirkte, bewertet die beobachteten Effekte als eher klein. Die Ergebnisse solcher Studien würden zudem gerne sensationalisiert, obwohl sie meist keine Aussagen zur Kausalität zuliessen - also in diesem Fall zu der Frage, ob Kaffee wirklich die Ursache des Effekts war.

Kaffee ist den Studienautoren zufolge eines der beliebtesten Getränke der Welt: Schätzungen zufolge werden jeden Tag 2,25 Milliarden Tassen rund um den Globus getrunken - und das, obwohl Kaffee lange Zeit als gesundheitsschädlich galt. Kaffee besteht - je nach Sorte und Zubereitung - aus mehr als 1000 verschiedenen Stoffen, darunter Koffein.

Mehrere Studien deuten in die gleiche Richtung

Erst im vergangenen Jahr gab die Internationale Krebsforschungsagentur (IARC) bekannt, dass sich ein erhöhtes Krebsrisiko durch Kaffee nicht belegen lasse. Die IARC ist eine Einrichtung der Weltgesundheitsorganisation (WHO).

Die neue Studie reiht sich nun in eine wachsende Zahl von Untersuchungen ein, die das negative Image von Kaffee widerlegen oder gar positive Effekte feststellen. Zu ähnlichen Ergebnissen kamen etwa Untersuchungen in den USA und Japan. Die aktuelle Studie, an der Forscher der IARC und des Imperial College in London beteiligt waren, ist nun die erste dieser Art aus Europa.

Geringeres Risiko bei allen Todesursachen

Die Forscher beobachteten, dass Menschen, die mehr Kaffee konsumieren, ein geringeres Risiko bei allen Todesursachen haben, insbesondere bei Kreislauferkrankungen und Krankheiten, die mit dem Verdauungstrakt zusammenhängen.

Als Grundlage für ihre Untersuchung diente den Forschern die grosse europäische Langzeitstudie EPIC («European Prospective Investigation into Cancer and Nutrition»). 16 Jahre nach der ersten Befragung der Studienteilnehmer waren fast 42'000 von ihnen gestorben.

Bessere Immunantwort

«Unsere Studie bietet (...) wichtige Einblicke in die möglichen Mechanismen, die für die positiven Auswirkungen von Kaffee verantwortlich sind», so Marc Gunter laut einer Mitteilung. «Wir fanden heraus, dass das Trinken von mehr Kaffee mit einem günstigeren Leberfunktionsprofil und einer besseren Immunantwort verbunden war.»

Laut dem nicht an der Studie beteiligten Experten Kuhnle wurde dies bereits in anderen Studien gezeigt, allerdings nicht in der gleichen Genauigkeit.

Für den Ernährungsepidemiologen schliesst die aktuelle Untersuchung eine Lücke. So sei der Zusammenhang zwischen Gesamtsterblichkeit und Kaffeekonsum zwar bereits in den USA untersucht worden, nicht aber in Europa. Das sei insbesondere deswegen interessant, da sich Stellenwert und Zubereitung von Kaffee diesseits und jenseits des Atlantiks erheblich unterscheiden würden.

Die Frage der Kausalität

«In den USA ist Kaffee ein «Standardgetränk» und wird insbesondere auch von Menschen niedrigerer Einkommensklassen konsumiert, während etwa in Grossbritannien Tee verbreiteter und Kaffee die Ausnahme ist.» Der Sozialstatus habe jedoch grosse Auswirkung auf die Gesundheit. Leider betrachte die neue Studie einzelne EU-Länder nicht separat.

Kuhnle interessiert vor allem die Frage, warum die Sterblichkeit bei höherem Kaffeekonsum geringer ist: «Ist das der Effekt von bioaktiven Verbindungen im Kaffee, die man dann etwa isolieren oder den Kaffee besser zubereiten könnte, oder gibt es einen anderen Grund?»

Es sei auch möglich, dass die gesundheitlichen Effekte gar nicht vom Kaffee stammen. Sondern dass das Getränk mit dem eigentlichen Grund für diese Effekte lediglich in einer Beziehung steht. So sei es beispielsweise denkbar, dass Menschen mit erhöhtem Krankheitsrisiko generell weniger Kaffee trinken. Die aktuelle Untersuchung deute aber zumindest darauf hin, dass Kaffeekonsum nicht ungesund sei. «Ob er aber wirklich gesund ist, ist eine andere Frage.»

(sda/gku)