Als neue Verwaltungsratschefin von Tesla hat sich Robyn Denholm ein schwieriges Amt aufgehalst: Erstens präsidiert sie vom Mai an eine Firma, die eine Alles-oder-Nichts-Strategie fährt, zuletzt aber mit einem Gewinn im dritten Quartal überraschte. Zweitens muss sie das notorisch die Grenzen auslotende Tesla-Mastermind Elon Musk in Zaum halten. Wird es ihr gelingen, den Verwaltungsrat so zu formen, dass er CEO Musk in den Griff bekommt?
Manche Experten zweifeln daran. Technisch erfülle die Ernennung von Robyn Denholm zwar die Forderung der US-Börsenaufsicht – Musk muss für drei Jahre als Verwaltungsratspräsident zurücktreten, weil er im August auf Twitter verkündete, Tesla von der Börse zu nehmen und so den Aktienkurs in die Höhe trieb. Aber: «Wenn das Ziel darin besteht, Aufpasser zu spielen, wird das nicht funktionieren», sagt Erik Gordon von der Ross School of Business an der Universität von Michigan zur «New York Times». Denholm sei bereits Verwaltungsrat-Mitglied gewesen als Musk mit seinem «Unfug» über die Stränge schlug. Sie habe nicht protestiert und sei ohnehin eine Anhängerin Musks.
Jeffrey Sonnenfeld von der Yale School of Management hätte lieber einen profunden Kenner der Autobranche im Präsidium gesehen. Es würde Tesla gut tun, «jemanden zu finden, der weiss, wie man den Produktionsprozess leitet, ohne in der Fabrik zu schlafen», sagt er. Eine Anspielung darauf, als Musk im April verkündete, er werde in der Tesla-Fabrik nächtigen, um die Produktion des Model 3 voranzutreiben.
Brachte ihr ein Tesla-Kauf den Job ein?
Musk jedenfalls freut sich, enger mit Denholm zu arbeiten, wie er via Mitteilung verkündete. Sie habe grosse Erfahrung in der Tech- und der Autoindustrie und habe in den letzten vier Jahren als Verwaltungsrätin von Tesla dazu beigetragen, ein profitables Unternehmen zu werden.
An Bord von Tesla geholt wurde Denholm 2014 – exakt zum Zeitpunkt, als sie ein Model S bestellte, wie sie in einem Interview mit dem Personaldienstleister Odgers Berndtson sagte. Nun habe sie als Auto-Enthusiastin bereits ihren dritten Tesla. «Ich liebe es, im Tesla-Board zu sitzen, da es viele der Dinge vereint, die mir am Herzen liegen, wie Energie und Technologie», sagt sie weiter. «Das Spannende an Tesla ist, dass es sich um ein Unternehmen handelt, das ganze Branchen und nicht nur eine bestimmte Technologie revolutioniert.»
Die 55-jährige Australierin Denholm könnte sich für Tesla als Glücksfall erweisen. Zumindest dürfte es nicht schaden, wenn dem Exzentriker Musk ein nüchterner Zahlenmensch entgegensteht. Zwischen 1989 und 1996 arbeitete sie als Finanzmanagerin für Toyota in Australien, danach im Silicon Valley für den Netzwerkausrüster Juniper Networks und den unterdessen von Oracle übernommenen Softwarekonzern Sun Microsystems. Seit einem Jahr ist sie Strategiechefin des grössten australischen Telekomkonzerns Telstra. Dort treibt sie den Umbau des Konzerns voran. Auf ihrer Taskliste stehen etwa ein massiver Stellenabbau, der Verkauf von Aktivitäten, die nicht zum Kerngeschäft gehören, und die Abspaltung des Infrastruktur-Geschäfts in eine separate Einheit.
Deshalb setzte ABB auf Denholm
Denholm gilt als vernünftig und direkt. «Sie ist nicht jemand, der sich nach hinten setzen und keine Standpunkte teilen wird», sagte David Meline, CFO des US-Arzneimittelherstellers Amgen zum «Wall Street Journal». Er sass mit Denholm gemeinsam im Verwaltungsrat des Technologiekonzerns ABB. Sie werde ihren Standpunkt deutlich vertreten. Zu ABB stiess sie 2016 – als sie Juniper verliess und etwas kürzer treten wollte. «Als ich Juniper Mitte 2016 verliess, wollte ich mir ein Jahr frei nehmen, um mit meinem Mann zu reisen und Golf zu spielen», sagt sie in dem Interview.
Allzu viel Freizeit dürfte sie aber nicht gehabt haben, war sie doch im Verwaltungsrat von ABB Mitglied des Finanz-, Revisions- und Compliance-Ausschusses. «Robyn Denholm wurde aufgrund ihrer umfassenden Branchenkenntnisse und Erfahrung im Bereich Finanzen, Computersysteme/Software, Netzwerktechnik, Projektmanagement zur Wahl in den Verwaltungsrat von ABB vorgeschlagen», teilt der Konzern auf Anfrage mit. Ein Jahr später ist sie ausgestiegen, um sich auf die Rolle als COO bei Telstra zu fokussieren. Zuvor amtete sie bereits zwischen 2007 und 2013 als Finanzchefin bei dem australischen Telekomkonzern.
So viel verdient Denholm
Von dieser Erfahrung werde Tesla profitieren, findet Michael Cusumano von der Sloan School of Management am MIT. «Sie könnte Tesla etwas mehr Finanzdisziplin bringen», sagt er zum australischen Newsportal «news.com.au». Tesla habe 10 Milliarden US-Dollar Schulden und müsse weiterhin eine grosse Anzahl von Modell-3-Limousinen herstellen, um seine hohe Schuldenlast zu senken und die Rechnungen zu bezahlen.
Denholms bisherige Erfolgsbilanz bei Tesla ist laut Cusumano nicht unbedingt ein Indikator für ihr künftiges Wirken als VR-Chefin. Sie sei in ihrer bisherigen Position nicht in der Lage gewesen, in das Chaos einzugreifen.
Verdienen wird sie für ihren Posten ein Jahresgehalt von 300’000 US-Dollar und jährlich ein Bezugsrecht für 8000 erhalten. Via Twitter – ein Konto besitzt die Australierin seit diesem November – verkündete Denholm: Sie glaube an Musks Mission und wolle dem Unternehmen helfen, eine nachhaltige Rentabilität zu erreichen und den langfristigen Shareholder Value zu steigern. Einstweilen muss sie jedoch beweisen, dass Tesla sie nicht bloss einstellte, um die Forderungen der US-Steuerbehörde zu erfüllen.