Amerika verfügte anfangs der Fünfzigerjahre über keine grosse Sportwagen-Tradition, obschon das Interesse durchaus vorhanden war. Es musste schon ein Engländer in Person von Donald Healey kommen, um einen der grossen Autoproduzenten der USA davon zu überzeugen, mit einem Sportwagen für Renommee zu sorgen.
Entstanden auf einer Schiffsreise
Donald Healey war kein Unbekannter. Schon in den Dreissigerjahren hatte er in einem Invicta die Rallye Monte Carlo gewonnen und kurz nach dem Krieg hatte er begonnen, nach Wanderjahren durch die englische Autoindustrie, eigene Sportwagen zu bauen.
Auf der Queen Elizabeth bei der Rückfahrt nach einem erfolglosen Geschäftstreffen mit Cadillac, von denen er Motoren für seine Sportwagen beschaffen wollte, traf er 1949 mit George Mason, den obersten Mann bei Nash. Bei einem gemeinsamen Essen wurde eine Zusammenarbeit vereinbart, bei der Healey Nash-Motoren und Antriebsstränge erhalten würde und daraus ein Sportwagen unter dem Namen Nash-Healey fabrizieren würde.
Prototyp in Paris präsentiert
Bereits im Herbst des Jahres 1950 konnte das Ergebnis der Zusammenarbeit in Paris in Prototypen-Form besichtigt werden.
Die Automobil Revue kommentierte im Salonbericht:
«Ausgesprochen für Exportmärkte mit harter Währung ist der neue Sportwagen Nash-Healey bestimmt. Dieses Fahrzeug ist die Frucht der Versuche mit einem Prototyp, der in der «AR» kürzlich abgebildet war. In seiner endgültigen Ausführung setzt sich der dreisitzige Sportroadster aus dem unveränderten Healey-Fahrgestell, dem auf 125 PS gebrachten Nash-Ambassador-Motor, einem Warner-Dreiganggetriebe mit Schnellgang und einer von Healey entworfenen Karosserie zusammen.
Bei einem Leergewicht von etwa 1090 kg beträgt das Leistungsgewicht weniger als 9 kg pro PS; als Höchstgeschwindigkeit macht der Hersteller eine Zahl von gegen 200 km/h geltend. Der Wagen ist das Ergebnis einer Zusammenarbeit zwischen Nash und Healey; mit Ausnahme von Frankreich und England wird dieser Sportwagen in der ganzen Welt durch die Nash-Händler vertrieben werden.»
Der erste amerikanische Nachkriegs-Sportwagen in Serie
Zum Zeitpunkt der Lancierung gab es weder die Chevrolet Corvette noch den Kaiser-Darrin und so durfte sich der Nash-Healey also «erster amerikanischer Sportwagen» nennen. Die Serienversion wurde im Februar 1951 in Chicago der Öffentlichkeit vorgestellt und das Feedback war positiv.
Der Nash-Healey kombinierte amerikanische und englische Tugenden. Während der Motor von klassischer (und lang bauender) amerikanischer Tradition war, glänzte unter der Aluminium-Karosserie, die aus der Hand von Donald Healey stammen soll, englische Konzepte. Das Fahrgestell entsprach einer vergrösserten Variante des Chassis des Healey Silverstone.
Dies bedeutete einen Kastenrahmen mit Rohrtraverse und Kreuzverstrebung, vordere Einzelradaufhängungen mit zwei Kurbellängslenkern und Schraubenfedern mit Kurvenstabilisator, hinten eine Starrachse mit Schraubenfedern und Panhardstab. Gebremst wurde servounterstützt mit Trommeln.
Neue Variante mit italienischem Flair
Das Leben der Healey-Panelcraft-Variante dauerte nur kurz, denn bereits an der Chicago Motor Show im Jahr 1952, nach nur knapp 100 produzierten Exemplaren, wurde im Februar 1952 die Karosserie von Pininfarina vorgestellt.
Die Automobil Revue kommentierte die Neuerung mit begeisterten Worten:
«Der neue Nash Healey wird mit einer bestechend eleganten Karosserie versehen, die von Pinin Farina entworfen wurde und von seiner Turiner Firma hergestellt wird. Wiederum hat sich somit ein italienischer Karossler in den USA durchsetzen können.
Der Nash Healey besitzt aber auch im übrigen einige originelle Merkmale. Der Motor und die Kraftübertragung stammen von Nash und entsprechen den Aggregaten des grossen Typs Ambassador. Diese Teile werden von Kenosha, Wisconsin, dem amerikanischen Sitz der Nash Motor Division von Nash-Kelvinator, nach Warwick in England gesandt, wo sich die Healey-Werke, ein kleines Sportwagenunternehmen unter der Leitung von Donald Healey, befinden. Dort erhält der Motor zwei SU-Vergaser und einige PS mehr und wird mit der Borg-Warner-Kraftübertragung inklusive Schnellgang in das kurze Fahrgestell eingebaut, das unter anderem eine unabhängige Aufhängung der Vorderräder mit Längslenkern besitzt.
Das Chassis reist dann weiter nach Turin, wo es bei Pinin Farina karossiert wird. Von dort geht die Fahrt - wenigstens für amerikanische Käufer - wiederum nach den USA.
Der Nash Healey wird «einziger amerikanischer Sportwagen» genannt. Heute dürfte man ihn als das internationalste aller Automobile bezeichnen, verkörpert er doch tatsächlich Gedanken und Ideen aus allen drei Ländern, die an seiner Entstehung beteiligt sind.
Sein verhältnismässig wenig hochgezüchteter Vierlitermotor sowie das Dreiganggetriebe mit Schnellgang und die bekanntlich weiche, aber sehr sichere Aufhängung des Healey-Chassis vermitteln ihm zusammen mit der ausserordentlich eleganten und luxuriösen Karosserie einen eigenen Charakter.
Pinin Farina ist sich selbst mit dieser Karosserie treu geblieben und musste auch für die Serienherstellung, wie ein Vergleich mit dem ersten Prototypen zeigt, keine wesentlichen Konzessionen an den amerikanischen Geschmack machen.
Der Vertrieb des Wagens wird durch die Nash-Organisationen besorgt, die auch den Service ausführen können. Über den Preis des Wagens, der im Frühjahr geliefert wird, sind noch keine Angaben erhältlich.»
Der Preis betrug für die Pininfarina-Variante in den USA 5’908 Dollar, was sich als deutlich über dem Markt erweisen sollte. Aber für die Massenproduktion war der Wagen auch nicht gedacht, dazu wäre die Logistik und die damit verbundenen Verschiffungskosten viel zu komplex und teuer gewesen.
Und dann das Coupé
Am Genfer Automobilsalon debütierte dann die Coupé-Variante im März 1953, die durch einen um 15 cm verlängerten Radstand mehr Platz für die Insassen bot und mit ihrem geschlossenen und umfangreich verglasten Blechdach mehr Wetterschutz versprach.
Die Automobil Revue unterzog das 31’000 Franken - ein Lancia Aurelia Coupé kostete damals 28’400 Franken - teure Coupé ihrem gefürchteten Langstreckentest und wusste Erfreuliches zu berichten:
«Die durch ihren guten Geschmack und ihre makellose Eleganz auffallende äussere Linie des Wagens findet ihren Gegenpart im Verhalten des Wagens auf der Strasse. Der Nash-Healey verfügt über ein Temperament, wie es sonst nur Vollblutfahrzeuge besitzen. Dazu aber kommt eine Elastizität des Motors und ein makelloser Übergang in der Vergasung, die ihresgleichen suchen. Trotz des bemerkenswerten Höherzüchtens hat der Motor nichts von seinem hohen Drehmoment bei niedrigen Drehzahlen verloren.
Es ist uns noch kein Wagen begegnet, der derart rasch und ohne jedes Zögern auf geringste Veränderungen der Gaspedalstellung reagiert. Dieser Vorzug fällt um so stärker ins Gewicht, als die Motorleistung keineswegs etwa von hohen Drehzahlen abhängig ist. Besonders beim Vorfahren und im Stadverkehr ist der Nash-Healey deshalb kaum zu schlagen.»
Viel Lob aus berufenem Munde! Die Fahrleistungen sprachen auch für sich. 175 Kilometer pro Stunde Höchstgeschwindigkeit betrug das Mittel aus acht (!) Messungen, den Standard-Spurt von 0 bis 100 Kilometer pro Stunde absolvierte das 1400 Kilogramm schwere Coupé in 13,9 Sekunden. Über 27620 Kilometer verbrauchten die meist schnell fahrenden AR-Redakteure im Schnitt 16,2 Liter pro 100 Kilometer, eine Tankfüllung reichte für 450 bis 600 Kilometer je nach Fahrweise.
Das Resumé der AR-Tester war insgesamt sehr positiv:
«Der Nash-Healey beweist, dass die Grenze zwischen den Tourenwagen und dem Sportfahrzeug nicht scharf definiert werden kann, sondern zahlreiche Übergänge und Zwischenstadien um- fasst. Das besprochene Fahrzeug soll zweifellos gerade wegen seines grossen Leistungspotentials mit Mass und Ziel gefahren werden. Dennoch kann es einen bestimmten Platz ausfüllen, denn mancher Freund eines «sportlichen» und luxuriösen Wagens legt wohl grossen Wert auf Anzug und Tempo, wünscht aber keine Konzessionen an Komfort und Annehmlichkeiten zu machen und weiss vor allem auch einen wirklich eleganten Wagen zu schätzen. In diesen Dingen hat der Nash-Healey, dessen mechanischer Teil zudem Garantie für Unempfindlichkeit und Dauerhaftigkeit bietet, kaum eine Konkurrenz zu fürchten.»
Und dann das Ende
Die Qualitäten des Wagens konnten aber nichts daran ändern, dass der Preis hoch und seine Tage auch wegen des Aufgehens von Nash in der American Motors Corporation gezählt waren. Selbst die durchaus beeindruckenden Rennerfolge von für Langstreckenrennen optimierten Varianten in Le Mans und an der Mille Migla änderten nichts am frühen Ende des amerikanischen GTs.
Zudem interessierte sich Donald Healey schon seit geraumem mehr für seinen «eigenen» Sportwagen Austin-Healey Hundred und so war nach 507 (einige Quellen nennen 506) produzierten Exemplaren im Jahr 1954 Schluss. Allerdings wurden einige wenige Fahrzeuge noch als Baujahr 1955 verkauft.
Die Fahreigenschaften waren gutmütig, grenzten den Nash-Healey aber auch klar von den Rennsportwagen der Zeit ab. Der Wagen sollte vor allem einfach zu fahren sein und komfortabel, daher orientierten sich Fahrkomfort und Abstimmung eher am Touren- als am Sportwagenbau jener Zeit. Dies zeigte sich an den nicht fading-freien Bremsen.
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