Vor fast einem Jahr wurde Donald Trump zum US-Präsidenten gewählt. Kurz vor dem Jahrestag nimmt eines seiner wichtigsten Versprechen Form an: Seine Republikanische Partei hat ihre Pläne für eine Steuerreform präsentiert. Unternehmen sollen viel weniger Steuern bezahlen – und damit der Anreiz sinken, dass Konzerne ihre Gewinne im Ausland zu behalten.

Die Steuerreform werde den Steuerwettbewerb verschärfen, sagt Martin Naville. Zurzeit habe die Schweiz eine starke Position. Doch der Direktor der Handelskammer Schweiz-USA befürchtet, dass sich das ändern kann.

Die US-Republikaner haben ihre Pläne für eine Steuerreform präsentiert. Was bedeutet das für die USA?
Martin Naville*: Falls der Plan in dieser Form durchkommt, wird es ein riesiger Wurf, den in dieser Form noch keine Demokratie in dieser Grössenordnung umgesetzt hat. Es hat noch viele Punkte, die sehr umkämpft sein werden. Die Wahrscheinlichkeit ist dennoch hoch, dass ein beträchtlicher Teil des Plans Anfang nächstes Jahr umgesetzt wird. Die Republikaner sind unter massivem Druck, einen Erfolg vorzuweisen.

Erhält die Schweiz mit der USA einen neuen Konkurrenten im Steuerwettbewerb?
Es ist kein direkter Wettbewerb. Aber klar, wenn die US-Steuerrate auf 20 Prozent sinkt, oder die Konzerne günstig ihre Gewinne in die USA zurückführen können, werden sich viele amerikanische Firmen anders orientieren. Die Wertschöpfung von US-Firmen in Europa wird sich reduzieren. Der Kuchen wird für europäische Standorte also kleiner.

Könnten US-Konzerne Geschäfte aus der Schweiz nach Amerika verlagern?
Es wird für alle europäischen Steuerplätze schwieriger, aber ich glaube nicht, dass die Schweiz überdurchschnittlich betroffen sein wird. Es gibt neben den Steuern noch sehr viele andere Gründe, in der Schweiz angesiedelt zu sein.

Gibt es denn US-Konzerne, die nur wegen der tiefen Steuern in der Schweiz sind?
Es gibt kaum eine Firma, die nur wegen den Steuern in der Schweiz ist. Sie sind auch hier, weil die Manager wegen der hohen Lebensqualität hier leben wollen, es hier gut ausgebildete Fachkräfte und ein stabiles politisches System gibt, oder weil sie Zugang zu guten Hochschulen wie der ETH oder der EPFL haben. Aber es ist klar: Wenn man teuer ist, wird man nicht in Betracht gezogen. Steuern sind im Prinzip Kosten. Im Moment stimmt das Angebot der Schweiz noch. Aber jetzt ändern sich die Rahmenbedingungen.

Was meinen Sie konkret?
Die amerikanische Steuerreform wird den Standortwettbewerb in Europa massiv verschärfen. Die Schweiz ist in einem harten Wettbewerb mit Irland, Luxemburg und anderen Ländern. Wenn wir unsere Hausaufgaben machen, ist die Schweiz gut positioniert. Wenn die Schweizer Steuerreform aber scheitern würde, wird es ein Erdbeben geben.

Vor einem Jahr wurde Donald Trump zum Präsidenten gewählt. Wie hat sich das Verhältnis mit der Schweiz unter seiner Regierung verändert?
Das Verhältnis hat sich eigentlich gar nicht verändert. Die Schweiz ist für amerikanische Administrationen wenig relevant. Es gibt weder grosse Probleme, noch grosse Störfaktoren. Wirtschaftlich hat sich das Verhältnis weiterhin sehr gut entwickelt. In den letzten fünf Jahren sind die Schweizer Exporte in die USA um fast 60 Prozent gestiegen, die Importe sind um 80 Prozent gewachsen. Es ist eine Erfolgsgeschichte, und darum hat sich die Trump Administration auch nicht gross darum gekümmert. Für Schweizer Unternehmen sind die Aussichten in den USA wegen der geplanten Steuersenkung und dem zurückhaltenden Vorgehen der neuen Regierung bei der Regulierung sehr positiv.

Bald wird der neue US-Botschafter sein Amt in Bern antreten. Was erwarten Sie von Edward McMullen? Er war ja ein wichtiger Wahlkampfhelfer von Donald Trump.
Er ist ein Konservativer, aber von einer sehr konstruktiver Ausprägung. Er ist ein weltoffener Typ, der etwas versteht von der Schweiz und Europa. McMullen ist beispielsweise auch in einem Weingut in Italien investiert. Ich würde ihn nicht als einen Trumpschen Populisten bezeichnen. Er wird keine schlimmen Tweets versenden, sondern konstruktiv das gute Verhältnis Schweiz-USA pflegen.

Die Zürcher Kantonalbank und weitere Schweizer Banken haben ihren Steuerstreit mit den USA immer noch nicht gelöst. Werden diese Fälle von der Regierung Trump bald abgeschlossen?
Aus Anwaltskreisen höre ich, dass alle Punkte bereits besprochen worden sind. Die Regierung von Barack Obama hat die Fälle aber nicht mehr abgeschlossen, und die neue Regierung hat die dafür nötigen Leute noch nicht.

Der Regierung fehlen die nötigen Leute, obwohl sie bereits fast ein Jahr regiert?
Von den sechshundert wichtigsten Leuten in der Administration ist erst die Hälfe nominiert. Für die USA ist der Steuerstreit auch nicht mehr so wichtig, Banken haben in den USA insgesamt 300 Milliarden Dollar an Bussen bezahlt, die Schweizer Institute davon weniger als 5 Prozent. Nur ein paar wenige Banken haben noch nicht bezahlt. Die Angelegenheit liegt auf Eis. Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Fälle abgeschlossen werden. Aber es hat weder für die USA noch für die Schweiz Priorität. Die betroffenen Banken würden die Fälle gerne abhaken. Doch im Moment gibt es für sie in den USA keine Ansprechpartner.

In den ersten fünf Monaten dieses Jahres sind weniger Schweizer in die USA gereist. Verlieren Schweizer wegen Trump die Lust auf Amerika?
Es gibt viele Gründe für den Rückgang. Er hat bereits 2016 eingesetzt – als noch Obama Präsident war. Ein viel wichtigerer Grund als Trump sind die verschärften Sicherheitsbestimmungen. Die Einreise in die USA ist schwieriger geworden. Die Leute haben keine Lust mehr auf die vielen Kontrollen und Befragungen. Klar gibt es einige, die wegen Trump nicht mehr in die USA reisen. Aber das sind Personen, die wohl sowieso nicht nach Amerika reisen würden und das Land nicht kennen. Alle, die es kennen, wissen, dass Trump nicht Amerika ist. Von Fluggesellschaften wie der Swiss und Reisebüros höre ich zudem, dass US-Reisen wieder beliebter sind.

Hat das Bild der USA unter Donald Trump nicht gelitten?
Dieses Bild wird auch von den Medien gezeichnet. Als die Zustimmung für Trump in den USA sank, haben Medien mit viel Schadenfreude darüber berichtet. Als aber die Zustimmung für Frankreichs Präsident Emmanuel Macron nach 100 Tagen noch tiefer lag, war er für Medien immer noch ein Held. Wegen der emotionalen Darstellung hat das Image von Trump sicher gelitten. Donald Trump war ein Systemtest für die US-Demokratie, und den Test hat sie relativ gut bestanden.

Das endgültige Urteil steht aber noch aus.
Das erste Jahr hat das System relativ gut funktioniert. Ich bezweifle, dass Trump dem Bild der USA massiv geschadet hat. Aber der Präsident ist natürlich schon etwas gewohnheitsbedürftig.

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*Martin Naville ist CEO der Schweizerisch-Amerikanischen Handelskammer AmCham in Zürich. Die Organisation setzt sich für die Wirtschaftsbeziehung zwischen der Schweiz und den USA ein. Naville, Jahrgang 1959, leitet die Handelskammer seit 2004.