Für seinen Traum von einem demokratischen Südafrika ohne Rassentrennung hat Nelson Mandela einen hohen Preis bezahlt: Fast drei Jahrzehnte verbrachte er hinter Gittern, davon 18 Jahre auf der berüchtigten Gefangeneninsel Robben Island. Das verhinderte jedoch nicht, dass er zur zentralen Figur im Kampf gegen die Apartheid wurde.
Seinen Landsleuten war der Friedensnobelpreisträger und erste schwarze Präsident Südafrikas ein moralischer Kompass. Die Welt verehrte ihn als politische Freiheitsikone, obwohl er für viele westliche Politiker lange ein Terrorist war. Am Donnerstag ist Nelson Mandela in Johannesburg gestorben. Er wurde 95 Jahre alt (* 18. Juli 1918).
Nach der Freilassung im Februar 1990 setzte Mandela sein ganzes Charisma dafür ein, die Herrschaft der weissen Minderheit ohne Bürgerkrieg zu beenden. «Es ist Zeit, die Wunden zu heilen. Der Augenblick ist gekommen, die Abgründe zu überbrücken, die uns trennen», rief Mandela 1994 bei seiner Wahl zum Präsidenten Südafrikas zur Versöhnung zwischen Schwarz und Weiss auf. Seine Anhänger verehrten ihn und priesen seine Menschlichkeit, Freundlichkeit, Aufmerksamkeit und Würde. Seinen politischen Gegnern bot er kaum Angriffsfläche.
Gescheiterte Ehe
Doch die lange Haft und sein Kampf gegen die Apartheid hatten auch ihren Tribut gefordert. So scheiterte seine Ehe mit der radikalen Aktivistin Nomzamo Nobandla Winnifred Madikizela - die als Winnie Mandela weltweite Berühmtheit erlangte. An seinem 80. Geburtstag 1998 wurde Graca Machel, die Witwe des mosambikanischen Präsidenten Samora Machel, seine dritte Frau. Aus seiner Haftzeit behielt Mandela die Gewohnheit bei, zwischen vier und fünf Uhr in der Früh aufzustehen, Frühsport zu machen und zu lesen. Die Disziplin, die er sich als junger Amateurboxer antrainierte, habe ihm geholfen, die Gefangenschaft und später die politischen Kämpfe zu bestehen, berichtete Mandela, der wie ein aktiver Sportler wenig trank und Nichtraucher war.
Mit dem Regime der weissen Minderheit geriet der am 18. Juli 1918 geborene Mandela früh in Konflikt. Schon 1952 wurde der Anwalt wegen Verstosses gegen das Gesetz gegen den Kommunismus angeklagt. Er gehörte zu den Ersten, die den 1961 vom Afrikanischen Nationalkongress (ANC) eingeschlagenen Weg des bewaffneten Kampfes befürworteten. Auf Reisen durch Afrika und Europa warb er für die ANC-Kämpfer, die sich als Speer der Nation betrachteten.
Nach seiner Rückkehr wurde Mandela 1962 wegen unerlaubter Ausreise zu fünf Jahren Haft verurteilt. Während er die Strafe verbüsste, wurden ihm und anderen Anti-Apartheid-Kämpfern wegen Hochverrats der Prozess gemacht. «Ich habe mein Leben dem Kampf des Afrikanischen Volkes geweiht. Ich habe gegen die Vorherrschaft der Weissen und gegen die Vorherrschaft der Schwarzen gekämpft», schleuderte er seinen Richtern entgegen, deren Urteil 1964 lebenslänglich lautete.
«10'000 Tage in Gefangenschaft»
Die Haft dauerte bis zum 11. Februar 1990. «Als ich durch das Tor schritt, fühlte ich selbst mit 71 Jahren mein Leben neu beginnen. Meine 10'000 Tage in Gefangenschaft waren endlich vorbei», schrieb Mandela über den Tag seiner Freilassung. Bis dahin war er einer der prominentesten Gefangenen der Welt, für dessen Haftentlassung die Menschen auf die Strasse gingen. Er ging sogar in die Pop-Geschichte ein: 1984 stürmten Jerry Dammers und seine Band «The Special AKA» mit dem Protestsong «Free Nelson Mandela» die Hitparaden vieler Länder.
In den vier Jahren zwischen Mandelas Freilassung und den ersten freien, allgemeinen und gleichen Wahlen kamen Tausende Südafrikaner bei gewaltsamen Auseinandersetzungen um. 2003 verhinderte Mandela Schlimmeres, als er nach der Ermordung des populären Kommunistenführer Chris Hani durch einen Weissen zu Ruhe und Besonnenheit aufrief.
Seine Präsidentschaft stellte er ganz in den Dienst der Versöhnung. Er trank mit seinen früheren Gefängniswärtern Tee und eroberte zur Rugby-Weltmeisterschaft 2005 das Herz vieler Weisser, als er das Dress der südafrikanischen Nationalmannschaft überstreifte. Das Markenzeichen seiner Amtszeit war die Wahrheits- und Versöhnungskommission, die Verbrechen beider Seiten im Kampf gegen die Rassentrennung aufklärte und so zur Aussöhnung beitrug.
Sein Kampf gegen Aids
Als er 1999 vom Amt des Präsidenten zurücktrat, bedeutete das keineswegs den Rückzug aufs Altenteil. Fortan widmete Mandela seine Kraft dem Kampf gegen Aids. Er sammelte Millionen Dollar für die Behandlung der Immunschwächekrankheit, an der 2002 auch sein einziger überlebender Sohn sterben sollte. 2004 zog sich Mandela mit den Worten «Ruft nicht mich, ich werde euch rufen» offiziell aus der Öffentlichkeit zurück. Seinen letzten umjubelten Auftritt hatte er 2010 zum Endspiel der Fussball-WM in seiner Heimat. Für Mandela war es ein zweischneidiges Ereignis, war doch kurz vor dem Sportspektakel seine Urenkelin bei einem Autounfall getötet worden.
«Die Öffentlichkeit muss darüber entscheiden, wie sie meiner gedenkt», sagte Mandela kurz vor seinem Rücktritt in einem Fernsehinterview. «Aber ich möchte als ein normaler Südafrikaner in Erinnerung bleiben, der mit anderen demütig seine Pflicht getan hat.»
(reuters/muv/tke)