Zeitungsinserate warnen: «Jemand benutzt Ihre Citigroup-Kreditkarte ohne Ihre Einwilligung.» Und in TV-Spots erklären Hollywoodstars wie Susan Sarandon oder Ali McGraw: «Citigroup finanziert die Zerstörung des Regenwaldes. Mit Ihrer Citibank-Kreditkarte bezahlen Sie diese Zerstörung.» Die Anzeigen gipfeln in der Aufforderung, die Kreditkarten der Citibank zu zerschneiden und eine andere Bank zu wählen.
Der Protest gegen die Citigroup wurde medienwirksam an der Aktionärsversammlung 2000 gestartet. Dort trug die Regenwald-NGO Rainforest Action Network (RAN) ihre Kritik am Konzern vor und stellte gleichzeitig ihre Anti-Citigroup-Kampagne vor. Drei Jahre später kapituliert der grösste Finanzdienstleister der Welt und vereinbart mit der nur 25-köpfigen Gruppe RAN eine Art Waffenstillstand. Anfang dieses Jahres traten Citigroup und RAN gemeinsam vor die Medien und gaben eine Partnerschaft bekannt. Kernpunkt: Die Citigroup werde bei der Vergabe von Krediten strenge Auflagen in Sachen Umweltschutz berücksichtigen. Ein Schritt mit Folgen, denn bislang finanzierte Citigroup rund ein Fünftel der Kohle-, Öl-, Gas-, Pipeline- und Stromkonzerne. Künftg wird RAN regelmässig überprüfen, wie Citigroup die Umweltvorgaben und Zielsetzungen umsetzt.
Das Beispiel steht für eine globale Entwicklung: Auf der ganzen Welt treten selbstbewusste NGOs oder Nichtregierungsorganisationen wie RAN auf. Und zunehmend gelingt es ihnen, bei Unternehmen entscheidende Kursänderungen zu erzwingen.
Wobei RAN ein neuer Typus von NGO ist. Stolz verkünden die Waldaktivisten auf der eigenen Hompage, sie seien «not your typical treehuggers». Das heisst so viel wie: «Wir sind keine typischen Baumumarmer.»
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Anstatt gegen Chimären wie die Globalisierung anzurennen oder einzelne Waldstücke zu retten, nimmt sich RAN nach sorgfältiger Analyse erreichbare Ziele vor, für die sich die Marktmacht der Konsumenten einspannen lässt.
Bei der Citigroup gaben vier Faktoren den Ausschlag, dass RAN den Konzern in die Knie zwingen konnte. Erstens besteht in den USA eine hohe Sensibilität fürs Thema Wald. Die Printanzeigen und die TV-Spots, in denen Sympathieträger Citigroup anklagen, verschlechterten das Image der Bank. Zweitens greift RAN nie nur Konzerne an, sondern zielt immer auch auf die Leader, die in der Lage sind, Kursänderungen zu entscheiden. So wurden während der Kampagne die öffentlichen Auftritte von Citigroup-CEO Sandy Weill durch Proteste der Waldaktivisten in Mitleidenschaft gezogen. Und RAN schreckte auch nicht davor zurück, direkt vor den Häusern der CEOs zu demonstrieren. Drittens ist das Kreditkartengeschäft in den USA ein stark umkämpfter Markt, in dem eine Kreditkarte fix durch eine neue ersetzt wird. Und viertens setzte RAN einen Schwerpunkt an den Universitäten, wo die Kreditkartenanbieter besonders hart miteinander konkurrieren. Dort entscheiden sich viele junge Amerikaner erstmals für eine Kreditkarte und bleiben der Bank auch als solvente Erwachsene in allen Finanzgeschäften treu.
Nichts war also einfacher, als den Studenten zu erklären, sie könnten etwas für bedrohte Wälder tun, indem sie eine Kreditkarte von irgendeiner Firma wählten, solange es nur nicht Citigroup sei.
Nach dem Sieg über die Citigroup nahm RAN die Bank of America ins Visier. Nur einen Monat brauchte die Gruppe, um die Politik eines weiteren Finanzkonzerns zu verändern. Die Kampagne startete diesen April mit Inseraten, die Baumstrünke als Werk der Bank of America geisselten. Schon im Mai erklärte die Bank of America, strengere Umweltrichtlinien anzuerkennen. Worauf RAN lobende Anzeigen schaltete, die statt Strünken intakte Bäume präsentierten.
«Unser erster grosser Sieg war Burger King» sagt Ilise Hogue, die Finanzkampagnenleiterin von RAN. «Wir brachten das Unternehmen dazu, kein Rindfleisch mehr zu kaufen, das von Weiden stammt, die zuvor Regenwald waren. Da haben wir begriffen, dass wir die Businesswelt verändern können, wenn wir den Kunden klar machen: Burger King ist schuld, dass der Wald zerstört wird.»
RAN hat perfektioniert, was Greenpeace mit der «Brent Spar» vorexerzierte. 1995 besetzte Greenpeace die Ölplattform, die Shell versenken wollte. Greenpeace alarmierte die Öffentlichkeit und erklärte, «Brent Spar» enthalte grosse Mengen giftiger Rückstände. Shell vertrieb die Besetzer und liess die Plattform aufs Meer schleppen. Die Öffentlichkeit war skandalisiert. Greenpeace rief zum Shell-Boykott auf. Nordeuropäische Regierungen kritisierten Shell. Der Verkauf von Shell-Benzin brach zeitweise um 30 Prozent ein. Militante Ökoaktivisten verübten Anschläge auf Tankstellen. Shell stoppte die Aktion. Ein unabhängiges Gutachten ergab: Greenpeace hatte sich geirrt, Shell war im Recht, es wäre am umweltschonendsten gewesen, die Plattform auf offener See zu versenken. Greenpeace musste sich bei Shell entschuldigen.
Trotzdem ging Shell mit Schrammen am Image aus der Auseinandersetzung heraus. Auch wenn Shell sachlich richtig lag, wirkte der Konzern rechthaberisch, unzugänglich und arrogant. «Brent Spar» wurde für Shell zum PR-Desaster. Es war ein Paukenschlag, der vielen Konzernen vor Augen führte, wie schnell NGOs die öffentliche Meinung mobilisieren können und wie sich stümperhafte PR in schlechten Zahlen niederschlägt.
Schon Mitte der Siebzigerjahre hatte die Schweizer Drittweltorganisation Erklärung von Bern das Prinzip des «naming and shaming» benutzt, das Benennen und Beschämen. Die Kampagne hiess «Nestlé tötet Babys». Gemeint waren die Konsequenzen, wenn Mütter in der Dritten Welt statt Muttermilch Nestlé-Milchpulver verwenden.
Nestlé und die Erklärung von Bern prozessierten. Nestlé gewann vor Gericht – und der Boykott weitete sich auf die USA aus. Nestlé-Sprecher Marcel Rubin sagt: «Der Boykott hatte keine Auswirkung auf unsere Verkäufe. Aber auf unser Image.» Erst als die Weltgesundheitsorganisation 1981 Richtlinien erliess, welche die Vermarktung von Babypulver regelten, kam Nestlé aus der Schusslinie und einigte sich drei Jahre später mit den Kritikern aus den USA.
Der Erfolg von solchen Kampagnen hat dazu geführt, dass die meisten grossen Unternehmen heute ein Musikgehör für die Kritik von NGOs haben. Barbara Dubach, Kommunikationsexpertin beim Zementproduzenten Holcim, sagt: «Aus dem ‹Brent Spar›-Desaster lässt sich als Lehre ziehen: Man muss früh wissen, wer von einer Entscheidung betroffen ist und wer die Opinion-Leader sind. Mit denen sucht man den Dialog. Man steht also ständig im Kontakt mit der lokalen Bevölkerung, mit Gewerkschaften und mit den relevanten NGOs.» Das ist allerdings, angesichts der Fülle von NGOs, gar nicht immer so einfach.
In den letzten Jahren sind ständig neue NGOs gegründet worden, deren Stimmen im Chor zu einer Kakofonie divergierender Interessen und Weltanschauungen werden. Ein erstes Mal versammelte sich dieser Reigen 1992 anlässlich des Uno-Umweltgipfels in Rio de Janeiro. Rund 2400 NGO-Delegierte waren am Gipfel, damals akkreditierten sich über 1000 NGOs neu bei der Uno, um zusammen mit Regierungsvertretern Umweltprobleme zu debattieren. Gleichzeitig fand in Rio ein reines NGO-Forum mit 17 000 Teilnehmern statt.
Seither werden alle grossen internationalen Konferenzen von NGOs begleitet, oftmals mit Ermunterung von staatlicher und supranationaler Seite. Sowohl Kofi Annan als auch EU-Kommissionspräsident Romano Prodi begrüssen das Engagement von NGOs, die als Vertreter von Interessen der Zivilgesellschaft fungierten und teilweise finanziell durch UN-, EU-Organe oder Staaten finanziert werden. Auch Präsident Bill Clinton begegnete den NGOs mit Wohlwollen, seine Gattin Hillary verurteilte 1995 an der grossen Uno-Frauenkonferenz in Peking Chinas Behinderung der NGOs, deren Parallelkonferenz von der totalitären Führung in einen 60 Kilometer entfernten Flecken verbannt worden war.
Überhaupt war 1995 ein Schlüsseljahr: Neben der Frauenkonferenz versammelte man sich in Kopenhagen zum Weltgipfel für soziale Entwicklung, und Greenpeace demonstrierte mit der Shell-Kampagne die durchschlagende Macht entschlossener Gruppen, die mittels geschickter Medienarbeit die Sympathien erobern.
Damals verblasste in der kritischen Öffentlichkeit die Parole «Global denken, lokal handeln«, derweil sich ein diffuses Unbehangen über die Globalisierung breit machte.
Die Zeit war reif für etwas Neues. 1997 geisselte Ignacio Ramonet, Chefredaktor des linken Weltblattes «Le Monde diplomatique», in einem Kommentar einen neuen, mächtigen, unkontrollierten Weltfinanzstaat, der gebildet werde aus der Weltbank, dem IWF, der WTO und der OECD. Ramonet forderte die Einführung der Tobin-Steuer, die einen Satz von 0,1 Prozent auf alle Finanzflüsse erheben würde und damit die Beseitigung der Armut bezahlen könnte. Der Artikel regte an, eine NGO namens Attac (Association pour une taxation des transactions financières pour l’aide aux citoyens et citoyennes) zu gründen.
Zu Ramonets Verblüffung meldeten sich massenhaft Freiwillige. Von Frankreich aus verbreitete sich Attac zu einer starken, internationalen NGO, die sich der Kapitalismuskritik verschreibt und als Drehscheibe für radikalen Protest fungiert. Momentan macht Attac dem deutschen Kanzler mit Widerstand gegen die Harz-IV-Reformen das Leben schwer.
Zu einer Wegmarke für NGOs und zum Höhepunkt der Globalisierungskritik wurde das Jahr 1999 mit der WTO-Konferenz in Seattle, die weitere Liberalisierungsschritte des Welthandels hätte verabschieden sollen. Die Konferenz scheiterte an einer bunten Koalition, die von anarchischen Strassenkämpfern bis zum französischen Bauernaktivisten José Bové reichte, und deren Heterogenität auf die Formel «Turtles & Teamsters» gebracht wird: hier Öko-Aktivisten für die Errettung der Schildkröte (Turtles), da unzimperliche und protektionistisch-patriotische Lastwagengewerkschaftler (Teamsters). Neu an Seattle war, dass mit dem Internet plötzlich ein billiges, schnelles Massenmedium zur Verfügung stand, mit dem sich weltweit Informationen austauschen und in Windeseile Proteste organisieren liessen.
Seattle verschaffte grossen Teilen des NGO-Kuddelmuddels eine Weile lang die Illusion, man sei eine Art Bewegung, die gemeinsam die Welt aus ihren globalkapitalistischen Angeln heben und in gedeihlichere Bahnen umlenken könne. Und es gehört seither zwingend zu jeder internationalen Konferenz von Genua bis zum WEF, dass sich Enragierte empören und als «Sand im Getriebe» die Treffen der Reichen und Mächtigen zu stören suchen.
Das Gefühl aber, einer gemeinsamen Bewegung anzugehören, hat sich verflüchtigt angesichts der Heterogenität von Zielsetzungen und der Ratlosigkeit, wie allfällige Ziele umzusetzen seien. Schon ein Jahr nach Seattle, als in Prag der IWF seine Jahresversammlung abhielt, lähmte sich die Bewegung selber: Die Frage, wie auf ein Dialogangebot des tschechischen Präsidenten Havel einzugehen sei, führte zum Streit.
Zwar treffen sich NGOs und die Internationale des Antiglobalisierungsprotests an eigenen Kongressen wie dem Sozialforum im brasilianischen Porto Alegre. Das Gros der NGOs geht aber einfach den jeweiligen Anliegen nach, ohne dass sich eine grosse politische Theorie festmachen liesse.
Grob lassen sich zwei Marschrichtungen ausmachen. NGOs wie Attac suchen nach wie vor nach einer Formel, wie die Welt und die Wirtschaft anders zu organisieren seien, und verschreiben sich in der Zwischenzeit frontalem Protest, wo immer er möglich ist.
Pragmatischere NGOs von RAN bis zum WWF gehen nicht davon aus, dass der Marktmechanismus oder das Business per se böse seien, und suchen Änderungen vermehrt durch Einflussnahme auf die Politik von Konzernen und durch Partnerschaften.
Zwei Faktoren haben diesen Gesinnungswandel beschleunigt. Erstens erlebten viele NGOs, wie die von der internationalen Staatengemeinschaft noch 1992 in Rio beschworenen Abkommen und Bestrebungen am Ende des Jahrzehnts kaum vorangekommen waren. Zum Teil fehlte staatlicher Wille, zum Teil lag es auch am zunehmenden Bedeutungsverlust der Nationalstaaten. Und der korrespondiert mit dem weiteren Aufstieg multinationaler Unternehmungen. Zweitens setzte bei vielen grossen Unternehmen ein Umdenken ein. Am WEF 1999 forderte Kofi Annan die Spitzen der Wirtschaft auf, sie hätten Verantwortung in sozialen und ökologischen Fragen zu übernehmen. Annan deklarierte den «Global Compact», der in zehn Prinzipien einen ethischen Minimalkodex in Sachen Ökologie, Menschenrechte und Arbeitsrechte für Firmen festlegt. Zur zugehörigen Körperschaft können Firmen stossen, die ihre Unternehmung auf die entsprechenden Prinzipien einschwören und regelmässig über die Implementierung berichten.
Neben dem «Global Compact» gibt es eine Fülle von Deklarationen und Initiativen, die Branchen oder Unternehmungen Regeln für Good Corporate Citizenship an die Hand geben, die Reporting sowie gegenseitigen Erfahrungsaustausch festlegen.
Ein Musterbeispiel für Bemühungen in Sachen Good Corporate Citizenship ist die Zementindustrie. Firmen wie Holcim und der Branchenleader Lafarge schlossen sich früh dem World Business Council for Sustainable Development an, einer von Stephan Schmidheiny gegründeten Nachhaltigkeitsorganisation. Dort initiierten sie eine Zementsektorinitiative, der heute alle Keyplayer angehören. Barbara Dubach von Holcim sagt, man habe sich dort auch überlegt, was zu tun sei, damit ein Fall wie «Brent Spar» gar nie eintreffe. Deshalb sei man im ständigen Kontakt mit den Stakeholdern und gehe Probleme proaktiv an.
Bei Lafarge gipfelt das in Partnerschaften mit NGOs wie dem WWF. Lafarge glaubt, so Sprecherin Stephanie Tessier, dass das langfristig ein Businessvorteil sei. «Zementproduktion ist ein lokales Geschäft», sagt Tessier, «Man braucht einen Steinbruch, verursacht Emissionen durch CO2, Lärm, Staub und Transport. Damit man die nötigen Bewilligungen erhält, sind gute Beziehungen mit der lokalen Bevölkerung und den Behörden zwingend.» Lafarge legt grosses Gewicht auf den Ruf einer sozial- und umweltverträglichen Firma, füllt erschöpfte Steinbrüche wieder auf, siedelt bedrohte Tiere und Pflanzen an und unterhält eine Fülle von Partnerschaften. Mit dem WWF hat man vereinbart, den CO2-Ausstoss bis 2010 um 20 Prozent zu senken, wobei man derzeit bei 12 Prozent angelangt ist.
Auch in sozialen Fragen sieht Lafarge Vorteile in hohen Standards. Da man Personal nur behutsam entlasse und grosszügige Sozialpläne verabschiede, hätten die ostdeutschen Gewerkschaften die Kollegen in Polen überzeugt, dafür zu sorgen, dass bei Privatisierungen Lafarge den Zuschlag bekommt. «Wir sind überzeugt», sagt Stephanie Tessier, «dass Business, das Werten verpflichtet ist, gutes Business ist. Wir sind überzeugt, dass Nachhaltigkeit zwar kurzfristig Kosten verursacht, sich aber langfristig auszahlt. Und Zement ist ein langfristiges Geschäft.»
Langfristig denkt man auch bei Unilever, dem grössten Einkäufer von gefrorenem Fisch. Unilever hat realisiert, dass die Überfischung auf Dauer das ganze Fischgeschäft gefährden würde. Deshalb unterhält Unilever ein Label mit WWF, unter dem nachhaltig produzierter Fisch vertrieben wird. Ausserdem haben sich WWF und Unilever gemeinsam gegen die Fischereisubventionen der EU engagiert.
Dass Unternehmen offener geworden sind, bestätigt auch Marianne Sommer Dürst, die bei Amnesty International für den Bereich Menschenrechte und Wirtschaft zuständig ist: «Noch in den Neunzigerjahren war es fast unmöglich, bei Firmen wegen enschenrechtsverletzungen vorzusprechen. Das hat sich geändert.» Verändert hat sich auch Amnesty, die früher vor allem gegen staatliche Stellen aktiv wurde. Heute beteiligt sich Amnesty auch an Kampagnen gegen einzelne Firmen, seit Juni dieses Jahres ist Caterpillar im Visier, weil die israelische Armee mit Caterpillar-Bulldozern Häuser in den besetzten Gebieten zerstört.
Stolz ist Sommer Dürst auf den Kimberley Process, der 2003 in Interlaken verabschiedet worden ist. Darin deklariert die Diamantenindustrie, keine Konflikt- oder Blutdiamanten mehr zu handeln. So wurden Diamanten aus dem Kongo ausgeschlossen, weil man nachweisen konnte, dass der Kongo Diamanten von zweifelhafter Herkunft exportierte.
Auch Andreas Missbach, der sich bei der Erklärung von Bern mit Banken beschäftigt, erklärt, es sei heute einfacher, bei Firmen vorzusprechen. Erfolg habe man gehabt mit einer Kampagne gegen CSFB. Banker seien dazu gebracht worden, sich Richtlinien für Investitionen in der Forstwirtschaft zu geben. Missbach glaubt, der Einfluss von NGOs sei heute deutlich gestiegen, dafür komme weniger von staatlicher Seite. Zudem könne man die freiwilligen Verpflichtungen von Firmen oft nicht kontrollieren. Gäben Konzerne auf einem Gebiet nach, hiesse das nichts für andere sensible Bereiche.
Einen Anstieg des NGO-Einflusses konstatiert Ulrich Steger, Professor am Institute for Management Development (IMD) in Lausanne, der sich auf Corporate Diplomacy und Nachhaltigkeit spezialisiert hat: «NGOs füllen zunehmend das Vakuum, das durch die Erosion klassischer Institutionen wie der Kirche, der Gewerkschaften, der Parteien und der Politik entsteht.» Steger empfiehlt den Firmen einen Kriterienkatalog, mit dem sich früh feststellen lasse, ob sich NGO-Kritik zur Chefsache ausweiten könne. Dazu gehört die Frage nach dem Empörungspotenzial eines Themas. Es bemisst sich unter anderem danach, ob sich die Medien schon für ein Thema interessierten oder ob es ein Modethema sei wie momentan etwa die Kinderarbeit in der Textilindustrie. Besonders wichtig sei zu prüfen, ob sich das Thema visualisieren lasse, weil sich Emotionen am schnellsten mit Bildern kommunizieren lassen.
Greenpeace hatte sich 1995 für die «Brent Spar» entschieden und nicht für eine Kampagne gegen die äusserst aggressiven kurzkettigen Chlorparaffine, weil sich diese Paraffine nicht visualisieren lassen. In einer Zeit, in welcher der nordeuropäische Bürger brav sein Altglas rezyklierte, war das Bild einer gigantischen Plattform, die ein Grosskonzern einfach versenken wollte, eine Provokation ersten Ranges.
Darin sieht Steger den Hauptfehler in der Kommunikation vieler Unternehmungen: Sie argumentierten technisch, wenn die Debatte eigentlich eine moralische sei. Bei der Gentechnologie etwa drehe sich die Diskussion zwar vordergründig um einzelne Freisetzungsversuche und ihre Folgen. In Wahrheit laute die Debatte aber: Ist die Landwirtschaft eine Industrie, oder bleibt man bei einer heilen Bauernwelt? Und: Darf der Mensch an der Natur herumdoktern?
Zur Frage der «early awareness» gehört auch, dass sich Unternehmen vorzeitig fragen, wo es Innovationspotenzial gebe, wo sich also tatsächlich etwas ändern lasse. «Damit kann man ein Problem vernünftig anpacken, bevor einen andere zwingen, es unvernünftig anzupacken», empfiehlt Steger.
Zwar gebe es auch Beispiele wie Exxon, die stolz darauf seien, dass sie den Begriff «Nachhaltigkeit» mieden wie der Teufel das Weihwasser, und die sich nicht mit NGOs einliessen. Das dürften aber Ausnahmen bleiben. Allein für eine nachhaltige Teeproduktion kämpfen nach einer Erhebung von Unilever 70 NGOs. Und die sind alle bestrebt zu zeigen, was sie wissen und was sie bewegen können.
Langfristig begrenzt Schaden nur, wer Macht und Einfluss der NGOs von vornherein einplant.