Roland Schwertner, Gründer und Teilhaber von Nomos in Glashütte südlich von Dresden, ist immer für einen guten Spruch zu haben. «Ich bin schlicht gescheitert», behauptete er an der Baselworld vor neun Jahren und versuchte vergebens, dazu ein ernstes Gesicht zu machen. Auch 17 Jahre nach dem Start stelle Nomos noch immer keine 20 000 Uhren pro Jahr her, anders als er dies bei der Lancierung der ersten Kollektion anno 1992 prophezeit habe.

Von wegen gescheitert: Heute liefert Nomos jährlich geschätzt gegen 60 000 Uhren aus. Während andere Marken über stagnierende Verkäufe klagten, stieg der Umsatz in den vergangenen vier Jahren um satte 65 Prozent. «Die genauen Stückzahlen geben wir nicht bekannt. Da halten wir es wie die Schweizer», flachst Nomos-CEO Uwe Ahrendt. Klar ist aber: So viele Uhren wie Nomos produziert niemand sonst in der traditionsreichen Uhrenstadt am Fuss des Erzgebirges.

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Personalbestand um 200 Prozent gestiegen

Das starke Wachstum von Nomos lässt sich am Personalbestand ablesen: In den letzten zehn Jahren ist er um rund 200 Prozent gestiegen. In Glashütte arbeiten rund 260 Mitarbeitende, in Berlin-Kreuzberg, wo Design, Marketing und Kommunikation angesiedelt sind, 40. Und weil es in den zwei Gebäuden in Glashütte eng geworden war, wurde vergangenes Jahr im Ortsteil Schlottwitz ein neues für die Fertigung der Uhrenteile hochgezogen. Hier entstehen im Zweischichtbetrieb die Einzelteile für die unterdessen zwölf eigenen Uhrwerk-Kaliber: Platinen, Brücken, Hebel, Zahnräder, Triebe.

Nomos gehört heute zu den wenigen Uhrenmarken, die ausschliesslich Werke aus eigener Produktion verwenden. Firmengründer Roland Schwertner habe schon bei der Lancierung der Marke 1992 das Ziel gehabt, durch eigene Fertigung die Abhängigkeit von Lieferanten aus der Schweiz zu reduzieren, sagt CEO Ahrendt. «Diesen Weg haben wir peu à peu, aber konsequent weiterverfolgt.»

Roland Schwertner

Roland Schwertner, Gründer und Teilhaber von Nomos in Glashütte südlich von Dresden.

Quelle: Dawin Meckel/OSTKREUZ

Schwingende Sensation

Heute erreiche Nomos eine Fertigungstiefe von bis zu 95 Prozent, so Ahrendt. In den ersten Uhren steckte noch ein Handaufzugswerk ETA 7001 aus der Grenchner Uhrwerkschmiede der Swatch Group. Schritt für Schritt überarbeiteten die Konstrukteure von Nomos das Werk und modifizierten es mit eigenen Komponenten, versahen es mit einer traditionellen Glashütter Dreiviertel-Platine, bauten einen Sekundenstopp ein und fügten einen Datumsring sowie eine Anzeige für die Gangreserve hinzu. Aus dem ETA 7001 wurden so die eigenen Werke Alpha, Beta, Gamma und Delta. 2005 kamen mit Epsilon und Zeta die ersten eigenen Antriebe mit automatischem Aufzug hinzu.

Eine Sensation präsentierte die Marke 2014. Während sieben Jahren hatte Nomos zusammen mit der Technischen Universität Dresden ein Assortiment aus Unruh, Unruhspirale, Anker und Ankerrad entwickelt. Über elf Millionen Euro wurden in das Projekt für einen eigenen Gangregler, das Herzstück jeder mechanischen Uhr, investiert.

Das «Swing-System» macht Nomos unabhängig von den Lieferungen der Swatch-Group-Tochter Nivarox-FAR in Le Locle und unterstreicht die uhrmacherische Kompetenz der Marke. Nur wenige Brands beherrschen die Herstellung von Assortiments. «Wir stellen mit Ausnahme der Rohspirale alles selbst her», sagt Ahrendt im umgebauten früheren Glashütter Bahnhof, dem Firmensitz. Die winzigen Federn liefert die Carl Haas Spiralfedernfabrik in Schramberg im Schwarzwald, die auch Uhrwerkhersteller aus der Schweiz zu ihren Kunden zählt.

Mit dem eigenen «Swing-System» ist Nomos zu einer echten Manufaktur geworden.

Mit dem eigenen «Swing-System» (l.) ist Nomos zu einer echten Manufaktur geworden.

Quelle: ZVG

Die Einführung des «Swing-Systems» erfolgte klandestin. «Wir bauten unser Assortiment in ungefähr 10 000 Uhren der laufenden Produktion ein, ohne dies zu kommunizieren», verrät Uwe Ahrendt heute. Die Eigenentwicklung bestand den Massentest mit Bravour und wird nun in sämtlichen Werken mit der Kennzeichnung DUW (Deutsche Uhrenwerke) verwendet, auch im Kaliber DUW 3001, dem mit gerade einmal 3,2 Millimetern dünnsten Automatikwerk.

Die Entwicklung des «Swing-Systems» und der Manufakturwerke stemmten die Deutschen aus selbst erwirtschafteten Mitteln ohne grossen Konzern im Rücken. Allerdings, räumt Nomos-Chef Ahrendt ein, sei auch Geld aus dem EU-Fonds für Regionale Entwicklung geflossen. «Aber von der EU-Unterstützung haben auch die anderen Marken in Glashütte profitiert.»

Nomos-CEO Uwe Ahrendt

Nomos-CEO Uwe Ahrendt.

Quelle: movement-media/Martin Häussermann

26 Jahre das gleiche Modell

Als Schwertner nach dem Fall der Mauer 1990 in die Kleinstadt Glashütte kam, die er von Verwandtenbesuchen in der DDR her kannte, hatte niemand auf ihn gewartet: «Ich bin nicht Uhrmacher, ich bin nicht Schweizer und hatte kein Geld.» Der Kaufmann aus dem Westen begann bei null: Die ersten Ticker wurden von zwei Uhrmachern in einer Privatwohnung zusammengebaut, den Telefonanschluss teilte er sich mit einer Imbissbude.

Mit dem Design der ersten vier Modelle hatte er aber ein goldenes Händchen. Tangente, Orion, Ludwig und Tetra sind seit 26 Jahren fast unverändert Teil der Kollektion, unterdessen gibt es sie mit Handaufzugswerk und als Automat. Vor allem das Modell Tangente, eine Uhrenikone, ist ein Renner. «Mit 40 Prozent ist sie immer noch unser meistverkauftes Modell, gefolgt von der jüngeren Metro», so Ahrendt.

Nomos Glashütte

Nomos hat seinen Firmensitz im umgebauten früheren Glashütter Bahnhof.

Quelle: ZVG

Nomos’ Erfolg ist einmal dem klassischschlichten Design geschuldet, das der Marke über die Jahre zahllose Auszeichnungen bescherte. Die nüchterne Bauhaus-Sachlichkeit spricht, so weiss man in Glashütte, speziell Architekten, Ingenieure und Künstler an. Dazu kommt der Preis. Während sich andere Glashütter Marken wie A. Lange & Söhne (Richemont) oder Glashütte Original (Swatch Group) im Luxusbereich positionierten, hatte Schwertner 1992 andere Pläne: «Es war unser Ziel, eine gute mechanische Uhr unter 1000 Mark herzustellen.»

Heute gibt es für diesen Preis – rund 510 Euro – schon längst keine Nomos mehr, dafür erhält der Kunde auch mehr Uhr. Für das Basismodell Club gehen 1100 Euro über den Ladentisch, für das Topmodell Zürich Weltzeit, gezeichnet vom verstorbenen Zürcher Designer Hannes Wettstein, werden 4500 Euro fällig. Ahrendt umschreibt die Positionierung der Marke mit «preiswertem Luxus».

Zwei Drittel der Produktion verkauft Nomos auf dem deutschen Heimmarkt, Nummer zwei sind die USA, wo die Manufaktur eine eigene Tochterfirma hat und an rund 70 Verkaufspunkten präsent ist. In der Schweiz betrieb die Uhrenmanufaktur zeitweise einen Laden an der Spiegelgasse in Zürich und ist heute in rund einem Dutzend Geschäften vertreten.