Nordkorea ist ein Land mit hohem Kuriositätenfaktor. Einblicke in den verschlossenen Staat sind so rar, dass jeder Meldung aus dem Inneren grosse Aufmerksamkeit sicher ist. So war es auch in diesen Tagen an der Ferienmesse in Bern, wo Nordkorea erstmals in der Schweiz für Tourismus warb.
Dutzende Journalisten waren an den Messeauftritt des Landes gekommen, einer kleinen Buchte, nüchtern dekoriert mit rotgerahmten Fotografien einiger Sehenswürdigkeiten und einer Landkarte. Auf einem schmalen Tisch lag eine überschaubare Anzahl an Info-Broschüren bereit, daneben hatte Ri Yong Bom Stellung bezogen, der Tourismusgesandte Nordkoreas für Europa.
«Wir wünschen uns 10'000 Besucher aus der Schweiz»
Hochgewachsen und im nachtblauen Anzug beantwortete Ri Yong Bom Frage um Frage. Die meisten von ihnen konzentrierten sich auf die Umstände eines Urlaubs in der Diktatur in dritter Generation: Warum müssen Touristen in Begleitung reisen? Können sie mit den Menschen auf der Strasse frei sprechen? Was, wenn ein Gast die Regierung kritisiert?
Ri Yong Bom lächelte und sprach, immer freundlich, meistens vage. Die Begleiter sollten «Missverständnisse» vermeiden. Die Schweizer seien sehr gern gesehene Gäste in Nordkorea, so freundlich und höflich. «Bisher haben wir nur 100 Besucher pro Jahr aus der Schweiz, damit sind wir nicht glücklich», sagt Ri «Wir wünschen uns jährlich 10'000 Reisende aus der Schweiz.» Auf seiner Brust leuchtete kirschfarben eine Flagge mit den Abbildern der Begründer der nordkoreanischen Diktatur, Kim Il Sung und Kim Yong Il.
Nordkorea wirbt in London, Berlin, Bern
Die Präsentation an der Berner Ferienmesse war einer von mehreren Auftritten, die Nordkorea derzeit absolviert. Auch in London, Berlin und Asien sei man schon auf Messen gewesen, so Ri. Das Tourismusministerium hat vor knapp zwei Jahren eine neue Offenheit ausgerufen: Nordkorea will mehr Reisende anziehen, am liebsten eine Millionen pro Jahr. Eine utopische Zahl – derzeit sind es um die 80'000. Touristen sind eine einfache Quelle für die in dem isolierten Staat begehrten Devisen. Zugleich steht jeder Reisende vor der Frage, wie er mit einer Reise durch die Diktatur verantwortlich umgehen soll.
«Nordkorea freut sich über Besucher aus anderen Ländern», sagt Ruedi Bless, «allerdings reisen diese in Begleitung und auf vorgefertigten Routen.» Bless ist Gründer von Background Tours. Der Anbieter von Studienreisen begleitet seit Ende der 1990er Jahre Touren durch Nordkorea, gemeinsam mit dem früheren 10vor10-Journalisten Walter Eggenberger. Auch der Kontakt Nordkoreas zur Ferienmesse kam durch Background Tours zustande.
«Der Einblick als Tourist ist bei weitem nicht vollständig»
Bless ist vom positiven Einfluss der Besuche aus dem Westen überzeugt. «Dialog ist besser als Ausgrenzung», sagt er. In Nordkorea sei ein Wandel spürbar, Besucher könnten sich in der Hauptstadt Pjöngjang weitgehend frei bewegen. Es sei allerdings wichtig, das Erlebte einzuordnen und auch auf die problematischen Bereiche zu schauen. «Der Einblick als Tourist ist bei weitem nicht vollständig.»
Und Nordkorea bemüht sich, bei seinen Gästen einen guten Eindruck zu hinterlassen und Armut und Mangelwirtschaft vergessen zu lassen, von den berüchtigten Straflagern mit Hunderttausenden Gefangenen ganz zu schweigen. Auch Fotografien, etwa von der mühsamen Bestellung der Felder per Ochsenkarren, werden nur ungern geduldet. Es sei eines der «Missverständnisse», wie Ri Yong Bom sie nennt, dass Touristen diese gerne fotografieren würden. Die Bevölkerung schätze solche rückständigen Bilder nicht.
Eklat in Nordkoreas Skiresort Masikryong
Lieber lenkt Norkorea den Blick auf seine Prestigeobjekte. Herrscher Kim Jong Un liess in den vergangenen Jahren einen Wasserpark, einen Freizeitpark und eine pompöse Reitanlage in Pjöngjang errichten. Das Land plane ausserdem viele neue Programme, so Ri, Radtouren etwa, Trekking, einen Marathonlauf.
Und als Highlight für die Skifahrernation Schweiz sei gedacht: der Besuch in Masikryong. Dabei hatte der Bau des ersten Skiresorts Nordkoreas 2013 zu einem Eklat mit der Schweiz geführt: Der Bundesrat hatte die Lieferung von Skiliften für das Herzensprojekt Kim Jong Uns untersagt. Kim Jong Un gilt seit seiner mutmasslichen Schulzeit in Bern als passionierter Skifahrer.
Abfahrten mit allen Schwierigkeitsgraden
Masikryong hat mittlerweile seit einem knappen Jahr geöffnet, nach eigenen Angaben hat Nordkorea die Lifte letztendlich selbst gebaut. In dem Gebiet erstrecken sich rund 110 Pistenkilometer am Masik-Pass, auf einer Höhe von knapp unter 800 Metern bis hinauf auf 1300 Meter.
Erste ausländische Besucher bescheinigtem dem Resort einen ordentlichen Standard, was Pisten und Wellness-Anlagen anbelangt. Auch Background Tours wirbt in einer der Broschüren am Messestand: «Das Skigebiet verfügt über Abfahrten aller Schwierigkeitsgrade, die Hotels und Restaurants sind luxuriös ausgestattet.» Der Reiseanbieter plant im Januar 2016 eine Fahrt dorthin und verspricht: «Wir werden unter den ersten Touristen sein, die dort im Schnee ihre Spuren ziehen.»
Masikryong erinnert Besucher an den Filmklassiker «Shining»
Dass eine Schweizer Reisetruppe knapp zwei Jahre nach der Eröffnung sich noch immer zu den ersten Besuchern zählen kann, zeigt allerdings auch die Absurdität des Unterfangens einer Luxus-Skianlage in Nordkorea: Diese leidet nach Berichten an einem eklatanten Mangel an Gästen. Erste Tester fühlten sich durch die Verlassenheit der Anlage an die gruselige Ödnis von Stanley Kubricks «Shining» erinnert. Besucher müssen grösstenteils aus dem Ausland kommen. Denn für den allergrössten Teil der Nordkoreaner wäre ein Urlaub im Resort unerschwinglich.
Eine Reise durch Nordkorea in Bildern:
Werbevideo für das Skiresort Masikryong in Nordkorea: