Heute ein Flug von knapp drei Stunden, damals eine Expedition. Damals war das Frühjahr 1960, als ich meine erste Gruppe von 25 Ferienreisenden nach Rhodos begleitete. Mit Zug und Schiff sollte es über Brindisi und den Kanal von Korinth ans Ziel gehen. Ich begrüsste die Reisenden und platzierte sie in den reservierten Abteilen. Dann gaben mir alle ihr Geld ab – sicher ist sicher. Ich war während der ganzen Reise ein wandelnder Tresor und habe laufend gewechselt. Bereits im Gotthardtunnel fing ich an, Stadtrundfahrten und Ausflüge zu verkaufen. Das hat den Leuten gefallen. Die meisten waren das Reisen nicht gewohnt und hatten dieses Arrangement gewählt, um vor Sprachschwierigkeiten und Organisationsproblemen sicher zu sein.
Erster Stress in Chiasso, hier war es wie in der Lotterie. Ist unsere Reservation auch wirklich ausgeführt worden? Ich rannte, meinen Koffer in der Hand, voraus auf den anderen Bahnsteig, vergewisserte mich und dirigierte dann meine Gruppe herbei. Nützlich war der Reiserapport, den mir ein erfahrener Kollege mitgegeben hatte, eine Mappe voll detaillierter Informationen. Wie in einem Drehbuch war jeder Schritt und jede Handreichung beschrieben. Ohne diesen Behelf hätte ich in Brindisi den Weg vom Bahnhof zum Hafen nie gefunden. Meine Gäste hatten ja keine Ahnung, dass auch ich diese Reise zum ersten Mal machte.
Wir fuhren zweite Klasse ohne Liegeabteile. Gegen Morgen, als der Zug in Bologna hielt, musste ich mich um die Cestini kümmern. Das waren die Proviantkörbchen mit Schinken, Früchten und einer Flasche Wein, die das Bahnhofbuffet auf unsere schriftliche Bestellung hin vorbereitet hatte. Alles war, wie damals üblich, sofort bar zu bezahlen. Es klappte. Ein Ausläufer mit Handwagen brachte den Proviant an den Bahnwagen. Die ganze Nacht musste der Reiseleiter mit den Gästen plaudern; die meisten konnten ja nicht schlafen. In Brindisi bestiegen wir ein kleines Schiff. Es gab Vierer- und Zweierkabinen; der Reiseleiter erhielt die heisseste zuunterst im Schiffsrumpf. Inzwischen waren wir schon 24 Stunden unterwegs. Die Leute sassen müde und ziemlich zerknittert beim Nachtessen.
Bei Tisch erfuhren wir beiläufig, dass der Kanal von Korinth wegen eines Erdbebens unpassierbar war und das Schiff den Weg rund um den Peloponnes nehmen würde. Das bedeutete, dass unsere Reise drei Tage länger dauern würde. Ich musste alle Zimmer- und Ausflugsbuchungen ändern. Sofort wollten die Gäste auch ihre Angehörigen zu Hause verständigen. Der Schiffstelegrafist hatte alle Hände voll zu tun; er hackte jede Botschaft buchstabenweise in die Morsetaste. Die Leute regten sich nicht auf; viele freuten sich gar diebisch über die höherer Gewalt. Für ihre Reise – 14 Tage, alles inbegriffen – hatten sie ab 600 Franken bezahlt.
Auf Rhodos hatte ich die Gäste jeden Morgen an den Strand zu begleiten. Die Zwischenzeit nutzte ich, um in den Hotels die Buchungen für das nächste Jahr zu verhandeln. Mein Chef hatte mir den entsprechenden «Einkaufszettel» mitgegeben. Was mir sofort auffiel: Auch als einfacher Reiseleiter wurde man mit grosser Höflichkeit und Respekt empfangen und natürlich mit Champagner und grossen Mahlzeiten verwöhnt. Der Name Kuoni machte grossen Eindruck.