Die Diskussionen rund um das Swissair-Debakel haben Verwaltungsräten und Managern in der Schweizer Wirtschaft vor Augen geführt, dass sie die Folgen ihrer Fehlentscheide nicht mehr schadlos umschiffen können. Inzwischen verlangt nicht mehr nur der Vertreter der Schutzvereinigung für Swissair-Aktionäre, Hans-Jacob Heitz, dass die Verwaltungsräte von Swissair und SAirGroup zur Kasse gebeten werden, sondern auch Bundespräsident Moritz Leuenberger: «Die Geschädigten sollen im Fall eines schuldhaften Verhaltens auf die Verantwortlichen zurückgreifen können.»

Für Verwaltungsräte in diesem Land ist es höchste Zeit, sich abzusichern. «Die Nachfrage nach Organhaftpflichtpolicen ist in letzter Zeit klar gestiegen», sagt Renata Tschudi, Pressesprecherin der Winterthur-Versicherungen, ohne konkrete Zahlen zu nennen. Die «Winterthur» gehört zusammen mit der «Zürich» und den beiden US-Versicherungen AIG und Chubb zu den Hauptanbietern von Organhaftpflichtversicherungen (D&O – Directors’ and Officers’ Liability Insurance) in der Schweiz. Kernziel der Policen ist es, das Privatvermögen der Organe (Verwaltungsrat und Management) vor Zugriffen aus Verantwortlichkeitsklagen zu schützen.

Die SAirGroup hatte bei einer englischen Tochtergesellschaft der Zurich Financial Services Group eine D&O-Police abgeschlossen. So viel gibt die SAirGroup bekannt. Bis zu welcher allfälligen Haftungssumme die Versicherung für die Verwaltungsräte einspringen würde, sei hingegen streng geheim, heisst es am Balsberg.

Gemäss den Versicherungsgesellschaften kann die versicherte Summe bei grossen, international tätigen und börsenkotierten Unternehmen rasch 100 Millionen Franken übersteigen – bei Prämien von bis zu mehreren Hunderttausend Franken pro Jahr. KMUs lassen in der Regel Summen zwischen 0,5 und 50 Millionen Franken versichern. Die «Winterthur» schätzt, dass in der Schweiz aktuell rund 75 Prozent der Grosskonzerne und 25 Prozent der KMUs über eine D&O-Police verfügen. Tendenz steigend.

Die Versicherung kommt vor allem in Konkursfällen zum Tragen. Die versicherten Leistungen wurden in den letzten Jahren kontinuierlich ausgebaut. Inzwischen lässt sich somit fast alles versichern, was fehlerhafte oder überforderte Verwaltungsräte zu bieten haben: fahrlässige und grobfahrlässige Pflichtverletzungen oder Schäden durch mangelnde Kompetenz. Im Handbuch «Der Verwaltungsrat» (Müller/Lipp), dem Standardwerk für Verwaltungsräte, raten die Autoren denn auch: «Verfügt ein Verwaltungsrat nicht mit Sicherheit über die notwendigen Erfahrungen und Kenntnisse zur sorgfältigen Bewältigung seiner Aufgabe, so soll er noch vor Antritt seiner Tätigkeit eine entsprechende Versicherung abschliessen.»

An Nachschub versicherungswilliger Verwaltungsräte mangelt es hier zu Lande nicht: Eine Studie des Executive-Search-Unternehmens Heidrick & Struggles kommt in einem europäischen Vergleich von Verwaltungsräten zum Schluss, dass in der Schweiz persönliche Beziehungen für die Wahl in einen Verwaltungsrat nach wie vor wichtiger sind als Fachkompetenz. Das freut vor allem die Versicherer.
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