Motti Wolkenbruch steckt im Wahlkampf. Seine wunderliche Reise hat ihn nicht nur in die Arme einer Schickse geführt, sondern auch als offiziellen Schweizer Beitrag ins Oscar-Rennen. Kein einfaches Unterfangen, schliesslich tritt «Wolkenbruch» in der Kategorie «Bester Internationaler Film» gegen 90 andere Filme an, zu denen etwa der südkoreanische Cannes-Gewinner «Parasite» oder «Dolor y gloria» von Pedro Almodóvar gehören.
Da hilft auch der Erfolg mit 290 000 Zuschauern in den Deutschschweizer Kinos nichts: In Hollywood weiss kaum jemand, dass der Film überhaupt existiert.
Um das zu ändern, haben die Produzenten Hans Syz, Anita Wasser und Michael Steiger von Turnus Film mit dem DCM-Verleiher Christoph Daniel eine Kampagne im «Stile eines US-Präsidenten-Wahlkampfes» auf die Beine gestellt, wie sie sagen – allerdings mit weit bescheideneren finanziellen Mitteln: Sie rechnen mit einem Budget von rund 250 000 Franken.
Knapp die Hälfte kommt von der öffentlichen Hand: Je 40 000 Franken gibts von der Filmpromotionsstelle Swiss Films und der Zürcher Filmstiftung, und weitere 10 000 Franken steuert die Stadt Delémont über ihre Initiative «Delémont-Hollywood» bei. Das SRG-Gesuch ist noch hängig. Den Rest müssen die Produzenten selbst bezahlen oder anderswo auftreiben. Sie haben etwa ein Campaign-Dinner organisiert, das am 18. November in Zürich stattfand. 15 000 Franken haben sie über Crowdfunding – «Support Motti!» – eingenommen.
Wichtiger PR-Agent vor Ort
Swiss Films steht bei den Oscars zwar den jeweiligen Schweizer Bewerbern zur Seite, aber letztlich beginnt der Kampf um den Filmpreis immer wieder bei null. Einen Vorteil hat das «Wolkenbruch»-Team: Christoph Daniel kennt das Spiel, er hat mit der norwegischen DCM-Produktion «Kon-Tiki» 2013 gar die Oscar-Nominierung geschafft.
Das Wichtigste ist aber die Wahl des PR-Agenten vor Ort: Die «Wolkenbruch»-Crew hat sich für Joshua Jason von JJPR entschieden. Er sei sehr gut vernetzt, selber Academy-Mitglied und vor allem kenne er die Namen jener Academy-Mitglieder, die für die Shortlist für den «Besten Internationalen Film» überhaupt mitstimmen dürfen, sagt Steiger.
Netflix hat Weltrechte erworben
Das ist hilfreich, um in Los Angeles die richtigen Leute zu Screenings einzuladen, bei denen nebst den Produzenten auch Hauptdarsteller Joel Basman und Regisseur Michael Steiner dabei waren. Für den PR-Berater und die Screenings geht der grösste Teil des Budgets drauf. Ebenfalls «Pflicht» sind Inserate in Branchenblättern wie «Variety» oder «Hollywood Reporter». Hilfe erhält Motti derzeit von Netflix. Der Streamingdienst hat die Weltrechte von «Wolkenbruch» erworben und zeigt den Film ausserhalb der Schweiz auf seiner Plattform.
8 Schweizer Filme haben es seit 1962 auf die Shortlist geschafft, 5 davon wurden dann auch nominiert, 2 gewannen den Oscar für den «Besten Internationalen Film»: «La Diagonale du fou» (1985) und «Reise der Hoffnung» (1991).
Dennoch: Die Chancen bleiben klein, dass es «Wolkenbruch» am 16. Dezember auf die zehn Filme umfassende Shortlist schafft. Das ist nur acht Schweizer Filmen gelungen. Im Januar wird die Liste nochmals um fünf Titel gekürzt, eine Hürde, die bis heute nur fünf Schweizer Filme genommen haben. Ausgeschieden ist hier 2017 auch «Ma vie de Courgette», doch der Film holte sich eine Nomination als bester Animationsfilm – und stach damit auch grosse US-Studios aus. Es war die erste Nomination für die Schweiz seit 2002, seit Christian Frei mit «War Photographer» als bestem Dokfilm im Rennen war.