Völlig überraschend hat Papst Benedikt XVI. seinen Rücktritt aus Gesundheitsgründen angekündigt. Er werde sein Pontifikat nach fast acht Jahren am 28. Februar abgeben, sagte der 85-jährige Joseph Ratzinger vor Kardinälen in Rom.
In seiner Ansprache sagte Benedikt in lateinischer Sprache, er spüre das Gewicht der Aufgabe, dieses Amt zu führen, habe lange über seine Entscheidung nachgedacht und sie zum Wohl der Kirche getroffen. Er sei zur Gewissheit gelangt, «dass meine Kräfte infolge des vorgerückten Alters nicht mehr geeignet sind, um in angemessener Weise den Petrusdienst auszuüben».
Er sei sich der Schwere dieser Entscheidung wohl bewusst, erklärte aber in voller Freiheit, das ihm am 19. April 2005 von den Kardinälen anvertraute Amt auf dem Stuhl Petri abzugeben. Die Kardinäle würden gebeten sein, für die Wahl eines neuen Kirchenoberhauptes zusammenzukommen.
Wörtlich sagte der Papst in der Erklärung: «Nachdem ich wiederholt mein Gewissen vor Gott geprüft habe, bin ich zur Gewissheit gelangt, dass meine Kräfte infolge des vorgerückten Alters nicht mehr geeignet sind, um in angemessener Weise den Petrusdienst auszuüben.»
«Blitz aus heiterem Himmel»
Auf dem Petersplatz herrschte ungläubiges Staunen unter den Touristen und Gläubigen. Italiens Regierungschef Mario Monti nahm die unerwartete Nachricht erschüttert auf. Die Regierungen in Berlin und Paris reagierten mit Respekt auf die Ankündigung.
Der Dekan der katholischen Kirche, Angelo Sodano, nannte die Ankündigung einen «Blitz aus heiterem Himmel». Benedikt hatte bereits vor einiger Zeit deutlich gemacht, dass er es sich durchaus vorstellen könne, etwa aus Gesundheitsgründen das Pontifikat abzugeben. Die Kardinäle waren eigentlich zusammengekommen, um über neue Heiligsprechungen abzustimmen.
Papst Benedikt XVI. wird nach dem Ende seiner Amtszeit in ein Kloster im Vatikan umziehen. Bevor Benedikt dort einziehen könne, müssten noch Umbauarbeiten abgeschlossen werde, sagte Vatikansprecher Federico Lombardi.
Bruder war eingeweiht
Dort wolle Benedikt ein Leben in Gebet und Meditation führen. Für die Übergangszeit (Sedisvakanz) werde er in der päpstlichen Sommerresidenz Castel Gandolfo bei Rom wohnen. «Wenn die Sedisvakanz beginnt, wird der Papst zuerst nach Castel Gandalfo umziehen», sagte er.
Papst-Bruder Georg Ratzinger nannte die angeschlagene Gesundheit von Benedikt XVI. als Grund für dessen Rücktritt. «Das Alter drückt», sagte der 89-Jährige der Nachrichtenagentur DPA. Der Arzt habe dem Papst geraten, keine transatlantische Reisen mehr zu unternehmen, sagte Georg Ratzinger weiter. Auch das Gehen bereite seinem Bruder zunehmend Schwierigkeiten.
Georg Ratzinger meinte, der Rücktritt seines Bruders sei ein «natürlicher Vorgang». «Mein Bruder wünscht sich im Alter mehr Ruhe.» Georg Ratzinger sagte weiter: «Ich war eingeweiht.» Er räumte ein, seit Monaten von den Rücktrittsplänen des Papstes gewusst zu haben.
Neuer Papst bis Ostern
Papst Benedikt war 2005 in einem kurzen Konklave nach nur 26 Stunden im vierten Wahlgang zum 265. Papst gewählt worden. Er folgte auf Papst Johannes Paul II., als dessen rechter Hand er jahrelang galt. Seine Heimat Deutschland besuchte er als Papst dreimal. Geboren wurde er als Joseph Alois Ratzinger am 16. April 1927 in Marktl am Inn.
Ein Nachfolger für Benedikt XVI. soll bis Ostern feststehen. «Wir sollten Ostern einen neuen Papst haben», sagte Vatikansprecher Federico Lombardi. Der Ostersonntag fällt in diesem Jahr auf den 31. März.
In ersten Reaktionen wird der Entscheid des Papstes mit Respekt gewürdigt. Die deutsche Regierung habe «den allerhöchsten Respekt für den Heiligen Vater, für seine Lebensleistung für die katholische Kirche», sagte Regierungssprecher Steffen Seibert.
Einziger Rückzug aus freien Stücken 1294
Auch Frankreichs Staatschef François Hollande nannte den angekündigten Rücktritt von Papst Benedikt XVI. einen «höchst achtbaren» Schritt. Frankreich würdige «den Papst, der eine solche Entscheidung trifft», sagte Hollande vor Journalisten.
Ein Papst wird auf Lebenszeit gewählt, doch ist nach dem Kirchenrecht auch ein Rücktritt möglich. Hierfür muss das Kirchenoberhaupt keine Gründe nennen, auch muss niemand den Rücktritt annehmen. Allerdings muss der Rückzug freiwillig erfolgen.
Allerdings wurde in 2000 Jahren Kirchengeschichte nur ein einziger Rückzug aus freien Stücken bekannt. Papst Coelestin V. gab 1294 nach nur fünf Monaten freiwillig sein Amt auf. Kirchenhistoriker sprechen von einem überforderten Sonderling, der kaum Latein konnte. Andere Historiker behaupten, sein Nachfolger Bonifaz VIII. habe Coelestin zum Abdanken gedrängt und in «Klosterhaft» geschickt.
(tno/chb/aho/sda)
Bildergalerie: Augenzwinkernde Twitter-Reaktionen auf den Papst-Rücktritt