Als Guido Terreni Anfang 2021 den Vorsitz der Geschäftsführung von Parmigiani Fleurier übernahm, war die Schweizer Uhrenmarke ein angesehener, wenn auch etwas obskurer Hersteller von komplizierten Zeitmessern. Eher ein Nischenprodukt und nur von einer kleinen Gruppe von Sammlern und Liebhabern begehrt.
Das ist jetzt vorbei.
Unter der Führung von Terreni ist Parmigiani Fleurier ins Rampenlicht getreten und hat sich zu Girard-Perregaux, Audemars Piguet und Patek Philippe eingereiht Der Umsatz verdreifachte sich und die Produktion verdoppelte sich, nachdem der Manager die Marke auf eine einzige Uhrenlinie ausgerichtet hatte – die inzwischen sehr trendige Tonda PF.
Als ehemaliger Präsident der Uhrenabteilung des zu LVMH gehörenden Unternehmens Bulgari hat Terreni die Tonda innerhalb eines halben Jahres nach seinem Amtsantritt als CEO umgestaltet und neu aufgelegt. Die Preise für die Sportuhr mit integriertem Armband beginnen bei rund 22'000 Franken für ein einfaches Modell aus Stahl mit reiner Zeitanzeige. Für ein Modell mit fliegendem Tourbillon und Platingehäuse werden bis zu 163'000 Franken verlangt. Die Wartelisten erstrecken sich mittlerweile über mehr als ein Jahr.
Terreni schreibt der Unabhängigkeit der Marke zu, dass sie ihm die Möglichkeit gibt, sich schnell auf neue Schwerpunkte einzustellen. Parmigiani Fleurier ist im Besitz der Stiftung der Familie Sandoz, die das Unternehmen gründete, aus dem sich der Arzneimittelhersteller Novartis SA entwickelt hat.
«Das hat uns die Freiheit gegeben, einen sehr kurzen Entscheidungsprozess zu haben, weil ich die Freiheit habe, zu tun, was ich will», sagte Terreni in einem Interview auf der kürzlich stattgefundenen Messe Watches and Wonders in Genf. «Das ist sehr wichtig, denn so behält man die Idee, was man machen will, rein.»
Laut Terreni macht die neu gestaltete Tonda-Kollektion jetzt etwa 98 Prozent des Umsatzes der Marke aus. Er wollte keine genauen Verkaufszahlen nennen und sagte, die Marke produziere jetzt «einige tausend» Uhren pro Jahr, ohne genauer zu werden.
Geschätzt wird ein Umsatz von 100 Millionen Franken
Jean-Philippe Bertschy, Analyst bei Vontobel, schätzt, dass Parmigiani jährlich etwa 3'000 Uhren herstellt und einen Umsatz von rund 100 Millionen Franken erzielt.
«Die Verkäufe sind regional breit abgestützt, und Terreni, der CEO, hat eine ausgezeichnete Erfolgsbilanz, gute Beziehungen und grosse Ambitionen für die Marke», so Bertschy. Parmigiani hat «alle Zutaten für eine erfolgreiche Geschichte, insbesondere mit seiner Legitimität in der Uhrmacherei», fügte der Analyst hinzu.
Die Marke wurde vor etwa einem Vierteljahrhundert von Michel Parmigiani gegründet, einem Schweizer Uhrmacher, der als Meisterrestaurator wertvoller antiker Zeitmesser bekannt wurde.
Mit finanzieller Unterstützung der Stiftung lancierte Parmigiani seine Marke im Jahr 1996. Sie produzierte Uhren und gründete ein Zentrum von Zulieferern und Komponentenherstellern, darunter die Vaucher Manufacture, die Uhrwerke für andere Marken sowie für Parmigiani Fleurier herstellt.
Von Anfang an hatte die Marke mehr Substanz als viele Konkurrenten, so Roger Ruegger, Chefredakteur von WatchTime.
«Mit Terreni ist Parmigiani Fleurier endlich konsequenter und vielleicht auch disziplinierter in der Hervorhebung seiner ästhetischen und funktionalen Codes geworden, was diese Marke viel erkennbarer und letztlich begehrenswerter macht», so Ruegger.
Neue Interpretationen sind am Puls der Zeit
Auf der Watches and Wonders 2022 erregte die von Terreni umgestaltete Marke die Aufmerksamkeit der Uhrenwelt. Die 27'000 Franken teure Tonda PF GMT Rattrapante, eine originelle Interpretation der Komplikation, die eine zweite Zeitzone anzeigt, wurde von Uhrenliebhabern und der Presse gleichermassen gelobt.
Auf der diesjährigen Messe stellte die Marke die Tonda PF Minute Rattrapante vor, eine Uhr, die eine Komplikation im Uhrwerk und einen Zeiger auf dem Zifferblatt als Minutenzähler nutzt. Dies steht im Gegensatz zu der traditionellen Methode, bei der die Zeit für Tätigkeiten wie das Kochen von Nudeln mit einer Zeitskala auf einer drehbaren Lünette gemessen wird.
Terreni hat die Zahl der Einzelhändler, die die Marke verkaufen, seit seinem Amtsantritt um 65 Prozent gesenkt. Das hilft der wiederbelebten Marke, sich auf dem boomenden Schweizer Luxusuhrenmarkt von den grösseren Konkurrenten abzuheben, die seiner Meinung nach alle verschiedene Versionen ähnlich gestalteter Zeitmesser herstellen.
«Es ist eine Frage des Stils, eine Frage des Prestiges und eine Frage der Einzigartigkeit des Angebots», so Terreni. «Wir haben ein Publikum angesprochen, das sehr sachkundig ist und nach Dingen sucht, die nicht zum Mainstream gehören.»
(bloomberg/rul)