Patek Philippe – die tun was. Diese Feststellung gilt nicht nur für das breite Spektrum an eigenen Uhrwerken, welches inzwischen auch Chronographen mit automatischem und manuellem Aufzug umfasst, sondern auch für Basistechnologien, zu denen bei mechanischen Zeitmessern zweifellos das unverzichtbare Schwing- und Hemmungssystem gehört. In den zurückliegenden Jahren seit 2005 hat die Forschungs- und Entwicklungsabteilung der Genfer Manufaktur speziell auf den Gebieten Zuverlässigkeit, Langzeitstabilität, Energieökonomie und Präzision Erstaunliches geleistet. Das betrifft zum einen die Geometrie und Ausformung besagter Baugruppen, anderseits aber auch die Materialwahl.
Über Jahrzehnte hinweg schien es nichts Besseres zu geben als die Verwendung von Glucydur für die Unruh (vorgestellt 1935), Nivarox für die Unruhspirale (Lancement 1933, siehe Seite 35), Stahl für den Anker sowie synthetische Rubine für die Ankerpaletten. Epilamisiertes Öl minderte die Reibung in der Hemmung.
Leichtes Chassis aus Silinvar
2005 sorgte bei Patek Philippe erstmals ein Werkstoff für Aufsehen, den man sonst nur aus der Elektronikbranche kannte: Silizium. In Kooperation mit der Universität Neuenburg, mit Konkurrent Rolex sowie mit der Swatch Group wurde dies zu Silinvar, also invariablem Silizium, weiterentwickelt. Beim daraus gefertigten Ankerrad gehörte das Schmieren der Vergangenheit an.
Ein Jahr später folgte die Spiromax-Flachspirale aus Silinvar, deren spezifische Formgebung das konzentrische Atmen einer Unruhspirale mit hochgebogener Endkurve erreichte. Die Folge: Eine deutliche Verbesserung des Isochronismus oder – besser verständlich – der Gleichförmigkeit der Unruhschwingungen. Die Pulsomax-Hemmung, ebenfalls aus Silinvar, brachte 2008 eine deutlich effizientere Kraftübertragung. Dank ausgeklügelter Geometrie mit gross dimensionierten und individuell geformten Ankerpaletten liegt die Energieübertragung vom Räderwerk zur Unruh 15 bis 20 Prozent über jener der klassischen Schweizer Ankerhemmung. Beim Anker handelt es sich um ein Monoblock-Gebilde ohne eingelackte Rubinpaletten. Die Integration der Paletten machte die Justage der Eingriffstiefe ins Ankerrad entbehrlich.
Moderne Fertigungsmethoden namens DRIE (Deep Reaction Ion Etching) machen es möglich, jeder der beiden Paletten zur Maximierung des Energieflusses eine optimale Form zu verleihen.
Die zweite Pulsomax-Innovation bezieht sich ebenfalls auf die Ankerpaletten. Die klassische Schweizer Ankerhemmung verlangt nach Begrenzungen für die Winkelbewegung des Ankers. Pulsomax kommt völlig ohne selbige aus, denn der Anker steckt sich seine Grenzen allein durch die Form der Paletten mit zusätzlicher Funktionsfläche.
Die dritte technische Innovation gilt der Funktion des zwischen der hinteren Ankergabel befestigten Sicherheitsstifts. Dank DRIE übernimmt diese Aufgabe eine kleine, auf einer zweiten Horizontalebene angebrachte Brücke zwischen den Gabelenden des Ankers. Zur Steigerung des Wirkungsgrads hat das Team um Jean-Pierre Musy die integrierten Ankerpaletten vergrössert. Das wiederum bedingte zwangsläufig eine modifizierte Gestalt des Silinvar-Ankerrads. Die Zahl der Zähne reduzierte sich von 20 auf 16.
Der Tradition von 1949 treu geblieben
Keine Veränderungen gab es bei der Unruh selbst. Hier blieb Patek Philippe der bereits 1949 angedachten Glucydur-Unruh mit variablem Trägheitsmoment treu. Vorerst jedenfalls. Damals hatten Techniker im Hause Patek erkannt, dass die Eliminierung der radial eingesetzten Masse- und Regulierschrauben bei herkömmlichen Glucydur-Unruhen eine Vergrösserung des Radius, damit eine Steigerung ihres Trägheitsmoments bei annähernd gleichem Gewicht und in letzter Konsequenz bessere Gangleistungen nach sich ziehen würde. Die 1951 patentierte Gyromax-Unruh hielt über die Jahrzehnte hinweg, was sich die Erfinder von ihr versprochen hatten.
Aber bekanntlich ist das Bessere immer des Guten feind. So auch im Falle von Patek Philippe. Die neueste Unruh-Kreation nennt sich GyromaxSi. Ihr Name ist Botschaft, denn das Œuvre vereinigt die altbekannten und -bewährten Gyromax-Vorzüge mit den unbestreitbaren Vorteilen von Silinvar. Hinzu gesellt sich aus Massegründen auch noch massives Gold.
In diesem Zusammenhang hiess es bei Patek Philippe zunächst einmal Abschied nehmen vom üblichen kreisförmigen Unruh-Gebilde. Dieser Schritt resultiert aus der Tatsache, dass eine Unruh klar definierte Eigenschaften besitzen muss. Dazu gehört ein möglichst geringes Gesamtgewicht bei gleichzeitig aber hohem Trägheitsmoment. Diesem scheinbaren Widerspruch begegnet das Überlieferte durch den sattsam bekannten Reif, welchen Speichen mit der «Nabe» verbinden. Trotz insgesamt günstiger Charakteristika dürfen die Reibungswiderstände nicht aus den Augen verloren werden. Beispielsweise sind rund 60 Prozent der Energieverluste bei oszillierenden Unruhen dem Luftwiderstand geschuldet.
Ein Bündel von Erkenntnissen rund um die Unruh forderte die Patek-Philippe-Ingenieure heraus. Bei dem, was 2011 als GyromaxSi debütierte, wurde möglichst viel Masse an die Unruh-Peripherie verlagert. Und zwar durch eine extrem leichte, aber doch feste Struktur aus Silinvar mit Goldkörpern an beiden Enden. Die verglichen mit herkömmlichen Materialien 3,6-mal geringere Dichte von Silinvar reduziert die Masse an der Welle um fast zwei Drittel. Hinzu gesellen sich eine hohe Homogenität bei der Massenverteilung, Korrosionsbeständigkeit und die Resistenz gegenüber magnetischen Einflüssen.
Den Luftwiderstand vermindert
Durch die Befüllung kleiner Wannen an der Unruh-Peripherie mit 24-karätigem Gold kann Patek das Volumen deutlich reduzieren. Das wiederum mindert den Luftwiderstand ganz erheblich. Dynamische Messungen bescheinigen der GyromaxSi einen Energiegewinn in der Grössenordnung von mehr als 20 Prozent. Natürlich muss sich auch eine neuartige Unruh wie diese regulieren lassen. Patek hat die kleinen Masselots zur Veränderung des Trägheitsmoments aerodynamisch günstig neben den Goldkörpern positioniert. Ganz nebenbei haben die Techniker und Ingenieure zwischenzeitlich auch die Pulsomax-Hemmung weiter optimiert.
Die Summe aller Bemühungen zeigt sich im Mikrorotor-Kaliber 240, welches die limitierte Referenz 5550P mit Ewigem Kalender beseelt. Die Ausstattung mit einem Silinvar-Assortiment lässt die Gangautonomie von bislang 48 auf bis zu 70 Stunden steigen.
Dass der neue Werkstoff allen Unkenrufen zum Trotz eine grosse Zukunft vor sich hat, zeigt sich an der zunehmenden Verwendung in gängigen Patek-Philippe-Kalibern. Seit fast einem Jahr findet sich Spiromax in nahezu allen Kalibern 324 und CH 28-520 PS. 215 und 240 werden nach und nach folgen. Und die neue Pulsomax-Hemmung stellt ihre herausragenden Eigenschaften im Kaliber R CH 27 PS QI unter Beweis. Dieses wiederum findet sich in der Referenz 5208 mit Schleppzeiger-Chronograph, Ewigem Kalender, dessen Indikationen allesamt pünktlich um Mitternacht springen, und wohlklingender Minutenrepetition. Wie für jede bisherige Patek-Philippe-Advanced-Research-Innovation wird es auch bei der GyromaxSi-Unruh eine Uhr in limitierter Auflage geben: Die Patek Philippe Advanced Research Referenz 5550P, mit der die Implementierung der neuen Komponenten in die Patek-Philippe-Kollektion vorbereitet und geprüft wird.
Oscillomax: Drei Komponenten, aber ein System
Führungsposition
Mit Spiromax, Pulsomax und GyromaxSi konnten die für die Ganggenauigkeit der Uhr verantwortlichen Komponenten weiter perfektioniert werden. Damit eröffnet sich ein neues Zeitalter, in dem die Uhrmacherkunst noch mehr Präzision erzielt, ohne ihre traditionellen Kunstfertigkeiten zu vernachlässigen. Patek Philippe ist stolz auf ihre Führungsposition auf diesem Gebiet, die ihre Zeitmesser noch zuverlässiger macht. Weil Spiromax, Pulsomax und GyromaxSi zwar zusammenarbeiten, aber eigentlich unabhängige Komponenten sind, hat Patek ihr Zusammenspiel unter dem Begriff Oscillomax zusammengefasst. Eine Uhr mit Oscillomax verfügt also über Spiromax-Spirale, Pulsomax-Hemmung und GyromaxSi-Unruh.