Die Aussichten für den Secondhandmarkt von Luxusuhren sind rosig. Ein Bericht von Deloitte geht davon aus, dass der Markt für Zeitmesser aus Vorbesitz bis 2030 auf 30 Milliarden Dollar zulegen wird. Noch deutlich optimistischer ist Luxeconsult. Das Schweizer Analyse- und Beratungsunternehmen im Luxusgüterbereich prognostiziert einen Anstieg des Gesamtumsatzes auf 79 Milliarden bis 2033 – mehr als eine Verdreifachung des letztjährigen Erlöses von 25 Milliarden Euro.
Den Boom vorantreiben wird der Online-Handel, der während der Pandemie im Luxusbereich eine Renaissance erlebte. Aber: Als die Nachfrage gerade für beliebte Modelle von Rolex, Patek Philippe und Audemars Piguet in die Höhe schoss, standen die drei Topmarken vor einem Problem. Aufgrund der begrenzten Produktionsmöglichkeiten ging die bereits vorher bestehende Kluft zwischen Angebot und Nachfrage noch weiter auf, was zu jahrelangen Wartelisten und dadurch auch zu unzufriedenen Kundinnen und Kunden führte.
Also wandte sich ein Teil der Käuferschaft dem Sekundärmarkt zu, wo Verkäuferinnen und Händler für die begehrtesten Uhrenmodelle Preise verlangen konnten, die über jenen des Einzelhandels lagen. Die Folge: Die Preise explodierten. Im Frühling 2022 waren Zeitmesser auf dem Sekundärmarkt im Schnitt mehr als doppelt so teuer als noch zwei Jahre zuvor, wie aus dem Preisindex von Watchcharts hervorgeht, der 60 Uhren der zehn wichtigsten Marken nach Transaktionswert umfasst.
Gesamtmarktpreise fallen wegen der drei Grossen
Dann aber kam die Wende. Mitte März des letzten Jahres begannen die Preise für Secondhanduhren plötzlich zu fallen – und tun das bis heute. In diesen rund 15 Monaten seit dem Höchststand hat der Watchcharts-Index über 30 Prozent an Wert eingebüsst. Aktuell ist er so tief wie zuletzt vor rund zwei Jahren.
Die anhaltende Trendwende ist hauptsächlich auf die fallenden Preise bei den drei grössten Brands des Secondhandmarkts zurückzuführen: Rolex, Patek Philippe und Audemars Piguet. Der Watchcharts-Index für den Branchenkönig mit der goldenen Krone hat seit dem Höchststand im April 2022 über 26 Prozent eingebüsst. Jener für Patek hat ebenfalls mehr als einen Viertel des einstigen Höchstwerts verloren, und bei AP beträgt der Einbruch über 23 Prozent.
Ergriffen hat die Abwärtsspirale aber fast alle Brands aus dem Luxussegment und der mittleren Preisklasse, jedenfalls einen Grossteil davon. Die Preise für die allermeisten Marken tendieren ab- oder bestenfalls seitwärts. Nur bei neun von Watchcharts erfassten Marken, deren Modelle auf dem Zweitmarkt im Schnitt mehr als 1000 Dollar wert sind, haben die Preise in den letzten zwölf Monaten zugelegt – meistens im tiefen einstelligen Bereich.
Ein Rolex-Modell alleine stoppte den Abwärtstrend – vorübergehend
Zu einem temporären Wiederanstieg kam es im letzten Frühling. Dieser ist gleichzeitig auch ein Nachweis für die Sonderstellung von Rolex im Markt, der – bei aller Dominanz der Krone – doch umfassender ist als die Genfer Marke allein. So ist der zwischenzeitliche Aufwärtstrend vor allem auf den Hype um Rolex vor und während der Genfer Uhrenmesse Watches and Wonders zurückzuführen – ja, das Plus hängt sogar fast ausschliesslich mit bloss einem wichtigen Modell der Marke zusammen.
Rolex-Chef Jean-Frédéric Dufour hat an der von ihm präsidierten Messe Ende März verkündet, dass die Produktion der goldenen Daytona mit grünem Zifferblatt, die nach dem bekannten amerikanischen Sänger auf den Spitznamen John Mayer hört, eingestellt wird. In der Folge kletterten die Preise auf dem Zweitmarkt für diese spezifische Uhr um rund 12 Prozent in die Höhe. Als sich der Wirbel um die Daytona John Mayer allmählich verflüchtigte, setzte sich der Abwärtstrend im Preisindex fort. Inzwischen sind die Zugewinne im Frühling bereits wieder zunichtegemacht worden.
Auslöser des Abschwungs war die getrübte Wirtschaftsentwicklung. Der letztjährige Zusammenbruch von Kryptowährungen hat zu einer Uhrenschwemme auf dem Zweitmarkt geführt. Die Kryptomillionäre, die in den Jahren vor 2022 wie Pilze aus dem Boden schossen und sich gerne mit Luxusaccessoires am Handgelenk schmückten, haben wegen des Preiszerfalls der Cyberdevisen ihre Felle davonschwimmen sehen. Also haben sie ihre Sammlerstücke reihenweise auf dem Markt verhökert. Das grössere Angebot drückt nun auf die Preise. Rezessionsängste und die Inflationssorgen verstärkten diesen Trend und beeinträchtigten den Wert der Uhren ebenfalls.
Ein Ende des Abwärtstrends ist zumindest kurzfristig nicht absehbar. Bei den drei grossen Playern zeigen die Kurven der Preisindexe weiter nach unten. Es herrscht aber durchaus Zuversicht in der Branche, dass die Talsohle bald erreicht sein könnte. So befand AP-CEO François-Henry Bennahmias bereits im April: «Ich glaube nicht, dass die Preise noch viel weiter sinken werden.» Seine Hoffnungen ruhen unter anderem auch auf den jüngeren Uhren-Aficionados.
Während der Pandemie entdeckten viele Millennials und Angehörige der Generation Z die Sammleruhren für sich – angetrieben durch ihre Idole aus der Musik- und Sportwelt, die auf Social Media gerne mit ihren Prunkuhren angeben. Diese Entwicklung zeigte sich auch an der letzten Watches and Wonders. Ein Viertel der immerhin 70 Franken teuren Eintrittskarten für die Genfer Uhrenmesse ging an Menschen, die jünger als 25 Jahre alt sind.
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