Schweizer Mode, entworfen von jungen, viel versprechenden Designern, hat es kommerziell schwer in diesem Land. Die Schweiz, in der eine beachtliche Modeszene im Kleinen existiert, hat sich bisher auf dem internationalen Parkett keinen Namen als Cluster der verkaufbaren Kreativität machen können.
Dies passt drei Köpfen aus Zürich nicht. Sie legen sich quer. Christian Reymond (36), Rolf Nungesser (31) und Mirjam Schobert (24) sind Quer – Quer-Design. Sie sind Netzwerker, Medienbeauftragte und Go-Betweens zwischen Designern und Retailer in einem. Und mit ihrer neusten Firma, Real Time Society, treiben sie ihr vor acht Jahren umgesetztes Konzept weiter. Sie branden Schweizer Mode und bringen sie so an den Platz, der ihr gebührt: weg aus der bestaunten und manchmal belächelten Hobby-Ecke des Absonderlichen ins gut gelegene und viel frequentierte Verkaufslokal.
Real Time Society hat sich auf 35 Quadratmetern in der Damenabteilung von Globus an der Zürcher Bahnhofstrasse breit gemacht. Seit dem 1. März dieses Jahres werden unter diesem Label feine Stoffe, witziges Design und praktische Bekleidung feilgeboten. Globus erhofft sich davon den Effekt, dass vermehrt junges und avantgardistisches Publikum herbeiströmen möge. Die Rechnung scheint aufzugehen.
Zu bestaunen (und zu kaufen) sind Stücke von Daniel Herman, der im Jahr 2000 den Swiss Textil Award an der «Gwand» gewonnen und danach mit John Galliano gearbeitet hat. Daneben sind die raffinierten Schnitttechniken von Tran Hin Phu aus Basel zu bewundern, der den Award ein Jahr nach Herman zugesprochen erhielt und heute in Japan und in Paris auftritt. Mit dabei sind Redroom (Sarah Kriesi und Peter Heuss aus Zürich). Das Duo experimentiert mit Farbmischungen und verschiedenen Materialien. Dem Vintage-Stil verschrieben hat sich die Gewinnerin des Credit Suisse Prix Bolero 2003, Lela Scherrer. Dann wären da noch Heinrich Brambilla (hinter dem Namen versteckt sich Heiner Wiedemann), der edle Stoffe opulent verarbeitet, und Nuit Blanche (Chyoung und Harald Péclat aus Lausanne).
Nachdem sich Zürich gut angelassen hat, expandiert die Real Time Society weiter, will sie sich doch mit ihrem Namen im Jetzt und nicht im futuristischen Irgendwann positionieren. Eben hat sie im Genfer Globus ihre zweite Niederlassung eingerichtet. Folgen sollen – ebenfalls bei Globus – noch innerhalb eines Jahres Filialen in Basel und Bern. Zudem reist das Quer-Team mit den Designerstücken an die Modeschauen in Berlin und Paris und markiert dort für die Designteams unter dem Label «Real Time Society» Präsenz. Das macht Sinn, denn den in Paris von den Schaustellern verlangten Quadratmeterpreis von 500 Euro vermag ein aufstrebender Schweizer Designer allein in der Regel nicht zu refinanzieren.
Vor allem der Auftritt in Paris am 7. Oktober hielt Christian Reymond und Rolf Nungesser wochenlang in Trab. Im zugemieteten Industrieraum an der Hardturmstrasse, wo Quer zu Hause ist, ging es hoch her: der Romand Christian Reymond ständig am Handy, der Schaffhauser Rolf Nungesser am Computer, ebenso die Mitarbeiterin Mirjam Schobert. Tausend Details galt es zu erledigen. Dazwischen sagte Reymond zum Besucher Sätze wie diese: «Für uns ist es ein Anliegen, für die Designer persönlich zu arbeiten, deren Arbeit uns gefällt. Wir wollen nicht einfach nur die Marke kapern.» Oder: «Viele Schweizer Designer haben ein Problem mit ihrer Einstellung. Die Mode ist keine Traumwelt – sie ist Business.»
Christian Reymond sagt es auf die Gefahr hin, dass seine Worte in den falschen Hals geraten könnten. Vor allem jenen Designern, die Quer zwar sondiert und auf kommerzielle Verwertbarkeit getestet, aber am Ende abgelehnt hat. Reymond verrät lediglich seine keineswegs selbstlose Überzeugung: dass nämlich die Vielzahl der Schweizer Designer bis anhin vor allem im Bereich der (Selbst-)Vermarktung ein Problem habe und dies leicht zu ändern wäre. Mit einem Pool nämlich. Mit Quer. Mit Real Time Society.
Diesen Gedanken stützen offenbar auch Institutionen, die in der Schweiz das Modeschaffen fördern: Das Bundesamt für Kultur subventioniert das Trio an der Hardturmstrasse. Ebenso halten es der Textilverband und einige Unternehmen, etwa das Versandhaus La Redoute, mit dem Quer bereits seit einigen Jahren zusammenarbeitet. Auch PKZ macht mit dem Retailer Blue Dog mit, der sich für seine Verkaufsstücke unter dem Namen «Swiss Design» in erster Linie bei Quer eindeckt. Warum dort? Reymond liefert charmant und selbstbewusst die Antwort: «Bei uns trifft man auf die im Moment besten Schweizer Designer.»