Amazon ist der weltgrösste Online-Händler, relevanter Serienproduzent und hartnäckiger Drohnen-Forscher. Mit seinem wuchernden Imperium hat Gründer Jeff Bezos es zeitweise zum reichsten Mann der Welt geschafft. Und während der Konzernchef die Milliarden scheffelt, nimmt er die Welt der Reichen auch professionell in den Blick: Amazon hat Ambitionen als Finanzdienstleister.
Erste Dienste wurden in den USA bereits 2016 lanciert, mit denen Kunden Marktinformationen und Kontodaten abfragen können. Dabei soll vor allem der Sprachassistent Alexa zum Zuge kommen – hier hat die UBS Mitte September ein Pilotprojekt über drei Monate abgeschlossen. Mit dem Tool «Ask UBS» konnten Testkunden Bankinformationen per Sprachbefehl abfragen. Auch die Credit Suisse hält ähnliche Kooperationen für denkbar, wie sie für die Bank mit Fintechs bereits Praxis sind.
Transaktionen per Alexa denkbar
Und der Gedanke liegt nahe, denn die Tech-Riesen geniessen hohes Vertrauen bei Wohlhabenden. In einer Umfrage unter Millionären für den Weltvermögensreport von Capgemini sagten 56 Prozent der Reichen, dass sie eine Geldanlage bei einer der grossen Tech-Firmen erwägen würden, sollte diese solche Dienstleistungen anbieten.
Für Amazon sind solche Schritte näher gerückt, aber noch nicht greifbar. Seit Anfang September haben Kunden in Deutschland über Alexa Zugriff auf das eigene Depot beim digitalen Vermögensverwalter VisualVest. Transaktionen sind noch nicht möglich. Auch die UBS hat sich in der Pilotphase zunächst gegen die Möglichkeit von Käufen und Verkäufen per Sprachbefehl entschieden.
«Unsere Befragung hat ergeben, dass das kaum jemand ausschliesslich über Sprache machen möchte», sagt UBS-Projektleiter Matthias Koller gegenüber dem «Handelsblatt». «Den meisten Befragten ist eine Sichtprüfung wichtig. Bevor eine Order oder eine Transaktion rausgeht, möchten sie nochmal draufschauen.» In diesem Zusammenhang könne aber der zwischenzeitlich von Amazon eingeführte Echo mit Touch-Display interessant werden.
Vertrauen in Amazon, Apple und Co.
Die Zusammenarbeit zwischen Tech-Riesen und Schweizer Banken habe durchaus Sinn, sagt Fintech-Experte Andreas Dietrich von der Hochschule Luzern. Wichtig sei allerdings, dass die Grundlage stimme. Denn die Kooperation birgt für die Finanzhäuser Risiken. «Konsumenten erwarten in der Zukunft das gleiche digitale Erlebnis von ihren Bankangelegenheiten, wie sie es von E-Shopping oder sozialen Netzwerken tun», sagte Jesse McWater, Fintech-Experte beim WEF, kürzlich im Interview mit handelszeitung.ch. «Technologie und Daten werden systemisch wichtig. Auf diesem Feld haben die grossen Tech-Firmen klare Vorteile, selbst wenn Finanzinstitute ihre Erfahrungen sammeln. Das Risiko wächst deshalb, dass Banken mehr und mehr abhängig werden von den grossen Tech-Firmen.»
Ein weiterer Vorteil, den Amazon, Google, Apple und Co. gegenüber Fintechs und aufstrebenden Robo-Advisern haben: Ihre Omnipräsenz gewährleistet, dass ihnen auch als Neulinge in einer Sparte viel zugetraut wird.
Wunsch nach menschlicher Interaktion
Von einer Vermögensverwaltung durch Tech-Riesen würden Vermögende laut Capgemini-Bericht mehrheitlich effiziente, komfortable Dienstleistungen erwarten, die innovative Lösungen bieten. Die potenziellen Nutzer erwarten also ausgereifte Lösungen vom Start an.
Allerdings gibt es auch einige Punkte, die den Befragten Sorgen bereiten. Zum einen der Umgang mit den persönlichen Daten. Und fast der Hälfte (45 Prozent) widerstrebt der Gedanke an eine rein digitale Vermögensverwaltung ohne menschliche Interaktion. «Das Fehlen menschlichen Kontakts könnte eine grosse Schwierigkeit für die grossen Tech-Unternehmen werden», so die Einschätzung von Capgemini. «Hier haben die traditionellen Vermögensverwalter einen klaren Vorteil.»
Ergänzung statt Ersatz
Das sieht auch Fintech-Experte Dietrich so: «Im Kerngeschäft des Wealth Management zählen nach wie vor die Kompetenzen der Kundenberater und ihre Beziehungen zu den Klienten.» Er sieht darum auch international mehr Möglichkeiten für Finanzdienste von Amazon und Co. als hierzulande. «Die entsprechenden Dienste hätten zwar auch in der Schweiz ein Potenzial bei jungen, tech-affinen Vermögenden, werden aber nicht die Masse der Kunden begeistern können.»
So siedelt auch die UBS das neue Alexa-Tool an, das ein genaues Datum der Lancierung für den freien Markt noch nicht bekannt ist. «Der Pilot zeigte sehr deutlich, dass «Ask UBS» als Ergänzung gesehen und geschätzt wird», sagt Projektleiter Koller. Ein Ersatz sei das Tool aber nicht.
Wie die Reichen in der Schweiz residieren, sehen Sie im Video: