Viele Menschen denken in Klischees über die Reichen. Sie denken, dass wir uns im Maybach herumchauffieren lassen, dass wir konsumieren wie verrückt und damit auch noch protzen. Dass reiche Menschen schuld daran sind, dass andere arm sind.
Glauben Sie mir: Alles ist anders. Bei mir jedenfalls.
Bei mir gilt: Reichtum und Geld machen allein nicht glücklich. Mich beispielsweise macht glücklich, wissen zu dürfen, dass ich alles kaufen kann, wenn ich es denn nur möchte. Aber ich kaufe nicht alles. Ich weiss, dass meine Familie und ich privilegiert sind, und ich lasse es dabei bewenden. Das ist mein Reichtum – und das Wissen darum bedeutet sicherlich auch, Macht zu haben. Hingegen ist es falsch, deswegen zu behaupten, Geld sei gleich Macht. Auch das ist ein Klischee. Ich fühle mich nicht mächtiger als damals, vor der Zeit des Reichseins.»
Konsum, Werte, Neid
«Gut, ich bin heute reich. Ich besitze einige Hundert Millionen Franken. Vielleicht mehr, vielleicht weniger. Wenn ich einkaufen gehe und ein Preisschild studiere, überlege ich mir nicht, dass dies eine grosse Zahl ist. Ich stelle mir eher die Frage: Erhalte ich einen Gegenwert, der akzeptabel ist?
Es gibt Leute, die kennen den Preis von allem und den Wert von nichts. So einer bin ich nicht. Ich versuche mich auf die Werte zu konzentrieren. Nicht der Preis, sondern der Wert, den ich erhalte, interessiert mich am meisten. Das habe ich schon als kleiner Junge zu Hause gelernt. Wir hatten in den Küchenschränken Dosen und Tüten aus der Migros. Überall waren Aktionsaufkleber drauf. Bei uns wurde auf das Geld geschaut. Es gab kein Hausmädchen, keine Bedienstete. Das kenne ich auch heute nicht.
Ich lernte in meiner Jugend, die Dinge zu hinterfragen. Ich erinnere mich, dass es immer einen oder zwei in der Nachbarschaft gab, die mehr Sackgeld zur Verfügung hatten als ich. Das zwang mich zum Verzicht und spornte mich gleichzeitig an. Vielleicht war das einer der Gründe dafür, dass ich mich in meinen Teenagerjahren irgendwann auf das Reichwerden zu fokussieren begann. Ich wollte reich werden. Ich wollte reisen, essen, wohnen können, wie, was und wo ich gerade wollte.
Heute weiss ich, dass dieser Freiheitsgrad in der Schweiz wahrscheinlich mit einem Vermögen zwischen 10 und 20 Millionen Franken optimal erreicht wird. In dieser Grösse ist das Vermögen noch nicht so umfangreich, dass nur schon das Verwalten desselben zu einem Beruf wird. So gesehen, sind die Leute, die in der Reichstenliste der BILANZ auftreten, zu reich. Sie besitzen offenbar alle mehr als hundert Millionen Franken und haben echt viel zu tun mit ihrem und für ihr Vermögen.
Warum man aber trotzdem immer reicher werden möchte? Weil das Reicherwerden irgendwann einmal zu einer Art Selbstbestätigung führt. Ich werde reicher, also bin ich, könnte man sagen. Man will einfach immer noch ein wenig zulegen. Das ist normal. Ungesund wird es, wenn die Gier überhand nimmt. Neid kann da als verhängnisvoller Katalysator wirken.
Es mag Sie erstaunen, aber Neid gibt es auch unter reichen Menschen. Ich sage es ehrlich: Ich verspüre einen leisen Neid, wenn ich Michael Dell anschaue. Er hat als Unternehmer eine unglaubliche Leistung erbracht. Für seine Fähigkeiten beneide ich ihn, aber nicht für die Summe seines materiellen Vermögens.»
Luxus, Disziplin
«Wo endet der Konsum, und wo beginnt der Luxus? Es gibt sicher Leute, die diese Güter wie Drogen konsumieren. Ich brauche das nicht. Weshalb soll ich eine Louis-Vuitton-Tasche erwerben, die 5000 Franken kostet? Es gibt gute Taschen für 1000 Franken, für 500 Franken, für 35 Franken. Irgendwann ist auf einer Kurve der Punkt erreicht, von dem an der Preiswert nicht mehr optimal ist. Für mich liegt der optimale Punkt nie im Luxusbereich.
Das heisst natürlich nicht, dass ich meine Familie und mich nicht verwöhne. Ich schenke meiner Frau Blumen. Zum Geburtstag gibt es auch einen Ring. Der kostet dann 10 000 oder 20 000 Franken.
Auch dann schaue ich auf den Preis. Meine Nutzwertrechnung beginnt aber nicht ab einer fixen Preissumme. Es kann durchaus sein, dass ich in einem Restaurant auf ein Dessert verzichte, weil die 18 Franken für eine Kugel Glace mir einfach unrealistisch erscheinen. Abriss will ich nicht unterstützen. Ich bin aber bereit, mehr für dieses Dessert zu bezahlen, wenn es besondere Handwerks- oder Kochkunst bietet.
Im Restaurant habe ich Mühe, für einen Rotwein mehr als 300 Franken zu bezahlen. Einfach weil ich weiss, dass dieser Wein nicht 300 Franken kostet, sondern vielleicht 100. Ich trinke zu Hause eher teureren Wein als im Restaurant.
Aber verstehen Sie mich nicht falsch: Luxus ist für mich an und für sich nichts Negatives. Ich kann nicht jeden Erwerb eines Dinges rational rechtfertigen. Das sind die Momente, in denen ich meine ewig ratternde Rechenmaschine im Kopf ausknipse. Das fällt mir zwar schwer, aber es geschieht manchmal. Wenn ich zum Beispiel in einem Privatjet fliege, dann stelle ich den Rechner ab. Dann muss ich abschalten, weil sich dieser Luxus nie rechnet.
Den Luxus eines Privatjets leiste ich mir ab und zu mit der Familie. Warum? Privat fliegen, das ist wirklich noch etwas, was unterscheidet. Das ist Luxus. Es ist praktisch und angenehm. Und unbescheiden. Es ist etwas, was andere nicht tun können. Es ist Luxus im privaten, intimen Kreis. Denn eines ist klar, ich zeige nicht gerne, dass es mir gut geht. Das ist mir zuwider. Es gibt Leute, die sich für zehn Millionen Franken ein Bild kaufen. Ich mache das nicht. Es ist etwas zutiefst Schweizerisches, etwas Anerzogenes, dass man den Reichtum nicht zeigt.
Ich würde mich nie in einem Rolls-Royce von einem Chauffeur herumkutschieren lassen. Ich habe noch nie einen Château Pétrus getrunken. Ich bin noch nie Ferrari gefahren.
Es tut mir Leid, dass ich Ihre Klischees zerstöre. Sie leben mit Bildern, die von den Luxusgüterherstellern entsprechend positioniert werden.
Mein Rechner im Kopf stört mich nicht. So bin ich schon immer gewesen. Ich habe immer schon kalkuliert. Es gibt sicherlich emotionaler getriebene Reiche als mich. Aber die allermeisten Reichen sind nicht emotionsgetriebene Menschen. Das hat einen einfachen Grund: Rationales Denken ist eine Basis für den Erfolg. Natürlich sind Gefühle nötig und gut. Man muss die Menschen gerne haben. Aber im Umgang mit Geld sind Emotionen gefährlich, denn Geld kann verleiten.
Geld ist Waffe, Werkzeug und Medikament in einem. Je nachdem, wie man es einsetzt, kann man damit heilen oder schaden. Auch sich selber. Deshalb braucht der Reiche Selbstdisziplin.
Deshalb und aus mindestens zwei weiteren Gründen: Erstens hat man plötzlich keine natürlichen Schranken mehr. Man kann das Geld missbrauchen, verspekulieren, verkonsumieren. Letztgenanntes ist zwar schwierig, aber möglich, wie schon etliche Beispiele gezeigt haben. Zweitens verlangt die Neidgenossenschaft nach Beschränkung.
In der Schweiz redet man immer darüber, dass die Leute zu viel verdienen, aber nie darüber, dass sie zu viel haben. Reichtum und Vermögen sind akzeptiert, Einkommen aber nicht. Geerbtes Vermögen hat einen höheren gesellschaftlichen Stellenwert als erarbeitetes Vermögen. In den USA kommt der Gründer als Selfmademan zu Ehren. In der Schweiz ist der Ruhm dem Erhalt und dem Konservieren des Vermögens gewiss und nicht der Innovation und dem Wachstum. Doch dabei geht vergessen, dass Reichtum immer das Resultat von Innovation, Problemlösen und Werteschaffen ist.
Selbstdisziplin benötigt der Reiche noch aus einem anderen Grund: Seit ich reich bin, habe ich Zeit. Reichtum hat mir den Luxus Zeit geschenkt. Ich kann sie mir nehmen, sie mir selber einteilen. Das birgt auch eine Gefahr. Man muss sehr vernünftig sein. Denn das Sprichwort ist wahr: Müssiggang ist aller Laster Anfang. Man kommt auf unsinnige Ideen, wenn man viel Zeit hat. Also ist Reichtum auch eine Art von Test. Ein Test der Selbstdisziplin.»
Ängste, Kinder, Erziehung
«Vermögend zu sein, hat viele positive Aspekte. Es ist schön, reich zu sein. Die Existenzängste schwinden. Es gibt keine Angst mehr vor nicht budgetierten Kosten, die eine ganze Familie gefährden können. Man wird frei. Als Unternehmer muss man zwar noch mit persönlichen Bankkrediten haften. Aber alles in allem ist es ein angenehmer Zustand.
Natürlich erwachsen aus dem Reichtum neue Risiken. Früher habe ich mir sicherlich mehr Sorgen gemacht. Heute sehe ich einfach nur Risiken. Zum Beispiel diese: Vielleicht kommt in zwanzig Jahren noch etwas bisher Ungeahntes auf uns zu. Hyperinflation, Geldentwertung, Totalverlust. Das sind die Risiken, die ich mit meinem Portefeuille abzufedern versuche.
Angst habe ich nur noch vor dem Zusammenbruch des Aufgebauten. Damit meine ich das Vermögen, die Familie, die Kinder, die Gesundheit. Aber netto-netto treten beim Reichsein an die Stelle von Aufwand, Verantwortung und Arbeit Wörter wie Freiheit und Sicherheit. Sicherlich tut Reichsein auch dem Selbstwertgefühl gut. Dieses aber darf nie nur mit dem Vermögen begründet werden. Ich will mich nicht bloss über meinen Reichtum definieren. Das ist eine schlechte Voraussetzung, erfolgreich zu sein. Dafür gibt es vor allem bei einigen vererbten Vermögen manche Beispiele. Man muss auch geistigen Reichtum haben. Ich will verstehen können, warum etwas gut ist.
Das möchte ich auch meinen Kindern weitergeben. Aber wie mache ich das? Das habe ich mich oft gefragt. Inzwischen sind sie erwachsen.
Rückblickend habe ich viel mit ihnen geredet. Ich wusste, dass sie sich eigentlich alles hätten leisten können. Aber ich wollte sie normal aufwachsen lassen. Also förderte ich ihren Leistungswillen. Sie sollten sich nicht über das Geld, sondern über die Leistung definieren. Meine Kinder mussten verstehen lernen, dass von nichts nichts kommt. Dass einem nichts geschenkt wird. Dass man arbeiten muss. Dass Geld ein Privileg ist und nicht ein Recht. Dass sie sich zusammen mit mir und allen anderen Menschen in diesem Land glücklich schätzen sollten, in dieser Zeit und an diesem Ort privilegiert leben zu dürfen. Dass ohne Leistungsbereitschaft die komfortable Position der Schweiz nicht zu halten ist.
Wichtiges Mittel im Lernprozess war das Sackgeld. Ich empfinde Kinder reicher Eltern als unsympathisch, die mit viel Geld um sich werfen, und ich finde es schade, wenn reiche Eltern dies zulassen. Es kann nicht sein, dass Kinder Geld haben und nicht wirklich wissen, woher es stammt.
Meine Kinder besuchten eine normale Volksschule. Meine Frau und ich hatten uns überlegt, sie an eine Privatschule zu schicken. Wir kamen zum Schluss, dass die öffentliche Schule ideal sei.
Die Kinder wussten immer, dass wir reich sind. Darüber reden wir und haben darüber geredet. Grundsätzlich war Reichtum ihnen stets egal, aber sie sagten früher immer: ‹Fahr mich bitte nicht mit dem teuren Auto in die Schule. Wir würden uns schämen.›
Das ist der Beweis für früh erkennbare soziale Unterschiede. Ich forderte von meinen Kindern immer, dass sie grundsätzlich lernen mussten, mit sozialen Unterschieden umzugehen. Sie durften nicht unter einer Käseglocke aufwachsen. Sie mussten verstehen lernen, was andere Menschen denken und dass sie womöglich anders denken. Es gibt beispielsweise Leute, die sagen, dass die Probleme existieren, weil es viele Arme gibt. Für andere sind die Reichen schuld. Wenn es keine Reichen gäbe, gäbe es keine Armen. In Russland und in China hat das nicht gut funktioniert.
Rückblickend konnten sich die Kinder sozial sehr gut integrieren. Sie wurden nicht oder nur wenig gehänselt. Ich musste nicht schlichten. Das ist sehr gut gelaufen. Ich bin mir aber nicht immer so sicher gewesen wie heute. Ich dachte immer viel darüber nach und hatte immer wieder den Verdacht, dass meine Kinder – die Kinder des Reichen – womöglich von den Lehrpersonen härter angefasst würden als die anderen.
Sie wundern sich vielleicht und fragen: warum? Ich bin überzeugt, dass wir in einem Verteilkampf stecken. In einem staatlichen System regiert das Gesetz, dass alle gleich seien. Das wird entsprechend angewendet und ist nicht immer zum Vorteil der Reichen. Ausserdem spielt immer der Neid mit. Als Reicher muss man also vorsichtig sein.
Für mich ist dieser Verteilkampf sicherlich der Hauptgrund, keinen Luxus zu zeigen. Ausserdem macht mir das Protzen keinen Spass. Warum soll ich mit einem neuen Maybach in der Bahnhofstrasse für 120 Franken falsch parkieren und die Busse lächelnd in die Tasche stecken?
Und wenn ich wirklich Lust auf eine solche Dummheit hätte und mein Rechner im Kopf ausstiege, würde mich meine engste Beraterin bremsen. Meine Frau hält mich stets auf dem Boden. Sie fragt mich zur rechten Zeit wieder mal: ‹Was machst du da für einen Seich? Spinnst du?› Sie ist mein Korrektiv.
Sie sehen: Reiche sind nicht anders als andere. Auch sie haben Probleme, nur andere.»