Ein reiner Sportwagen – also so ein knapp über dem Asphalt kauerndes, langgestrecktes Fahrzeug, wie es in drittklassigen Motorsportübertragungen auf Rennstrecken zu sehen ist – kann die meisten Alltagsaufgaben eines Autos nur unzulänglich leisten. Nach dem Grossmarkt-Einkauf werden Platzprobleme virulent und in einer vom SUV geprägten Welt fühlen sich Sportwagenfahrer an der Ampel buchstäblich eingekeilt.
Das sind nur die offensichtlichen Schwächen. In der Regel sind Sportwagen teuer bis sehr teuer, und zwar auch im Unterhalt. Überdies kann ein solches Fahrzeug seinen Eigner schlimmstenfalls unseriös bis geschmacklos wirken lassen, sollte dessen Auftreten nicht eine hunderprozentige Fahrzeugbeherrschung in jeder Lage nahelegen.
Schlechte Zahlen
Das alles mögen Gründe sein, die den Sportwagen derzeit nicht nur in den USA sondern auch in Europa und anderen Teilen der Welt an Bedeutung verlieren lassen. Der Absatz in diesem Fahrzeugsegment ist in den USA in den letzten sechs Quartalen gefallen, wie es vom Branchendienst Edmunds.com hiess, und alleine im abgelaufenen Jahr haben Premium-Sportwagen sogar rund ein Drittel Absatz eingebüsst – und zwar in einem insgesamt wachsenden Markt.
Der Trend beschleunigt sich sogar: Im ersten Quartal betrug das Minus in den USA 52 Prozent. In Deutschland wurden im März 5,2 Prozent weniger Sportwagen verkauft als im Jahr zuvor, wie das Kraftfahrt-Bundesamt mitteilte.
Sportwagen zum Untergang verdammt
«Ich glaube, dass sich die Haltung zum Autofahren wandelt – es geht immer weniger um das Fahren als solches, das lässt deutlich nach», sagt Erich Joachimsthaler von der Vivaldi Partners Group, die Autohersteller berät.
Der Sportwagen ist also als Fahrzeuggattung zum Aussterben verdammt. Am Ende werden wohlhabende ältere Herren, die auf ihre Umwelt wie Dinosaurier wirken werden, auf irgendwelchen privaten Rennstrecken nochmal die Reifen qualmen lassen. Alle anderen Verkehrsteilnehmer nehmen den Trend zum autonomen und gesitteten Fahren im klobigen Roboterauto dankbar an und nutzen die vollautomatische Fahrt zur Arbeit für den Check ihrer Mails. Der Tag wird wohl kommen, ist aber noch weit entfernt.
Drei Thesen zur Erklärung des Trends
Der steile Niedergang des Sportwagens lässt sich vornehmlich erklären durch merkwürdige Veränderungen der Verbraucherpsychologie, aber auch durch schlaue Manöver in den Vorstandsetagen der Hersteller. Hier drei Thesen, die das untermauern sollen.
1. Trend zu billigem Vergnügen
Der Ford Mustang ist im Moment sowohl in den USA als auch in Deutschland der meistverkaufte Sportwagen. Im letzten Jahr überzeugte der ungekrönte König der Ponycars 123'000 Käufer in den USA, das waren 48 Prozent mehr als 2015. In Deutschland wurden alleine im März laut dem Kraftfahrt-Bundesamt 780 Stück abgesetzt.
Das ist umso überraschender, da die Porsche-Fraktion den Mustang gar nicht als Sportwagen gelten lassen mag. Aber das alte Argument von Preis und Stallgeruch zieht nicht mehr. Auch bei Ford gibt es inzwischen zuverlässige Leistung im Überfluss: Der jüngste Mustang kann ebenso wie die Produkte aus Stuttgart mit Schaltpaddeln überzeugen und sein V8-Benziner leistet 435 PS, was für den Sprint von Null auf 100 Kilometer pro Stunde unter fünf Sekunden sorgt. Er ist damit schneller als die meisten Ferrari aus den 90er Jahren und kaum langsamer als ein aktueller Porsche Cayman.
Der neue Chevrolet Camaro ist bei den Daten sogar noch stärker und die grosse Ausbaustufe des dritten US-Herstellers, der Challenger Hellcat von der Chrysler-Marke Dodge, kommt gar auf 707 PS. Wer es leicht und agil bevorzugt, für den wäre der neue Mazda MX-5 gedacht, mit kaum mehr als 100 PS kein Porschekiller, aber ein begabter Kurvenkünstler. Masahiro Moro von Mazda North America zeigt sich als Realist, wenn er sagt, dass die Zahl jener Kunden, die das reine Fahren wirklich liebt, abnimmt: «Im Moment sind es vielleicht noch 10 Prozent. Als kleiner Hersteller mit 2 Prozent Marktanteil ist das für uns aber genug».
2. Der SUV-Hype
Wer den enormen Erfolg von SUV-Fahrzeugen und vergleichbaren Crossover-Konzepten in den USA als Grund für das Ende des Sportwagens ansieht, sollte einen Blick werfen auf den Verkaufserfolg des BMW X6. Letztlich handelt es sich um einen potenten Sportwagen, der ein wenig höher gelegt wurde. Deswegen fährt er nicht ganz so gut wie ein konventionelles Auto, und viel mehr als ein paar zusätzliche Einkaufstaschen passen auch nicht rein. Das hat seinem Erfolg nicht im Weg gestanden. BMW hat in den USA fast 8000 Stück verkauft, und damit wesentlich mehr als das vergleichbare Sportcoupe der 6er-Reihe.
«Der X6 war der erste, der sowohl SUV wie Sportwagen sein wollte», sagt Eric Lyman, von TrueCar. Das Auto habe den Weg bereitet. Inzwischen arbeiten alle bedeutenden Premiumhersteller an vergleichbaren Konzepten – einschliesslich Jaguar und Maserati. Erkennbar setzen diese Hersteller bei ihren neuen SUV auf das bestehende Sportwagenimage ihrer Marken. Der kleine Porsche-SUV Macan kommt auf dem Datenblatt auf Leistungen, die die Sportwagenikone 911 vor zehn Jahren erreichte. «Marken wie Porsche arbeiten daran, das Gefühl eines echten Sportwagens in die SUV-Welt zu übertragen», sagt Autoexperte Joachimsthaler.
3. Autobauer Tesla
«Langsame Auto bauen wir nicht», stellte Tesla-Gründer und CEO Elon Musk in der letzten Woche vor der Weltöffentlichkeit fest, als er mit dem Model 3 seine jüngste Kreation enthüllte. Autokritiker mögen an Tesla-Produkten einiges bemängeln – die typischen Fahreigenschaften zählen nicht dazu. Der Elektroantrieb bietet atemberaubende und unmittelbare Beschleunigung ohne Wartezeit auf die kontrollierte Verbrennung im Kolbenmotor. Und der dank Batterien im Fahrzeugboden zentrierte niedrige Schwerpunkt bildet traditionell eines der Hauptentwicklungsziele für gute Fahreigenschaften.
Gut für das Image der Hersteller
Sportliche Autos werden also schick bleiben und Leistung sich weiter verkaufen. Porsche wird wohl noch in Jahrzehnten den 911 anbieten, und er wird weiterhin für die meisten grundsätzlich zu teuer sein. Selbst bei weiter schrumpfendem Absatz werden Premiummarken nicht auf diese Fahrzeuge verzichten, die vor allem für das Image sorgen. Für Lyman von TrueCar hat das mit der Authentizität zu tun: «Das ist eine Gefühlssache», sagt er, «ich spreche mit vielen Leuten über Autos. Niemand fragt mich dabei, welcher SUV am meisten Zuladung bietet. Es geht den Leuten um Geschwindigkeit und Leistung».
Am Ende verengt es sich, wie so oft in der Autoindustrie, wieder auf die Begrifflichkeit. Wird das sportliche Auto nicht im engsten Sinne definiert, dann gibt es derzeit mehr davon als jemals zuvor. Sie sehen etwas anders aus als früher, kosten wesentlich weniger und fahren erheblich besser.
(bloomberg/jfr)