Mit dem Valser Turmprojekt wollen Sie eine Diskussion über das Bauen in den Bergen lancieren. Das ist gelungen. Aber warum braucht es eine neue Debatte?
Remo Stoffel*: Wir können nicht mehr so wie in den letzten 50 Jahren weitermachen. Der Tourismus in den Bergen ist in einer schweren Krise, das Kerngeschäft ging aus den Augen verloren: Wertschöpfung. Wir können die Leute in den Bergen heute kaum mehr beschäftigen. Ganze Talschaften entvölkern sich.
Der Tourismus sei tot, sagten Sie an der Pressekonferenz.
Richtig. Der Verkauf von Zweitwohnungen sollte einen Teil des Wohlstands garantieren – und das ging definitiv nicht auf. Der Hotellerie geht es heute wesentlich schlechter als 1960.
Und daraus schliessen Sie, dass der Tourismus tot ist?
Es gibt Studien, die sagen, dass über 70 Prozent der Betriebe nicht profitabel wirtschaften. Vieles ist zum Massengeschäft verkommen. Der letztlich ruinöse Wettbewerb hat die Verdienstmöglichkeiten für die Einheimischen zunichte gemacht.
Der neue Turm soll nun den Bergtourismus retten?
Es ist zumindest ein Ansatz, eine Vision für eine Hotelkultur, die neue Akzente setzt. Es handelt sich um einen Hotelneubau der Spitzenklasse – für eine Kundschaft, die hohe Ansprüche an Komfort und Vernetzung mit der internationalen Geschäftswelt stellt.
Das soll ja auch das Alleinstellungsmerkmal sein – nicht das Tal, nicht die Natur, nicht das Skigebiet.
Richtig. Das Hotel ist primär auf internationale Geschäftsleute ausgerichtet, die mit ihrer Familie reisen möchten. Dafür braucht es grosse Räume. Dieses Angebot gibt es leider nicht sehr oft. Ausserdem ist die Verkehrsanbindung entscheidend.
Verkehrstechnisch ist Vals aber nicht gerade optimal gelegen.
Mit dem Helikopter erreichen wir in einer halben Stunde einige spannende Destinationen. Am Abend kommen die Geschäftsleute dann wieder zurück.
Das Hotel soll also zum Schlafort werden?
Genau. Das Hotel soll ein Rückzugsort für internationale Geschäftsleute werden, die mit grossem Gepäck anreisen und von dort aus Ausflüge in die nahe Umgebung machen.
Und dafür möchten Sie 300 Millionen Franken Eigenkapital investieren?
Richtig. Ich sehe das Projekt als Chance.
Sie investieren kein Fremdkapital?
Nein. Ein Projekt mit dieser speziellen Ausrichtung muss man selbst stemmen. Andernfalls resultiert ein durchschnittliches Projekt. Und das wollen wir nicht.
Haben Sie überhaupt bei Investoren nachgefragt?
Nein. Das ist nicht das Ziel – und auch nicht der Wunsch. Wir wollen das alleine machen.
Sie waren einst ja auch Bankangestellter bei der UBS. Hand auf’s Herz: Würden Sie – als Bank – Geld in ihr Projekt stecken?
Ich kann nur für mich als Unternehmer sprechen. Ich habe mir das alles gut überlegt und bin überzeugt, dass dies der richtige Schritt ist. Deshalb machen wir das.
Der Zürcher Prime Tower hat 355 Millionen Franken gekostet. Mit seinen 126 Metern ist er im Vergleich zum geplanten 381-Meter-Turm ein Zwerg. Da drängt sich doch die Frage auf: Reichen 300 Millionen Franken für den Bau?
Die Höhe eines Turms ist ja nur ein Kostenfaktor. Wahrscheinlich ist der Grundriss des Prime Towers viel grösser, das Grundstück viel teurer. Ich kenne die Zürcher Zahlen nicht, aber ich kenne unsere Kalkulation. Und ich bin überzeugt, dass wir dieses Projekt realisieren können. Wir haben das Areal bereits gekauft und rund 50 Millionen in die bestehende Hotelanlage investiert.
Das heisst: Mit 300 Millionen Franken bauen Sie tatsächlich das grösste und schlankeste Hochhaus in ganz Europa?
Ich weiss nicht, was Sie mit dieser Frage bezwecken möchten. Wir sind nicht in einer Baukalkulationssitzung.
Ok, eine andere Frage: Rechnen Sie mit der Zustimmung der Bevölkerung?
Ich rechne fest mit der Zustimmung der Bevölkerung. Sonst hätte ich das Projekt nicht vorgestellt.
Die Kritiker sind aber zahlreich. Und laut.
Wissen Sie, es gibt immer zwei Gruppierungen: Die einen wollen den Zustand der vergangenen 100 Jahre konservieren, die anderen richten den Blick in die Zukunft und sagen: Wir wollen leben, wir wollen ein Einkommen haben.
Die kantonalen Behörden müssen dem Grossprojekt auch noch zustimmen. Sehen Sie da irgendwelche Hürden?
Ich rechne auch hier mit Zustimmung.
Warum war US-Star-Architekt Thom Mayne nicht an der Pressekonferenz?
Am Montagabend hat er in New York eine Pressekonferenz zu diesem Projekt gemacht. Sein persönliches Programm hat es ganz einfach nicht ermöglicht, dass er jetzt, Mittwoch, in der Schweiz war. Wir wollten unsere Idee, unser Konzept trotzdem darlegen und nicht darauf warten, dass der Herr Mayne Zeit findet.
Als Sie im vergangenen Herbst den vom japanischen Star-Architekten Tadao Ando gestalteten Park vorgestellt haben, war der Architekt auch nicht anwesend. Ein Zufall?
Tadao Ando war damals krank und konnte nunmal nicht mehr reisen. Ich verstehe Ihre Frage nicht genau.
Dann lassen Sie mich das anders formulieren: Der geplante Turm ist ein Prestige-Projekt. Es soll das höchste Gebäude Europas werden. Es ist eine Ehre für jedes Architekturbüro, wenn man sich diesen Job angelt. Entsprechend ist es doch ein wenig kurios, wenn niemand vom Architekturbüro bei der Vorstellung des Projektes dabei ist.
Wie gesagt: Wir hatten am Montag eine Medienkonferenz mit Vertretern der amerikanischen Presse. In der Schweiz vertreten Herr Truffel und ich das Projekt. Das muss reichen.
*Seit Februar 2014 führt Remo Stoffel als Managing Director den Konzernbereich Immobilien der Priora. Er begann als Banker und machte Karriere als Investor.