Die Touristenströme in der Lissaboner Innenstadt gehen an Cristiano Ronaldo vorbei. In der Fussgängerzone der Rua Augusta hängt ein Plakat des portugiesischen Fussballstars hinter den Glasscheiben der Banco-Espirito-Santo-Filiale mit der Hausnummer 284. Seit Jahren wirbt Ronaldo für die unterdessen ins Taumeln geratene grösste Privatbank Portugals. Er dürfte dafür Unsummen kassiert haben. Doch damit ist Schluss.
Die Banco Expirito Santo (BES) ist pleite. Berühmte Aushängeschilder wie Ronaldo kann sie sich nicht mehr leisten. Am Wochenende gab Portugals Regierung bekannt, dass sie das Geldhaus mit knapp fünf Milliarden Euro aus dem EU-Hilfspaket rettet. Das Land selbst hat sich gerade mit Mitteln der Europäischen Union aus dem Sumpf der Finanzkrise gezogen. Nun bietet Portugal selbst die helfende Hand dem Geldhaus, das ein Netz von über 600 Geschäftsstellen im Land hat.
Bisheriger Tiefpunkt
Die Geschichte der pleitegegangenen BES ist das jüngste Kapitel im tiefen Fall der Gründerfamilie Espirito Santo. An der Spitze der Bankier-Dynastie stand Ricardo Espirito Santo Silva Salgado. Der 70-jährige war Chef der Bank und Patriarch der Gruppe Espirito Santo. Dieser angeschlossen sind etwa Versicherungen, Reisebüros, Hotels und sogar eine Sojabohnen-Farm in Paraguay.
Im Juli dann der grosse Paukenschlag: Innert weniger Tage mussten drei der Mutterunternehmen der Banco Espirito Santo Insolvenz anmelden. Auf Druck der Notenbank hin räumte Salgado nach 22 Jahren seinen Posten an der Spitze der BES. Nur zehn Tage später wurde er von der Polizei wegen Verdacht auf Steuerbetrug und Geldwäsche verhaftet. Erst nach einer mehrstündigen Vernehmung und gegen eine Kaution von drei Millionen Euro durfte er wieder nach Hause. Es ist der bisherige Tiefpunkt in der glanzvollen Karriere des Portugiesen.
Salgado «gehört alles hier»
Doch wer ist Ricardo Salgado? Auf den Strassen Portugals sollen die Menschen sich erzählen, dass Salgado «hier alles gehört», schreibt die «FAZ». Bisher war der Bankier immer sehr um seine Privatsphäre bemüht. Er sei ein Mann ohne Laster. Er rauche und trinke nicht, spiele weder Golf noch sonstige Luxus-Sportarten und meidet den Jetset. Wenn Salgado Erholung suche, finde er sie in seiner schmucken Villa in Brasilien, schreibt die deutsche Zeitung weiter. Die Vorgänge in den vergangenen Wochen katapultierten ihn unfreiwillig in die Öffentlichkeit.
Salgados Urgrossvater José Maria Espirito Santo gründete 1869 eine kleine Wechselstube in Lissabon. Sie war der Grundstein für den Aufstieg der Familie in die portugiesische Finanzwelt. Rund um die Bank bauten die Nachkommen des Gründers Jahrzehnte später ihr Imperium auf.
Flucht nach Brasilien
Als Ökonom brachte Salgado viel Talent mit. Im Familienunternehmen arbeitete er sich schnell nach oben. Ein erster Rückschlag für Salgado und seinen Klan kam mit der «Nelkenrevolution» 1974 in Portugal. Die linken Militärs und die Kommunistische Partei enteignete die Familie Espirito Santo. Salgado flüchtete nach Brasilien.
Erst mit dem Sozialisten Mario Soares kehrte nach den politischen Querelen in Portugal wieder Ruhe ein. Soares gab der Familie Espirito Santo ihr Eigentum zurück. 1991 kehrte Salgado aus seinem Exil zurück und übernahm wieder das Steuer der Bank. Die Geschäfte florierten. Das Vermögen der Familie vergrösserte sich. Laut Bloomberg sollen alleine die Anteile an der BES im Jahr 2007 rund drei Milliarden Euro betragen haben. Gleichzeitig wurde mit in der Gruppe verflochtenen Beteiligungen und Krediten das Imperium der Familie immer weiter aufgebläht.
Bilanzen verschleiert
Mit den Regierungen des Landes verstand sich Salgado seit seiner Rückkehr immer gut. Als Portugal vor drei Jahren in finanzielle Schieflage geriet, war Salgado einer der wichtigsten Freunde und Ratgeber des damaligen sozialistischen Ministerpräsidenten José Sócrates, so die «FAZ».
Doch solche Freunde hat Salgado nur noch wenige. Die heutige konservative Regierung distanziert sich von ihm und seinem Clan. Das macht seine Entmachtung durch die Notenbank deutlich. Nach rund 145 Jahren ist die Familie Espirito Santo nicht mehr Herr über ihre eigene Bank. Neben Salgado wurden auch sein Vetter José Maria Ricciardi und sein Onkel José Maria Espirito Santo entthront.
«Es ist sehr traurig»
Das Fass zum überlaufen gebracht hatten diverse Anschuldigungen. Der Familie wird vorgeworfen, Bilanzen verschleiert sowie Schuldscheine zwischen Portugal, Angola, Brasilien und diversen Steueroasen hin- und hergeschoben zu haben. «Letztlich verlor die Familie den Überblick über all die verschiedenen Unternehmen», sagte Ricardo Cabral, Dozent für Volkswirtschaft an der Universität von Madeira, gegenüber Bloomberg. Die Gruppe habe zu viele Schulden angehäuft. «Sie schob die Probleme vor sich her mit kurzlaufenden Schuldverschreibungen zu sehr hohen Zinssätzen.»
Während der Schuldenkrise wurden die Finanzierungskosten immer höher. Dennoch verschuldete sich die Familie weiter, statt frisches Geld von aussenstehenden Investoren zu besorgen. Das Imperium Espirito Santo erhielt immer tiefere Kratzer im Lack. «Es ist schon sehr traurig zu sehen, wie das Espirito-Santo-Finanzimperiums zusammenbricht», sagt gegenüber Bloomberg Jose Capela, vermögender Einwohner von Cascais, wo auch Familienpatriarch Salgado lebt. Laut dem Magazin «Exame» sind die Mitglieder der Espirito-Santo-Familie erstmals seit zehn Jahren aus der Liste der 25 reichsten Portugiesen herausgefallen.