Pela Ristic sitzt vor einer museumsreifen Singer-Nähmaschine. Links vor ihr liegt eine Rolle Repsband auf der Arbeitsplatte, fein gerippt und schokobraun. Rechts wird die Reihe der sauber gekanteten, flachen Schleifen immer länger. Frau Ristic näht seit rund 30 Jahren in der Risa Hutwerkstatt, seit sie aus dem ehemaligen Jugoslawien nach Hägglingen kam, einem 2350-Seelen-Dorf zwischen Lenzburg und Wohlen.
Als sie dort anfing, war die Freiämter Hutgeflechtindustrie schon nicht mehr jener blühende Wirtschaftszweig, dessen feine Produkte weltweit geschätzt worden waren. «Wir haben vor allem schwarze Regenhüte genäht», sagt Pela Ristic, «und auch davon immer weniger.» Dass sie heute eine auberginefarbene Filzkrempe an ein marineblaues Kopfteil steppen darf und nicht um ihren Arbeitsplatz fürchten muss, hat sie Julian Huber zu verdanken. Der 29-jährige Hägglinger hat Werkzeugmacher gelernt. Erst als er sich mit der Biografie seines Grossvaters Josef Sax und mit der Geschichte seiner Heimat beschäftigte, kam er auf den Hut.
Mode stellte sich gegen Hüte
Im 19. Jahrhundert waren die modischen Kopfbedeckungen aus Wohlen weltbekannt, zwischen Hägglingen und Muri entstanden Hüte, die auch in Paris, Florenz und Berlin getragen wurden. 1919 gründete Marin Geissmann eine Hutwerkstatt, die er 1942 mangels eigener Erben verkaufte. Die neuen Eigentümer hiessen Martin Richner und Josef Sax, aus ihren Nachnahmen entstand die neue Marke: Risa.
Irgendwie überstand Risa die Kriegsjahre, doch gegen den Niedergang der Hutmode in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts waren Richner und Sax machtlos. Sie stellten auf Filzhutproduktion um. Risa hätte vermutlich nicht überlebt, wenn Huber 2010 die Hutfabrik nicht übernommen hätte und damit neu durchgestartet wäre.
Aussergewöhnliche Materialexperimente
Heute produzieren 15 Risa-Mitarbeiter jährlich zwischen 8000 und 9000 Kopfbedeckungen, darunter Kinderkappen, Jodler- und Jägerhüte, Zylinder, Melonen, Fedoras, Canotiers und Panamas sowie die Uniformmützen der Schweizer Armee. Dass der Firmenname auch in eleganten Hutläden in Zürich, Basel oder Genf bekannt ist und es immer mehr modebewusste Menschen gibt, die ungeduldig auf jede neue Risa-Kollektion warten, ist den ungewöhnlichen Modellen zu verdanken, die Julian Huber entwirft.
Er kam auf die Idee, karierte Rohseide mit einer Krempe aus Strohgeflecht zu kombinieren und das Seidenkopfteil durch ein leichtes und flexibles Netzgewebe zu stützen, das eigentlich als Schutzmantel für Kabel erfunden wurde. Oder einen Bowler aus Kaninchen-Haarfilz in Schellack zu tauchen, damit er stocksteif in seiner Form verharrt.
Vertrauen auf alte Maschinen und Prozedere
Wer durch die Arbeitsräume von Risa geht – an den zweimal jährlich stattfindenden Fabrik-Verkaufstagen ist das möglich –, bekommt nicht nur Pela Ristics alte Singer zu sehen, sondern auch Transmissionsanlage, Vorziehmaschine und Pressen, die bis zu 100 Jahre alt und immer noch im Einsatz sind.
In langen Wandregalen stehen Hutformen aus Holz oder Aluminium, auf denen die vorgeformten, aus Ecuador, Portugal oder den USA gelieferten Hutstumpen ihre elegante Silhouette erhalten. «Das Prozedere ist nicht neu, so wurden die Hüte hier schon früher gemacht», sagt Julian Huber. Allerdings wurden hochwertige Biber-Haarfilze früher nicht mit Javelwasser gebleicht, mit Schleifpapier aufgeraut oder in Batiktechnik gefärbt.
Gewagtes für coole Typen
Es sind diese gewagten Techniken, die, zusammen mit Hubers sicherem Gespür für überraschende Material- und Farbkombinationen, aus einem klassischen Trilby einen Modehut machen, wie man ihn in London und New York an coolen Typen in coolen Bars sieht. Bleibt abzuwarten, wann Brad Pitt erstmals mit einem Risa-Modell gesichtet wird. Bislang freut man sich, wenn Gotthard-Frontmann Nic Maeder mit einem Hut aus Hägglingen auf der Bühne steht.