Heute will ich Sie zu einer Wanderung im Tessin verführen, zu deren Halbzeit Sie mit einem fabelhaften Mittagessen belohnt werden. Wir starten im Luganese zwischen Figino und Barbengo und steigen rechterhand den Wald zum alten Augustinerkloster Torello hoch. Der Weg ist steil, schweisstreibend und appetitanregend. Hinter der Wallfahrtskirche Madonna d’Ongero laufen wir über den Hügelrücken durch Kastanien-, Buchen- und Birkenwälder zur Alpe Vicania und erhaschen immer mal wieder einen Blick auf den westlichen Arm des Lago di Lugano.
Abgestufte Weinbergterrassen
Die Alp und das gleichnamige Restaurant auf den gegen Süden geneigten Weiden des Monte Arbostora erreichen wir nach rund neunzig Minuten. Sie gehören wie das angrenzende Castello di Morcote mit seinen zum See hin abgestuften Weinbergterrassen der Luganeser Familie Gianini. Gaby Gianini hat das frühere Grotto stilsicher renoviert, im Garten schattenspendende Maulbeerbäume gepflanzt und einen spektakulären Kräuter-, Gemüse- und Blumengarten angelegt, aus dem sich Chefkoch Daniele Giordano grosszügig bedient.
Giordano ist ein junger, ehrgeiziger Italiener aus dem nahen Varese. Sein Berufsweg führte ihn unter anderem zum Bündner Starkoch Andreas Caminada. Er kocht ausschliesslich mit regionalen Frischprodukten, saisongerecht und südalpin inspiriert. Wunderbar die Zucchiniblüten auf einem Ricottatörtchen mit Eierschwämmchen. Geradezu hinreissend die Brennnesselgnocchi, begleitet von einer Crème aus Ziegenfrischkäse und Maggiapfeffer.
Kulinarisches Glück
Schmackhaft die Schweinshaxe oder die unter der Haut mit Leber gefüllte Perlhuhnbrust. Das dazu gereichte Sommergemüse zeigt, dass Daniele Giordano auch Gemüse zubereiten kann – etwas, das viele vernachlässigen. Für die Bachforelle, die vom zuvorkommenden Servicepersonal am Nebentisch tranchiert wird, fehlt uns leider das Aufnahmevermögen.
Vollends zum kulinarischen Glück verhelfen uns die Weine. Der weisse und der rote Castello di Morcote besitzen betörende Frische und Eleganz und beweisen die Faustregel, dass das Stelldichein zwischen Wein und Essen harmonisch verläuft, wenn beide dieselben regionalen Wurzeln haben.
Den steilen Abstieg nach Morcote bewältigen wir danach gleichsam fliegend.
PS: Für Abendgäste: Die Alpe Vicania ist auch mit dem Auto über Vico Morcote oder Carona erreichbar. Der Gehweg verkürzt sich dann auf hundert Meter zwischen Parkplatz und Restaurant.
Ristorante Vicania
Gaby Gianini und Daniele Giordano
6921 Vico Morcote
Tel. 091 980 24 14
Montags und dienstags geschlossen.