Hinter blank poliertem Glas in grossen Vitrinen liegen akkurat Gabel neben Gabel, Messer neben Messer, Löffel neben Löffel. Auf rotem, samtweichem Stoff schimmert das exklusive Tafelbesteck – und erzählt von Stil, Design und exklusiver Tafelkultur.

Schlicht und reduziert ist zum Beispiel die Kollektion Riva aus den neunziger Jahren, dekorativ eckig das Modell Art Deco aus dem Jahre 1929, aufwendig verschnörkelt das seit über hundert Jahren von der Silbermanufaktur Robbe & Berking produzierte Modell Ostfriesen. «Wir machen nichts anderes als Silber und versilberte Objekte für die Tischkultur», sagt Oliver Berking, der das Unternehmen in der fünften Generation führt.

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Das Luxussegment boomt zurzeit, und davon profitiert auch die über 130-jährige Silbermanufaktur aus Flensburg, die neben Besteck auch Accessoires wie Schalen, Becher oder Kerzenständer anfertigt. Liebenswürdig und ohne Dünkel spricht Oliver Berking über sein erfolgreiches Unternehmen. «Wir sind zwar der Weltmarktführer in Sachen hochwertiges Silberbesteck», stellt er fest und schiebt gleich eine rhetorische Frage nach: «Aber was bedeutet das schon?» Gemessen mit anderen Unternehmen sei das Unternehmen nur «ein kleiner Spezialist», aber immerhin «nach wie vor ein Geheimtipp».

Dabei könnten die Deutschen auftrumpfen, wenn es um die Kundschaft und den Bekanntheitsgrad des Unternehmens geht. Sie haben an Terrain gewonnen, während andere, einst sogar bekanntere Labels an Bedeutung eingebüsst haben, etwa die französische Manufaktur Christofle.

Als Boris Jelzin an der Macht war, belieferte Robbe & Berking den Kreml mit Silberprodukten. Anfang 2005 wurde die mit 126,18 Metern längste Yacht der Welt, die «Octopus» des Microsoft-Co-Gründers Paul Allen, mit Silber bestückt. Ein Jahr später übertrumpfte die 168 Meter lange «Dubai» des Herrschers von Dubai die «Octopus». Und auch Mohammed Al Maktoum wählte für seine Yacht Besteck aus der Kollektion von Robbe & Berking. Zum Relaunch der Marke Maybach im Hause Daimler kreierten die Flensburger eine Kollektion edler Accessoires aus solidem Sterlingsilber, die das Savoir-vivre in der Luxuskarosse noch zusätzlich betonen. Der Champagnerkühler wiegt genau anderthalb Kilo, und das perlende Getränk kann aus den dazugehörenden Silberkelchen getrunken werden. Ein passender Schlüsselanhänger wird ebenfalls geliefert.

Zu Designehren kamen die Flensburger, als das Sternerestaurant The Modern im Museum of Modern Art in New York das Besteck Riva einkaufte. Für die herausragende Qualität und den ausgezeichneten Ruf der Manufaktur spricht auch die Tatsache, dass Cartier ihr Silberbesteck in Deutschland fertigen lässt, genauso wie das Schweizer Luxusunternehmen Chopard seine Silberaccessoires.

Solches Namedropping liegt dem Unternehmen allerdings nicht. Obschon gerade diese grossen Aufträge und die berühmte Klientel mit dazu beigetragen haben, aus der Silbermanufaktur eine grosse Marke zu machen. Von Luxus will der Patron im Zusammenhang mit seinem Besteck indes nicht reden: «Wir stellen Werkzeug her», sagt er, «Luxus ist für mich die Möglichkeit, Nein zu sagen.» Wenn Oliver Berking auf etwas stolz ist, dann darauf, dass er es schafft, in Deutschland einen Handarbeitsbetrieb zu führen. «Meine grösste Aufgabe dreht sich um die deutschen Löhne», sagt er. «Denn die Preise der Ware bestehen im Wesentlichen aus Lohnkosten und nicht aus Materialkosten, obwohl der Silberpreis in den letzten Jahren stark angestiegen ist.»

Natürlich überlegte man sich auch schon, Arbeitsplätze auszulagern. «Ich hatte einige schlaflose Nächte, während ich über dieses Thema nachdachte.» Die Überlegung, dass in einem Billiglohnland dieselbe Qualität nicht produziert werden könnte, liess das Unternehmen am Arbeitsplatz Deutschland festhalten. Made in Germany, sagt Oliver Berking schmunzelnd, sei mitunter «mühsam, aber ein Erfolg». Auch Akkordarbeit wurde schon probiert – es hat nicht funktioniert. «Wir wollen nur das Beste, und das ist nicht immer auf dem schnellstmöglichen Weg erreichbar», so Berking.
Oliver Berking übernimmt die Besucherführung ins Herzstück des Unternehmens gleich selber. Von der Geschäftsleitungsetage, ausgestattet mit edlen Hölzern und Steinmosaik auf den Böden, kommt man über ein paar Treppen und durch ein paar schwere Türen zur Werkstatt. Die gedämpfte Stille wird von lauten Geräuschen abgelöst. Mann sitzt neben Mann, Frau neben Frau. Es wird geschliffen, poliert und gelötet. Werkzeugmacher fertigen die Vorlagen, Silberschmiede gestalten, hämmern an Kerzenständern, formen Silberschalen. Galvaniseure kontrollieren die Silberbäder, und in einer etwas ruhigeren Abteilung verzieren die Graveure das Besteck mit Namen, Familienwappen oder fantasievollen Mustern. Alle arbeiten höchst konzentriert. Viel Geld steht auf dem Spiel. Besteck und Objekte werden genau kontrolliert und beim kleinsten Fehlerchen aussortiert. «Mein Grossvater sagte immer, dass andere billiger sein mögen, aber niemand besser sein dürfe», so Oliver Berking.

Der Anspruch von Robbe & Berking an qualitätsvollen Luxus sei hoch, bestätigt Roland Meister von Meister Silber am Zürcher Paradeplatz. Das 1881 gegründete Unternehmen am Paradeplatz ist heute das führende Fachgeschäft für Tafelsilber in der Schweiz. «Robbe & Berking ist ein verlässlicher Partner, bei dem das Sein zählt und nicht der Schein», sagt Roland Meister. Für den Handel sei zum Beispiel die sofortige Lieferbarkeit der Produkte wichtig, denn Meister weiss aus Erfahrung: «Wer sich für eine Kollektion entschieden hat, will nicht wochenlang warten, bis etwas produziert ist.» Dies schliesst auch einen grossen Lagerbestand ein. Die Dimensionen kann man sich etwa ausrechnen, wenn man bedenkt, dass der Umfang eines Bestecks inklusive Hummerzange, Schneckengabel oder Austernbrecher bis 40 unterschiedliche Teile umfasst. Auch die Nachkaufgarantie bis ins Jahr 2040 zeugt von Qualität und langfristigem Denken.

Oliver Berking ist quasi mit einem silbernen Löffel im Mund geboren – dies allerdings im realen und nicht im übertragenen Sinne. Natürlich wird in dieser Familie ausschliesslich mit Silberbesteck gegessen. Das Edelmetall ist aber vor allem als Thema omnipräsent. «Während meiner Kindheit wurde am Mittagstisch über fast nichts anderes als über Silber geredet», erinnert sich Berking. Kein Wunder: Seit fünf Generationen steht Silber im Zentrum der Familie.

Die Anfänge führen zurück ins Jahr 1874, als der Silberschmied Nicolaus Christoph Robbe seinen Einmannbetrieb eröffnete. Zusammen mit seinem Schwiegersohn, Robert Berking, begeisterte er in den folgenden Jahren eine immer grössere Anzahl Kunden mit seiner Handwerkskunst. Bis 1956 hatte das Unternehmen noch den Charakter eines Handwerkbetriebs mit einem Umsatz von unter einer Million Mark. Erst Oliver Berkings Vater Robert, der 1957 in die Firma eintrat, richtete das Unternehmen international aus. 1961 hatte es bereits hundert Mitarbeiter. 1972 gründete Berking eine Tochterfirma in der Schweiz, die lange Jahre der grösste Exportmarkt blieb. Vor ein paar Jahren stieg Russland auf Platz eins auf, die Schweiz steht jetzt an zweiter Stelle.

Oliver Berking trat 1985 mit 22 Jahren in die Firma ein. «Es war keine Frage, es hat sich ganz natürlich so entwickelt», erzählt er. Es stellten sich keine Generationenkonflikte ein. «Die Zusammenarbeit mit meinem Vater war nie ein Problem. Er hat mich geprägt, und ich frage ihn noch heute um Rat.» Und so folgt er auch der väterlichen Devise, wenn es um den Ankauf von Silber geht. Der Silberkurs schwebt wie ein Damoklesschwert über der Firma. Im gut gesicherten Lager in Flensburg liegen immerhin 8 Tonnen des wertvollen Materials, pro Jahr werden 20 Tonnen verarbeitet. «Lebe von der Hand in den Mund» ist der Leitsatz des Vaters, und so verhält sich auch Sohn Oliver. «Ich versuche nicht zu spekulieren.»

Wegen der mitunter schwierigen Marktsituation produzierten die Flensburger auch eine kleine Edelstahlkollektion – eine Notlösung Ende der siebziger Jahre, als der Silberpreis wegen Investitionen von saudi-arabischen Ölmilliardären kurzfristig von 200 Mark pro Kilo auf 4000 angestiegen war. Auch die derzeitige Entwicklung macht dem Unternehmer manchmal Kopfzerbrechen. In wenigen Jahren hat sich der Silberpreis auf heute 350 Euro pro Kilo beinahe verdoppelt.

Den Erfolg von Robbe & Berking machen nicht ausschliesslich die gute Qualität, das schöne Design und das Marketing aus. Der Zeitgeist spielt ebenfalls eine wichtige Rolle. Essen wird wieder zelebriert. «Gemeinsame Mahlzeiten sind eine qualitative Auszeit», sagt Roland Meister. Es wird viel in gutes Essen investiert. Gourmets sind ständig auf der Suche nach den besten Produkten und der besten Zubereitung. «Diese exzellenten Speisen will man nicht auf dickwandigen Tellern und mit billigem Stahlbesteck essen», sagt Meister. Heute ist eine schön gedeckte Tafel nicht mehr Inbegriff von steifer Tradition, sie ist ein Teil unserer Alltagskultur und zeugt von modernem Lifestyle. «Gemeinsame Mahlzeiten sind wichtige Veranstaltungen», sagt Oliver Berking. «Dieses Ereignis schön zu gestalten, ist etwas Wertvolles. Man tut der Familie etwas Gutes.» Und last but not least sei Silber absolut geschmacksneutral und habe eine bakterienhemmende Wirkung, weiss Silberfachmann Roland Meister. Dies ist mit ein Grund, warum die Spitzengastronomie auf Silber setzt. «Wer Michelin-Sterne haben will, muss auch den Tisch schön decken», sagt Meister. Und so speist man im Parkhotel Weggis, bei André Jaeger in der «Fischerzunft», im «Trois Rois» in Basel oder bei Peter Gamma im «Haute» mit Besteck von Robbe & Berking.

«Die Platzierung des Bestecks in der exklusiven Gastronomie war eine geschickte Strategie», sagt Roland Meister. Hier zeige sich die hervorragende Qualität des Bestecks auch bei starkem Gebrauch und beweise sich Berkings Aussage: «Unser Silber geht nie kaputt.»

Gutes Essen und eine schön gedeckte Tafel, das ist Oliver Berkings Welt. Und falls er für einmal gezwungen ist, sich an einen Tisch ohne Tafelkultur zu setzen, hat er sein eigenes Besteckset mit dabei, für ihn sind Gabel und Messer als Reisebegleiter «genauso selbstverständlich wie die Zahnbürste». Ob eine sechste Generation aus der Familie die Nachfolge antreten wird, steht noch in den Sternen. Gute Aussichten bestehen allerdings. Zurzeit wachsen Oliver Berkings sechs Kinder in dieser Welt aus Silber heran. Und bei sechs ist die Chance gross, dass sich eines von Vaters Begeisterung anstecken lässt.