Robert Louis-Dreyfus wartet im Abfertigungsgebäude der Jet Aviation in Zürich auf seinen Privatflug nach Paris. In einem kleinen Raum im ersten Stock verhandelt und bespricht sich RLD, so sein Kürzel, kurz mit seinen Geschäftspartnern. Mit Oscar Frei, CEO von Infront Sports & Media (bis vor kurzem noch KirchSport), und mit Günter Netzer, dem langhaarigen Fussballgenie der Siebzigerjahre, inzwischen Rechtehändler und ernsthafter Botschafter der Infront Sports & Media.
Der 56-Jährige Louis-Dreyfus lächelt viel und macht einen lockeren Eindruck. Im karierten Hemd und ohne Krawatte wirkt er wie ein hoch aufgeschossener Junge. Der gebürtige Franzose, seit mehr als zehn Jahren Schweizer und in Davos lebend (siehe «Ein Sanierer mit stolzen Referenzen»), ist guter Laune. Am 31. Oktober haben er und Insolvenzverwalter Joachim Ziems in München die Unterschriften unter einen spektakulären Kontrakt gesetzt. Für knapp 400 Millionen Euro hat er die TV- und Sportrechte-Marketinggesellschaft KirchSport aus der Konkursmasse der KirchMedia herausgekauft und deren Namen – mehr als symbolisch – gleich in Infront Sports & Media umgewandelt. Der bisherige Besitzer, Leo Kirch, und sein Chefstratege, Dieter Hahn, hatten – über das Vehikel der Invision und genährt durch die finanzielle Kraft Hans-Dieter Clevens aus dem Handelshaus Metro – erfolglos mitgeboten.
In den Tagen nach Vertragsabschluss sind die Zeitungen prallvoll von Interviews mit Günter Netzer. Der Manager wird als überraschender Käufer verkauft. Das Fussballidol kommt aus der Tiefe des Raumes. Dort hält sich Robert Louis-Dreyfus versteckt – der wahre Geldgeber und Drahtzieher.
Auf einem Ledersofa sitzend, lächelt RLD zurückhaltend, wenn er mit leiser Stimme von den Kaufverhandlungen spricht. Rummel um seine Person ist ihm peinlich. Der Mann mit dem schwindenden goldblonden Kraushaar hält sich am liebsten im Hintergrund auf. Medien sind ihm ein Gräuel. Interviews gibt er nur alle Schaltjahre.
Und nun dieser Deal. Nichts ist wohl öffentlichkeitsträchtiger als die Kombination von Sport und Medien. Daher sei die Frage erlaubt: Robert Louis-Dreyfus, warum sind Sie beim Unternehmen KirchSport eingestiegen, das vor allem mit dem Kunden Fernsehen arbeitet?
«Ich bin schon immer an Sport-TV-Rechten interessiert gewesen. Ich wollte beispielsweise die Rechteanteile an der Formel 1 kaufen, welche die EM.TV besass. Doch Leo Kirch war damals schneller und bot mehr.»
Was mögen Sie an diesem Geschäft? «Ich mag es, dass es in unserem Fall nicht nur um TV-, sondern auch um Marketingrechte geht. Das verspricht ein stabiles Geschäft zu sein.»
Warum soll dieses Geschäft stabil sein, wenn die TV-Rechte wie jetzt einbrechen? «Wetten, dass die TV-Rechte an der französischen Fussballliga nächstes Jahr einen besseren Preis erzielen werden als 2002!»
Was macht Sie so sicher? «Grossartige Anlässe werden nicht an Wert verlieren. Probleme werden die durchschnittlichen Rechte bereiten. Dasselbe gilt fürs Marketing. Nike oder Adidas müssen auch in Zukunft für die Rechte an den grossen Klubs – Real Madrid oder Bayern München – immer mehr Geld bieten.»
Ihr Glück hängt in zwei Jahren von der Vergabe der Fussball-WM-Rechte 2010 und 2014 ab. Ist das stabiles Geschäftsdenken? «2010 und 2014 besitzen wir noch nicht. Davon kann ich noch nicht einmal träumen. Aber wir haben daneben ein konstantes Geschäft. Wenn wir die WM haben, machen wir ein bisschen mehr Geld.»
Wie viel ist ein bisschen Geld? «Es wird sogar ein ganz vernünftiges Geschäft, auch wenn wir 2010 und 2014 nicht haben sollten. Ich möchte das jedoch nicht erleben müssen. Es wäre eine Premiere. Die Fussball-WM ist der Anlass Nummer eins für Marketing- und TV-Rechte in der Welt.»
Robert Louis-Dreyfus ist Financier. Ein Mann des Geldes. Das hat ihn zur KirchSport nach Zug gelockt. Stellt sich die Frage: Ist es Geld alleine? Warum soll ausgerechnet dies ein gutes Investment sein?
Das 1:0 in Seoul Am 31. Mai 2002 erzielt auf dem grünen Rasen von Seoul der Senegalese Papa Bouba Diop in der 30. Minute den Treffer zum Aussenseitersieg über Weltmeister Frankreich. Senegals Sieg im Eröffnungsspiel des 17. Finalturniers ist ein prickelnder Moment in der Fussballgeschichte.
Oben auf der Tribüne besprechen Oscar Frei und Karl Reichmuth ein ebenso elektrisierendes Geschäft, das über den Augenblick hinausreichen wird. Der CEO, Frei, und der Privatbankier aus Luzern, Reichmuth, suchen einen möglichen Financier für die KirchSport in Zug. Diese hält unter anderem die TV-Verkaufs- und -Produktionsrechte sowie die Marketingrechte an den beiden Fussball-weltmeisterschaften 2002 in Japan und Südkorea und 2006 in Deutschland. Für 2,8 Milliarden Franken hat der Weltfussballverband Fifa die Lizenz zum Geldverdienen bereits 1997 an die KirchMedia in München verkauft.
Seit einigen Monaten liegt dieser Kontrakt bei der KirchSport in Zug. Die Eigentümer, die Gläubigerbanken der KirchMedia und der Insolvenzverwalter hatten der Überschreibung zugestimmt.
Die Fussballweltmeisterschaften gelten als Juwel im Portfolio (siehe «Portfolio»). Die Turniere 2002 und vor allem 2006 werden zusammen für die Zuger Firma einen geschätzten Reingewinn von gegen 100 Millionen Franken abwerfen. CEO Oscar Frei sagt: «Wir sind ertragsstark und machen Gewinn.» Keines der Objekte also, wie sie Robert Louis-Dreyfus sonst gerne zum Turnaround führt (siehe «Ein Sanierer mit stolzen Referenzen»).
Dennoch ist die Lage ernst. Die KirchSport ist eine Tochtergesellschaft der KirchMedia in München, die im April die Insolvenz hat erklären müssen. Im Mai ist KirchSport-CEO Oscar Frei angespannt und sagt erstmals zu seinem Kompagnon Günter Netzer: «Wenn wir über die zukünftigen Besitzverhältnisse der KirchSport nicht bald Klarheit schaffen können, werden unsere langjährigen Geschäftspartner und Mitarbeiter zunehmend verunsichert, und unser Unternehmen verliert an Wert und Zukunftspotenzial.»
Freis Nervosität ist bemerkenswert, sollte der ehemalige Ringier-Konzernleiter doch zu diesem Zeitpunkt bereits allerhand gewohnt sein. 1999, zwei Monate nach seinem vermeintlichen Rückzug aus dem Geschäftsleben, wechselte der damals 62-Jährige als CEO zum Sportrechtehändler und -pionier Cesar W. Lüthi. Bei dessen CWL in Kreuzlingen traf er erstmals den Manager Günter Netzer. Vom gesundheitlich angeschlagenen, kürzlich verstorbenen Lüthi übernahm er die Leitung des operativen Geschäfts und den Auftrag, die Firma mit Leo Kirchs Prisma zusammenzuführen. Der Merger gelang, die Crew siedelte nach Zug über. Doch gleichzeitig begann der Zusammenbruch des Kirch-Imperiums.
Mit den bedrohlichen Unsicherheiten soll es im Sommer 2002 ein Ende haben. Spätestens bei der Fussball-WM in Asien ist der Plan gefasst. Oscar Frei und Managementkollege Günter Netzer streben das Management-Buyout an. Sie wollen zusammen mit den sechs Kollegen aus der Geschäftsführung das Unternehmen kaufen. Ihnen fehlt nur das Geld. Karl Reichmuth, Verwaltungsrat der KirchSport, wird das Fundraising angehen. Genau so, wie er bereits ein paar Jahre zuvor die Teilfinanzierung des Kultur- und Konzerthauses am See in Luzern (KKL) fertig brachte. Oscar Frei spricht gerne von einem «Management-supported Buyout». Nur: Wer soll diesen Support leisten?
Auf dem grünen Rasen von Seoul greift der französische Torhüter Barthez neben den Ball. Papa Bouba Diop trifft für Senegal. Auf der Tribüne sagt Karl Reichmuth zu Oscar Frei: «Warum nicht Robert Louis-Dreyfus?»
Fussball als Hobby Warum nicht? Ein Financier muss in erster Linie reich sein. Er soll – wenn möglich – Sachverstand besitzen und das Geschäft kennen. Und er müsste im optimalen Fall vertrauensvoll agieren und Kompetenzen abgeben können. Auf Robert Louis Maurice Louis-Dreyfus, den Spross einer französischen Handels- und Schifffahrtsdynastie, trifft dieses Beschreibungsmuster exakt zu. RLD ist ein klein wenig mehr als nur vermögend. Die BILANZ schätzt ihn dieses Jahr in ihrer Reichstenliste auf 800 bis 900 Millionen Franken ein.
Ausserdem liebt und kennt er den Sport. In aktiver wie passiver Form. Bis 1999, bis zum Beginn einer heimtückischen Krankheit, läuft er regelmässig den Boston-Marathon. RLD ist Eigentümer und Präsident des populärsten französischen Fussballklubs, Olympique Marseille. Ihm gehört der belgische Traditionsverein Standard Lüttich, und bei Bayern München amtiert er neben Präsident Franz Beckenbauer im Verwaltungsrat. RLD fliegt schnell nach Paris und sitzt wenig später in einer Loge im Stade de France, schaut sich das Spiel zwischen Paris St-Germain und Marseille an und reisst manchmal vor Begeisterung die Arme hoch. Der Financier ist ein Fussballverrückter. Die rational geleitete Finanzkommune fragt sich leicht irritiert: Warum nur lässt sich dieser Mann vom Fussball leiten?
Warum also, Robert Louis-Dreyfus? «Ich habe den Fussballsport schon als Kind geliebt. Andere Leute stecken ihr Geld in Wohltätigkeitsprojekte – ich gebe meines den Fussballklubs. Mein Hobby sind die Klubs, die ich besitze, darunter ist Olympique Marseille mit 35 Prozent TV-Zuschauerquote in Frankreich die Perle.»
Wie teuer ist Ihr Hobby Marseille? «Für Marseille hab ich bis heute ungefähr 100 Millionen Euro ausgegeben.»
Das ist ein schlechtes Investment. «Sie haben Recht. Meine Frau beklagt sich auch ...»
... und dann hätten Sie noch das Traditionsblatt «Le Figaro» gekauft, schreibt eine französische Zeitung. «Das stimmt nicht. Glauben Sie nie den Journalisten. Ich lese keine Zeitungen.»
Keine? «Nur drei. Die ‹Financial Times›, das ‹Wallstreet Journal› und ‹L’Equipe›.»
Immerhin. Zwei Wirtschafts-, eine Sportzeitung. Ein aufschlussreiches Verhältnis. Man beginnt zu ahnen, woher bei RLD die Energiezufuhr für seine Schubkraft stammt. Sportliebe alleine kann es nicht sein.
Das Management als Asset Zurück von den Fussballmatchs in Asien, nimmt Bankier Karl Reichmuth Kontakt mit Robert Louis-Dreyfus auf. Man kennt sich. Im August trifft RLD erstmals das Management der KirchSport in Zug und lässt sich informieren. Zwei Wochen später vertiefen der CEO, Oscar Frei, und Direktor und Firmenbotschafter Günter Netzer die Gespräche bei einem Besuch im Tessiner Anwesen Louis-Dreyfus’. RLD prüft die Zahlen der Firma. «In den letzten Jahren haben uns alle Beratungsfirmen durchleuchtet», sagt CEO Oscar Frei.
Beim Treffen Anfang September im Tessin sagt RLD Frei und Netzer, dass ihn gerade der Durchhaltewillen des Managements während der vorangegangenen Monate überzeugt habe. Was er meint: Trotz unbeantworteter Eigentümerfrage wickelt die KirchSport die Fussballweltmeisterschaft 2002 in Korea und Japan zur Zufriedenheit aller Beteiligten ab. Über 2000 Personen sind im Sommer in Asien unter Kontrakt. Erstmals übernimmt der ehemalige Sportrechtehändler selber die weltweite Fernsehproduktion für die Fussball-WM. «Es war nicht leicht», sagt Oscar Frei rückblickend. «Wir mussten unseren Partnern vermitteln, dass wir als Schweizer Tochter von der Insolvenz der Münchner Muttergesellschaft nicht betroffen sind.»
Die WM in Japan und Südkorea wird die Visitenkarte des Managements.
Robert Louis-Dreyfus muss nicht lange nachdenken, ob er investieren wolle.
«Ich entschied mich sehr schnell. Ich wusste, dass es schnell gehen müsste, denn Konkurrenten standen bereit. Ich war jedoch mit einem anderen Preis konfrontiert, als dass ich ursprünglich angenommen hatte.»
War der definitive Preis höher? «Ja, ich hatte an weniger gedacht.»
Teurer wird es, weil Louis-Dreyfus die heutige Infront Sports & Media (ehemals KirchSport) rückwirkend auf den 1. Januar 2002 frei von Guthaben und Schulden kaufen muss. Das hat zur Konsequenz, dass der Investor mehr Cash überweist als zuvor geplant, denn etliche der vom Unternehmen verbuchten Franken fliessen in Realität erst im Verlaufe des Jahres in die Kassen nach Zug. Das heisst: RLD bezahlt vorübergehend mehr, erhält aber schon bald wieder einiges zurück.
Der Grund für dieses eigentümliche Konstrukt ist einfach: Kirchs Gläubiger und der Insolvenzverwalter wollen so schnell als möglich Bargeld sehen. Der Zeitdruck, der auf den Deal wirkt, ist enorm. Am 15. September gibt Ober-Insolvenzverwalter in Sachen Kirch, Michael Jaffé, die Entscheidung bekannt, dass er exklusiv mit dem Management und Robert Louis-Dreyfus über den Verkauf verhandelt. Die Finanzstärke des Privatmannes RLD sowie die Kapitalsicherheit seiner weiteren Beteiligungen machen Jaffé sicher, dass ein genügend potenter Partner am Verhandlungstisch sitzt.
Bis zum 31. September, dem Tag des Abschlusses, treiben sich Jaffés Beauftragter, Ziems, und RLD gegenseitig in die Höhe. An Halloween kommt der Pegel knapp unter 400 Millionen Euro zu stehen.
Jacobs kommt an Bord In der Verhandlungsphase sitzt Robert Louis-Dreyfus alleine mit Joachim Ziems am Tisch, und RLD macht diese Art der Arbeit sichtlich Spass. Dabei ist er nicht mehr der Einzige an Bord. Der alte Freundschaften treu pflegende RLD hat Partner von der Sache überzeugt.
Die KJ Jacobs AG in Zürich erwirbt einen ebenso grossen Anteil an der Infront Sports & Media wie RLD. Die beiden teilen sich 90 Prozent der Aktien. Christian Jacobs, Verwaltungsratsvorsitzender der Holding, hat Ende letzten Jahres das Amt von seinem Vater, Klaus J. Jacobs, übernommen. Industrieschokolade und Zeitarbeitsvermittler gehören zum Portefeuille. Nun kommt erstaunlicherweise die Ferneh- und Marketingrechtehändlerin hinzu. Erstaunlich? Christian Jacobs sagt: «Als mein Vater damals Adia kaufte, war dies Neuland für ihn und das Portfolio ebenfalls nicht Mainstream. Warum soll die Infront Sports & Media für uns jetzt nicht etwas Ähnliches sein?»
Die Zusammenarbeit mit dem Jacobs-Verwaltungrat Robert Louis-Dreyfus erachtet Christian Jacobs als ideal: «Er schafft Werte durch Kreativität, während ich Erfahrungen in der Gestaltung von Prozessen habe.» Jacobs sieht RLD als einen Investor, der seine Stärken im Marketing, in der Werbung hat (siehe «Ein Sanierer mit stolzen Referenzen»).
Christian Jacobs und RLD verhandeln Ende August nur kurz über ihr gemeinsames Engagement. Louis-Dreyfus hat die Chiffren kontrolliert – der Wirtschaftsanwalt Christian Jacobs vertraut ihm. «Wir wussten beide schnell, was wir machen wollen», sagt Jacobs. Und deutet an, dass Wachstum der Schlüssel für den Kauf ist.
Robert Louis-Dreyfus, wohin geht die Reise der Infront Sports & Media?
«Hoffentlich werden wir die Nummer eins im TV-Rechtehandel für gewisse Sportarten sein. Wir sehen auch ein interessantes Marketinggeschäft. Ich liebe die Formel 1 – aber die war für mich zu teuer. Aber man weiss nie, vielleicht kommt die Chance nochmals. Dann haben wir noch einen Besitz, über den niemand spricht und der hervorragend ist: die Eishockey-Weltmeisterschaft.»
Nächstes Jahr ist in China die Fussballweltmeisterschaft der Frauen, und mit Uli Sigg nimmt ein ehemaliger Schweizer Botschafter in China im neuen Verwaltungsrat Einsitz. Wachsen Sie vor allem nach Fernost?
«Die Entwicklung ist immens. Denken Sie an die chinesische Liga. An Japan, an Südkorea. Wahrscheinlich wird es in Fernost bald so etwas wie eine Champions League nach europäischem Vorbild geben – und ich hoffe, dass wir dann mit von Partie sein können. Fussball wächst weiter. Nur für die USA sind wir nicht optimistisch. Dort ist Fussball ein Spiel für die Unter-18-Jährigen. In den USA gibt es mit American Football und Basketball bereits zu viel Sport am Fernsehen.»
Wachstum in Aussicht Robert Louis-Dreyfus gibt sich leger. Krawatten trägt er selten. Sein Hemd steckt manchmal nicht in der Hose, und die Bluejeans verraten Lockerheit. Dennoch solle man sich von diesem Bild nicht täuschen lassen, sagen jene, die mit ihm Geschäfte gemacht haben. RLD wirkt nicht nur cool – er ist es auch.
Geht es um Stellenabbau, Fabrikschliessungen, Cost-Cutting, so ist der Strich kühl gezogen. RLD hat sich in der Gemeinde der Unternehmer in den letzten zwanzig Jahren vor allem als Marketingstratege, aber auch als konsequenter Kostensenker einen Namen gemacht. Der kameradschaftliche Geist, der ihn in der Arbeit innerhalb der Managementteams auszeichnet, scheint sein Pendant in einer vernunftgeleiteten Analyse von Zahlen und deren bisweilen brutalen Konsequenzen zu finden.
Der lockere RLD rechnet pedantisch genau: Die Analyse der Infront Sports & Media wird ihm deshalb ein interessantes Wachstumssegment aufgezeigt haben. An der Weltmeisterschaft in Südkorea und Japan hat die Firma nicht nur Rechte vermarktet, sondern die Ware Fussball erstmals produziert und als fertige Pixel und digitale Daten an die TV-Stationen verkauft. Bisher haben dies stets verschiedene Fernsehstationen in Zusammenarbeit übernommen. So beispielsweise in Frankreich, wo 1998 die Öffentlich-Rechtlichen sich zusammengefunden, ein Konsortium gebildet und für 70 Millionen Franken die TV-Bilder produziert haben.
Die Infront Sports & Media hat für die einmalige Aufbauarbeit für die komplizierte WM 2002 insgesamt rund 200 Millionen Franken aufgewendet. In Deutschland – wo 2006 am Finalturnier der grosse Reibach erwartet wird – sollen die Aufwendungen auf 100 Millionen Franken sinken. Das passt gut zum Kostendrücker RLD.
Das Wachstumsgeschäft ist in der Firma HBS Group angesiedelt, einer Tochter der Infront Sports & Media. Inzwischen ist die HBS ernsthaft ins Rennen der Produzenten eingestiegen. Die Manager wollen das Fussball-Produktionswissen auch für andere Sportveranstaltungen verwerten. Erste Anfragen von Veranstaltern liegen vor. Dass die Infront Sports & Media mit der ISPR München eine weitere Rechtehändlerfirma (hält TV- und Marketingrechte an europäischen Fussballklubs sowie an der Vermarktung der Deutschen Bundesliga ausserhalb Europas) wohl noch vor Ende dieses Jahres kaufen und damit eine Option ausüben wird, macht die Geschichte exquisit.
Kabelnetze quer durch Frankreich Wirklich fantastische Dimensionen verraten Louis-Dreyfus’ geheime Gedankenspiele erst bei einem Blick auf dessen privates Portefeuille. Dass er der grösste Einzelaktionär von Adidas ist, spielt dabei eine kleine Rolle. RLD ist Botschafter für den Sport und das Geschäft durch und durch. Wichtiger ist ein Investment, das sich bisher auf Frankreich beschränkt.
Im Hexagone hat er über den familieneigenen Pariser Handelsriesen Louis-Dreyfus SA, der 2001 einen Umsatz von 20 Milliarden Euro erzielte, ein Kabelreich aufgebaut. RLD will im Firmendach des Familienunternehmens partout nicht entscheidend mittun, doch den Sektor, in dem er von Genf aus unter dem Namen LDCom seine Geschäft abwickelt, hat er sich unter den Nagel gerissen. Er sammelt die leck geschlagenen kleinen Telefonie-Operateure aus der Zeit der New Economie. Ventelo, Belgacom, Squadran, Kaptech, FirstMark oder 9Telecom heissen die Firmen, die er in den letzten zwölf Monaten schuldenfrei übernommen hat und über sein Kabelnetz laufen lässt. 2500 Personen hat Robert Louis-Dreyfus inzwischen in der Zentrale von LDCom in Genf beschäftigt.
Robert Louis Dreyfus, ist auch die LDCom ein Hobby für Sie? «Nein. Einst wollten wir damit Fiberoptikverkäufer in Frankreich sein. Dank guten Beziehungen zu den Eignern von Kanälen konnten wir die Kabel auf dem Grund der Kanalbette verlegen und an die Grossen der Branche verkaufen. An WorldCom. Zum Glück bezahlen sie alle. Aber die meisten der Kunden gingen später Bankrott. Wir entschieden uns, die Kunden aufzukaufen.»
Wie sieht Ihre offizielle Strategie aus? «Unsere Kunden gehen Bankrott – und eines Tages befinden wir uns unverhofft im Telefongeschäft. Die wahre Strategie ist: Wir sahen eine sehr gute Möglichkeit, die Operateure zu kaufen. Jetzt konkurrieren wir mit France Télécom. Wir besitzen zehn Prozent, France Télécom hat achtzig Prozent Marktanteil. Wir jedoch haben keine Schulden und 500 Millionen Euro in bar. Wir verdienen vom ersten Tag an Geld und machen Gewinn.»
Wie ist das möglich? «WorldCom nahm beispielsweise unsere Fiberoptik für 25 Jahre in Lizenz und bezahlte zu Beginn des Vertrages. WorldCom ist heute Geschichte, und wir haben die Fiberoptik wieder. Sie kostet uns nichts mehr, die Investments sind gemacht. Alles, was wir einnehmen, ist Gewinn.»
Cegetel von Vivendi hält ebenfalls zehn Prozent Marktanteil in Frankreich und steht zum Verkauf. Wollen Sie Cegetel kaufen? «Ich bin am Festnetz interessiert. Wir sehen es als den natürlichen Lauf der Dinge, dass Vodafone bei Cegetel zum Zuge kommt. Wenn Vodafone den Zuschlag kriegt, erhöhen sich unsere Chancen, die Festnetze von Cegetel zu erhalten. Klappt der Deal mit Vodafone nicht, wird Cegetel die Festnetze behalten.»
Wenn Sie das Festnetz von Cegetel haben, wie wird dann Ihre neue, inoffizielle Strategie aussehen? «Wir werden sehen.»
Die fantastische Vorstellung Vorstellbar wäre dies: Robert Louis-Dreyfus, der Hobby-Fussballverrückte, besitzt mit Marseille und anderen Klubs die vermarktbaren Inhalte. Er steuert mit der Infront Sports & Media die TV- und Marketingrechte. Er raffiniert mit der Produktionsfirma HBS Group innerhalb der Infront Sports & Media den Inhalt. Und die TV-Sender – einziges Stück in der Verwertungskette, das nicht RLD gehört – verbreiten die Bilder. Notabene auf den Kabelnetzen, die RLD besitzt. Eine prickelnde Geschäftsvorstellung.
Robert Louis-Dreyfus lacht im kleinen Sitzungsraum laut auf. Warum? «Die Dinge hängen überhaupt nicht zusammen.»
Aber sie passen schön zusammen. «Unser Familiengründer, Louis Dreyfus, der im 19. Jahrhundert lebte, war eine ausserordentlich intelligente Person. Er war der Erste, der an die Idee des Profitcenters glaubte. Bei diesem Gedanken schliesse ich mich ihm an. Ich glaube an die Zahl unter dem letzten Strich. An die Bottom-Line. Infront Sports & Media ist das eine. Adidas das andere. Ich werde nie die Dinge vermischen.»
Wie halten Sie es mit dem Zusammenführen von Menschen? «Das ist ein anderes Thema. Wenn KirchSport einmal in Frankreich ausbauen sollte, ist es sicherlich von Vorteil, mich dabeizuhaben. Ich habe gute Kontakte zur Regierung, zur Liga, zu den Menschen.»
Und diese Kontakte werden Sie nutzen? «Sicherlich.»
Der 56-Jährige Louis-Dreyfus lächelt viel und macht einen lockeren Eindruck. Im karierten Hemd und ohne Krawatte wirkt er wie ein hoch aufgeschossener Junge. Der gebürtige Franzose, seit mehr als zehn Jahren Schweizer und in Davos lebend (siehe «Ein Sanierer mit stolzen Referenzen»), ist guter Laune. Am 31. Oktober haben er und Insolvenzverwalter Joachim Ziems in München die Unterschriften unter einen spektakulären Kontrakt gesetzt. Für knapp 400 Millionen Euro hat er die TV- und Sportrechte-Marketinggesellschaft KirchSport aus der Konkursmasse der KirchMedia herausgekauft und deren Namen – mehr als symbolisch – gleich in Infront Sports & Media umgewandelt. Der bisherige Besitzer, Leo Kirch, und sein Chefstratege, Dieter Hahn, hatten – über das Vehikel der Invision und genährt durch die finanzielle Kraft Hans-Dieter Clevens aus dem Handelshaus Metro – erfolglos mitgeboten.
In den Tagen nach Vertragsabschluss sind die Zeitungen prallvoll von Interviews mit Günter Netzer. Der Manager wird als überraschender Käufer verkauft. Das Fussballidol kommt aus der Tiefe des Raumes. Dort hält sich Robert Louis-Dreyfus versteckt – der wahre Geldgeber und Drahtzieher.
Auf einem Ledersofa sitzend, lächelt RLD zurückhaltend, wenn er mit leiser Stimme von den Kaufverhandlungen spricht. Rummel um seine Person ist ihm peinlich. Der Mann mit dem schwindenden goldblonden Kraushaar hält sich am liebsten im Hintergrund auf. Medien sind ihm ein Gräuel. Interviews gibt er nur alle Schaltjahre.
Und nun dieser Deal. Nichts ist wohl öffentlichkeitsträchtiger als die Kombination von Sport und Medien. Daher sei die Frage erlaubt: Robert Louis-Dreyfus, warum sind Sie beim Unternehmen KirchSport eingestiegen, das vor allem mit dem Kunden Fernsehen arbeitet?
«Ich bin schon immer an Sport-TV-Rechten interessiert gewesen. Ich wollte beispielsweise die Rechteanteile an der Formel 1 kaufen, welche die EM.TV besass. Doch Leo Kirch war damals schneller und bot mehr.»
Was mögen Sie an diesem Geschäft? «Ich mag es, dass es in unserem Fall nicht nur um TV-, sondern auch um Marketingrechte geht. Das verspricht ein stabiles Geschäft zu sein.»
Warum soll dieses Geschäft stabil sein, wenn die TV-Rechte wie jetzt einbrechen? «Wetten, dass die TV-Rechte an der französischen Fussballliga nächstes Jahr einen besseren Preis erzielen werden als 2002!»
Was macht Sie so sicher? «Grossartige Anlässe werden nicht an Wert verlieren. Probleme werden die durchschnittlichen Rechte bereiten. Dasselbe gilt fürs Marketing. Nike oder Adidas müssen auch in Zukunft für die Rechte an den grossen Klubs – Real Madrid oder Bayern München – immer mehr Geld bieten.»
Ihr Glück hängt in zwei Jahren von der Vergabe der Fussball-WM-Rechte 2010 und 2014 ab. Ist das stabiles Geschäftsdenken? «2010 und 2014 besitzen wir noch nicht. Davon kann ich noch nicht einmal träumen. Aber wir haben daneben ein konstantes Geschäft. Wenn wir die WM haben, machen wir ein bisschen mehr Geld.»
Wie viel ist ein bisschen Geld? «Es wird sogar ein ganz vernünftiges Geschäft, auch wenn wir 2010 und 2014 nicht haben sollten. Ich möchte das jedoch nicht erleben müssen. Es wäre eine Premiere. Die Fussball-WM ist der Anlass Nummer eins für Marketing- und TV-Rechte in der Welt.»
Robert Louis-Dreyfus ist Financier. Ein Mann des Geldes. Das hat ihn zur KirchSport nach Zug gelockt. Stellt sich die Frage: Ist es Geld alleine? Warum soll ausgerechnet dies ein gutes Investment sein?
Das 1:0 in Seoul Am 31. Mai 2002 erzielt auf dem grünen Rasen von Seoul der Senegalese Papa Bouba Diop in der 30. Minute den Treffer zum Aussenseitersieg über Weltmeister Frankreich. Senegals Sieg im Eröffnungsspiel des 17. Finalturniers ist ein prickelnder Moment in der Fussballgeschichte.
Oben auf der Tribüne besprechen Oscar Frei und Karl Reichmuth ein ebenso elektrisierendes Geschäft, das über den Augenblick hinausreichen wird. Der CEO, Frei, und der Privatbankier aus Luzern, Reichmuth, suchen einen möglichen Financier für die KirchSport in Zug. Diese hält unter anderem die TV-Verkaufs- und -Produktionsrechte sowie die Marketingrechte an den beiden Fussball-weltmeisterschaften 2002 in Japan und Südkorea und 2006 in Deutschland. Für 2,8 Milliarden Franken hat der Weltfussballverband Fifa die Lizenz zum Geldverdienen bereits 1997 an die KirchMedia in München verkauft.
Seit einigen Monaten liegt dieser Kontrakt bei der KirchSport in Zug. Die Eigentümer, die Gläubigerbanken der KirchMedia und der Insolvenzverwalter hatten der Überschreibung zugestimmt.
Die Fussballweltmeisterschaften gelten als Juwel im Portfolio (siehe «Portfolio»). Die Turniere 2002 und vor allem 2006 werden zusammen für die Zuger Firma einen geschätzten Reingewinn von gegen 100 Millionen Franken abwerfen. CEO Oscar Frei sagt: «Wir sind ertragsstark und machen Gewinn.» Keines der Objekte also, wie sie Robert Louis-Dreyfus sonst gerne zum Turnaround führt (siehe «Ein Sanierer mit stolzen Referenzen»).
Dennoch ist die Lage ernst. Die KirchSport ist eine Tochtergesellschaft der KirchMedia in München, die im April die Insolvenz hat erklären müssen. Im Mai ist KirchSport-CEO Oscar Frei angespannt und sagt erstmals zu seinem Kompagnon Günter Netzer: «Wenn wir über die zukünftigen Besitzverhältnisse der KirchSport nicht bald Klarheit schaffen können, werden unsere langjährigen Geschäftspartner und Mitarbeiter zunehmend verunsichert, und unser Unternehmen verliert an Wert und Zukunftspotenzial.»
Freis Nervosität ist bemerkenswert, sollte der ehemalige Ringier-Konzernleiter doch zu diesem Zeitpunkt bereits allerhand gewohnt sein. 1999, zwei Monate nach seinem vermeintlichen Rückzug aus dem Geschäftsleben, wechselte der damals 62-Jährige als CEO zum Sportrechtehändler und -pionier Cesar W. Lüthi. Bei dessen CWL in Kreuzlingen traf er erstmals den Manager Günter Netzer. Vom gesundheitlich angeschlagenen, kürzlich verstorbenen Lüthi übernahm er die Leitung des operativen Geschäfts und den Auftrag, die Firma mit Leo Kirchs Prisma zusammenzuführen. Der Merger gelang, die Crew siedelte nach Zug über. Doch gleichzeitig begann der Zusammenbruch des Kirch-Imperiums.
Mit den bedrohlichen Unsicherheiten soll es im Sommer 2002 ein Ende haben. Spätestens bei der Fussball-WM in Asien ist der Plan gefasst. Oscar Frei und Managementkollege Günter Netzer streben das Management-Buyout an. Sie wollen zusammen mit den sechs Kollegen aus der Geschäftsführung das Unternehmen kaufen. Ihnen fehlt nur das Geld. Karl Reichmuth, Verwaltungsrat der KirchSport, wird das Fundraising angehen. Genau so, wie er bereits ein paar Jahre zuvor die Teilfinanzierung des Kultur- und Konzerthauses am See in Luzern (KKL) fertig brachte. Oscar Frei spricht gerne von einem «Management-supported Buyout». Nur: Wer soll diesen Support leisten?
Auf dem grünen Rasen von Seoul greift der französische Torhüter Barthez neben den Ball. Papa Bouba Diop trifft für Senegal. Auf der Tribüne sagt Karl Reichmuth zu Oscar Frei: «Warum nicht Robert Louis-Dreyfus?»
Fussball als Hobby Warum nicht? Ein Financier muss in erster Linie reich sein. Er soll – wenn möglich – Sachverstand besitzen und das Geschäft kennen. Und er müsste im optimalen Fall vertrauensvoll agieren und Kompetenzen abgeben können. Auf Robert Louis Maurice Louis-Dreyfus, den Spross einer französischen Handels- und Schifffahrtsdynastie, trifft dieses Beschreibungsmuster exakt zu. RLD ist ein klein wenig mehr als nur vermögend. Die BILANZ schätzt ihn dieses Jahr in ihrer Reichstenliste auf 800 bis 900 Millionen Franken ein.
Ausserdem liebt und kennt er den Sport. In aktiver wie passiver Form. Bis 1999, bis zum Beginn einer heimtückischen Krankheit, läuft er regelmässig den Boston-Marathon. RLD ist Eigentümer und Präsident des populärsten französischen Fussballklubs, Olympique Marseille. Ihm gehört der belgische Traditionsverein Standard Lüttich, und bei Bayern München amtiert er neben Präsident Franz Beckenbauer im Verwaltungsrat. RLD fliegt schnell nach Paris und sitzt wenig später in einer Loge im Stade de France, schaut sich das Spiel zwischen Paris St-Germain und Marseille an und reisst manchmal vor Begeisterung die Arme hoch. Der Financier ist ein Fussballverrückter. Die rational geleitete Finanzkommune fragt sich leicht irritiert: Warum nur lässt sich dieser Mann vom Fussball leiten?
Warum also, Robert Louis-Dreyfus? «Ich habe den Fussballsport schon als Kind geliebt. Andere Leute stecken ihr Geld in Wohltätigkeitsprojekte – ich gebe meines den Fussballklubs. Mein Hobby sind die Klubs, die ich besitze, darunter ist Olympique Marseille mit 35 Prozent TV-Zuschauerquote in Frankreich die Perle.»
Wie teuer ist Ihr Hobby Marseille? «Für Marseille hab ich bis heute ungefähr 100 Millionen Euro ausgegeben.»
Das ist ein schlechtes Investment. «Sie haben Recht. Meine Frau beklagt sich auch ...»
... und dann hätten Sie noch das Traditionsblatt «Le Figaro» gekauft, schreibt eine französische Zeitung. «Das stimmt nicht. Glauben Sie nie den Journalisten. Ich lese keine Zeitungen.»
Keine? «Nur drei. Die ‹Financial Times›, das ‹Wallstreet Journal› und ‹L’Equipe›.»
Immerhin. Zwei Wirtschafts-, eine Sportzeitung. Ein aufschlussreiches Verhältnis. Man beginnt zu ahnen, woher bei RLD die Energiezufuhr für seine Schubkraft stammt. Sportliebe alleine kann es nicht sein.
Das Management als Asset Zurück von den Fussballmatchs in Asien, nimmt Bankier Karl Reichmuth Kontakt mit Robert Louis-Dreyfus auf. Man kennt sich. Im August trifft RLD erstmals das Management der KirchSport in Zug und lässt sich informieren. Zwei Wochen später vertiefen der CEO, Oscar Frei, und Direktor und Firmenbotschafter Günter Netzer die Gespräche bei einem Besuch im Tessiner Anwesen Louis-Dreyfus’. RLD prüft die Zahlen der Firma. «In den letzten Jahren haben uns alle Beratungsfirmen durchleuchtet», sagt CEO Oscar Frei.
Beim Treffen Anfang September im Tessin sagt RLD Frei und Netzer, dass ihn gerade der Durchhaltewillen des Managements während der vorangegangenen Monate überzeugt habe. Was er meint: Trotz unbeantworteter Eigentümerfrage wickelt die KirchSport die Fussballweltmeisterschaft 2002 in Korea und Japan zur Zufriedenheit aller Beteiligten ab. Über 2000 Personen sind im Sommer in Asien unter Kontrakt. Erstmals übernimmt der ehemalige Sportrechtehändler selber die weltweite Fernsehproduktion für die Fussball-WM. «Es war nicht leicht», sagt Oscar Frei rückblickend. «Wir mussten unseren Partnern vermitteln, dass wir als Schweizer Tochter von der Insolvenz der Münchner Muttergesellschaft nicht betroffen sind.»
Die WM in Japan und Südkorea wird die Visitenkarte des Managements.
Robert Louis-Dreyfus muss nicht lange nachdenken, ob er investieren wolle.
«Ich entschied mich sehr schnell. Ich wusste, dass es schnell gehen müsste, denn Konkurrenten standen bereit. Ich war jedoch mit einem anderen Preis konfrontiert, als dass ich ursprünglich angenommen hatte.»
War der definitive Preis höher? «Ja, ich hatte an weniger gedacht.»
Teurer wird es, weil Louis-Dreyfus die heutige Infront Sports & Media (ehemals KirchSport) rückwirkend auf den 1. Januar 2002 frei von Guthaben und Schulden kaufen muss. Das hat zur Konsequenz, dass der Investor mehr Cash überweist als zuvor geplant, denn etliche der vom Unternehmen verbuchten Franken fliessen in Realität erst im Verlaufe des Jahres in die Kassen nach Zug. Das heisst: RLD bezahlt vorübergehend mehr, erhält aber schon bald wieder einiges zurück.
Der Grund für dieses eigentümliche Konstrukt ist einfach: Kirchs Gläubiger und der Insolvenzverwalter wollen so schnell als möglich Bargeld sehen. Der Zeitdruck, der auf den Deal wirkt, ist enorm. Am 15. September gibt Ober-Insolvenzverwalter in Sachen Kirch, Michael Jaffé, die Entscheidung bekannt, dass er exklusiv mit dem Management und Robert Louis-Dreyfus über den Verkauf verhandelt. Die Finanzstärke des Privatmannes RLD sowie die Kapitalsicherheit seiner weiteren Beteiligungen machen Jaffé sicher, dass ein genügend potenter Partner am Verhandlungstisch sitzt.
Bis zum 31. September, dem Tag des Abschlusses, treiben sich Jaffés Beauftragter, Ziems, und RLD gegenseitig in die Höhe. An Halloween kommt der Pegel knapp unter 400 Millionen Euro zu stehen.
Jacobs kommt an Bord In der Verhandlungsphase sitzt Robert Louis-Dreyfus alleine mit Joachim Ziems am Tisch, und RLD macht diese Art der Arbeit sichtlich Spass. Dabei ist er nicht mehr der Einzige an Bord. Der alte Freundschaften treu pflegende RLD hat Partner von der Sache überzeugt.
Die KJ Jacobs AG in Zürich erwirbt einen ebenso grossen Anteil an der Infront Sports & Media wie RLD. Die beiden teilen sich 90 Prozent der Aktien. Christian Jacobs, Verwaltungsratsvorsitzender der Holding, hat Ende letzten Jahres das Amt von seinem Vater, Klaus J. Jacobs, übernommen. Industrieschokolade und Zeitarbeitsvermittler gehören zum Portefeuille. Nun kommt erstaunlicherweise die Ferneh- und Marketingrechtehändlerin hinzu. Erstaunlich? Christian Jacobs sagt: «Als mein Vater damals Adia kaufte, war dies Neuland für ihn und das Portfolio ebenfalls nicht Mainstream. Warum soll die Infront Sports & Media für uns jetzt nicht etwas Ähnliches sein?»
Die Zusammenarbeit mit dem Jacobs-Verwaltungrat Robert Louis-Dreyfus erachtet Christian Jacobs als ideal: «Er schafft Werte durch Kreativität, während ich Erfahrungen in der Gestaltung von Prozessen habe.» Jacobs sieht RLD als einen Investor, der seine Stärken im Marketing, in der Werbung hat (siehe «Ein Sanierer mit stolzen Referenzen»).
Christian Jacobs und RLD verhandeln Ende August nur kurz über ihr gemeinsames Engagement. Louis-Dreyfus hat die Chiffren kontrolliert – der Wirtschaftsanwalt Christian Jacobs vertraut ihm. «Wir wussten beide schnell, was wir machen wollen», sagt Jacobs. Und deutet an, dass Wachstum der Schlüssel für den Kauf ist.
Robert Louis-Dreyfus, wohin geht die Reise der Infront Sports & Media?
«Hoffentlich werden wir die Nummer eins im TV-Rechtehandel für gewisse Sportarten sein. Wir sehen auch ein interessantes Marketinggeschäft. Ich liebe die Formel 1 – aber die war für mich zu teuer. Aber man weiss nie, vielleicht kommt die Chance nochmals. Dann haben wir noch einen Besitz, über den niemand spricht und der hervorragend ist: die Eishockey-Weltmeisterschaft.»
Nächstes Jahr ist in China die Fussballweltmeisterschaft der Frauen, und mit Uli Sigg nimmt ein ehemaliger Schweizer Botschafter in China im neuen Verwaltungsrat Einsitz. Wachsen Sie vor allem nach Fernost?
«Die Entwicklung ist immens. Denken Sie an die chinesische Liga. An Japan, an Südkorea. Wahrscheinlich wird es in Fernost bald so etwas wie eine Champions League nach europäischem Vorbild geben – und ich hoffe, dass wir dann mit von Partie sein können. Fussball wächst weiter. Nur für die USA sind wir nicht optimistisch. Dort ist Fussball ein Spiel für die Unter-18-Jährigen. In den USA gibt es mit American Football und Basketball bereits zu viel Sport am Fernsehen.»
Wachstum in Aussicht Robert Louis-Dreyfus gibt sich leger. Krawatten trägt er selten. Sein Hemd steckt manchmal nicht in der Hose, und die Bluejeans verraten Lockerheit. Dennoch solle man sich von diesem Bild nicht täuschen lassen, sagen jene, die mit ihm Geschäfte gemacht haben. RLD wirkt nicht nur cool – er ist es auch.
Geht es um Stellenabbau, Fabrikschliessungen, Cost-Cutting, so ist der Strich kühl gezogen. RLD hat sich in der Gemeinde der Unternehmer in den letzten zwanzig Jahren vor allem als Marketingstratege, aber auch als konsequenter Kostensenker einen Namen gemacht. Der kameradschaftliche Geist, der ihn in der Arbeit innerhalb der Managementteams auszeichnet, scheint sein Pendant in einer vernunftgeleiteten Analyse von Zahlen und deren bisweilen brutalen Konsequenzen zu finden.
Der lockere RLD rechnet pedantisch genau: Die Analyse der Infront Sports & Media wird ihm deshalb ein interessantes Wachstumssegment aufgezeigt haben. An der Weltmeisterschaft in Südkorea und Japan hat die Firma nicht nur Rechte vermarktet, sondern die Ware Fussball erstmals produziert und als fertige Pixel und digitale Daten an die TV-Stationen verkauft. Bisher haben dies stets verschiedene Fernsehstationen in Zusammenarbeit übernommen. So beispielsweise in Frankreich, wo 1998 die Öffentlich-Rechtlichen sich zusammengefunden, ein Konsortium gebildet und für 70 Millionen Franken die TV-Bilder produziert haben.
Die Infront Sports & Media hat für die einmalige Aufbauarbeit für die komplizierte WM 2002 insgesamt rund 200 Millionen Franken aufgewendet. In Deutschland – wo 2006 am Finalturnier der grosse Reibach erwartet wird – sollen die Aufwendungen auf 100 Millionen Franken sinken. Das passt gut zum Kostendrücker RLD.
Das Wachstumsgeschäft ist in der Firma HBS Group angesiedelt, einer Tochter der Infront Sports & Media. Inzwischen ist die HBS ernsthaft ins Rennen der Produzenten eingestiegen. Die Manager wollen das Fussball-Produktionswissen auch für andere Sportveranstaltungen verwerten. Erste Anfragen von Veranstaltern liegen vor. Dass die Infront Sports & Media mit der ISPR München eine weitere Rechtehändlerfirma (hält TV- und Marketingrechte an europäischen Fussballklubs sowie an der Vermarktung der Deutschen Bundesliga ausserhalb Europas) wohl noch vor Ende dieses Jahres kaufen und damit eine Option ausüben wird, macht die Geschichte exquisit.
Kabelnetze quer durch Frankreich Wirklich fantastische Dimensionen verraten Louis-Dreyfus’ geheime Gedankenspiele erst bei einem Blick auf dessen privates Portefeuille. Dass er der grösste Einzelaktionär von Adidas ist, spielt dabei eine kleine Rolle. RLD ist Botschafter für den Sport und das Geschäft durch und durch. Wichtiger ist ein Investment, das sich bisher auf Frankreich beschränkt.
Im Hexagone hat er über den familieneigenen Pariser Handelsriesen Louis-Dreyfus SA, der 2001 einen Umsatz von 20 Milliarden Euro erzielte, ein Kabelreich aufgebaut. RLD will im Firmendach des Familienunternehmens partout nicht entscheidend mittun, doch den Sektor, in dem er von Genf aus unter dem Namen LDCom seine Geschäft abwickelt, hat er sich unter den Nagel gerissen. Er sammelt die leck geschlagenen kleinen Telefonie-Operateure aus der Zeit der New Economie. Ventelo, Belgacom, Squadran, Kaptech, FirstMark oder 9Telecom heissen die Firmen, die er in den letzten zwölf Monaten schuldenfrei übernommen hat und über sein Kabelnetz laufen lässt. 2500 Personen hat Robert Louis-Dreyfus inzwischen in der Zentrale von LDCom in Genf beschäftigt.
Robert Louis Dreyfus, ist auch die LDCom ein Hobby für Sie? «Nein. Einst wollten wir damit Fiberoptikverkäufer in Frankreich sein. Dank guten Beziehungen zu den Eignern von Kanälen konnten wir die Kabel auf dem Grund der Kanalbette verlegen und an die Grossen der Branche verkaufen. An WorldCom. Zum Glück bezahlen sie alle. Aber die meisten der Kunden gingen später Bankrott. Wir entschieden uns, die Kunden aufzukaufen.»
Wie sieht Ihre offizielle Strategie aus? «Unsere Kunden gehen Bankrott – und eines Tages befinden wir uns unverhofft im Telefongeschäft. Die wahre Strategie ist: Wir sahen eine sehr gute Möglichkeit, die Operateure zu kaufen. Jetzt konkurrieren wir mit France Télécom. Wir besitzen zehn Prozent, France Télécom hat achtzig Prozent Marktanteil. Wir jedoch haben keine Schulden und 500 Millionen Euro in bar. Wir verdienen vom ersten Tag an Geld und machen Gewinn.»
Wie ist das möglich? «WorldCom nahm beispielsweise unsere Fiberoptik für 25 Jahre in Lizenz und bezahlte zu Beginn des Vertrages. WorldCom ist heute Geschichte, und wir haben die Fiberoptik wieder. Sie kostet uns nichts mehr, die Investments sind gemacht. Alles, was wir einnehmen, ist Gewinn.»
Cegetel von Vivendi hält ebenfalls zehn Prozent Marktanteil in Frankreich und steht zum Verkauf. Wollen Sie Cegetel kaufen? «Ich bin am Festnetz interessiert. Wir sehen es als den natürlichen Lauf der Dinge, dass Vodafone bei Cegetel zum Zuge kommt. Wenn Vodafone den Zuschlag kriegt, erhöhen sich unsere Chancen, die Festnetze von Cegetel zu erhalten. Klappt der Deal mit Vodafone nicht, wird Cegetel die Festnetze behalten.»
Wenn Sie das Festnetz von Cegetel haben, wie wird dann Ihre neue, inoffizielle Strategie aussehen? «Wir werden sehen.»
Die fantastische Vorstellung Vorstellbar wäre dies: Robert Louis-Dreyfus, der Hobby-Fussballverrückte, besitzt mit Marseille und anderen Klubs die vermarktbaren Inhalte. Er steuert mit der Infront Sports & Media die TV- und Marketingrechte. Er raffiniert mit der Produktionsfirma HBS Group innerhalb der Infront Sports & Media den Inhalt. Und die TV-Sender – einziges Stück in der Verwertungskette, das nicht RLD gehört – verbreiten die Bilder. Notabene auf den Kabelnetzen, die RLD besitzt. Eine prickelnde Geschäftsvorstellung.
Robert Louis-Dreyfus lacht im kleinen Sitzungsraum laut auf. Warum? «Die Dinge hängen überhaupt nicht zusammen.»
Aber sie passen schön zusammen. «Unser Familiengründer, Louis Dreyfus, der im 19. Jahrhundert lebte, war eine ausserordentlich intelligente Person. Er war der Erste, der an die Idee des Profitcenters glaubte. Bei diesem Gedanken schliesse ich mich ihm an. Ich glaube an die Zahl unter dem letzten Strich. An die Bottom-Line. Infront Sports & Media ist das eine. Adidas das andere. Ich werde nie die Dinge vermischen.»
Wie halten Sie es mit dem Zusammenführen von Menschen? «Das ist ein anderes Thema. Wenn KirchSport einmal in Frankreich ausbauen sollte, ist es sicherlich von Vorteil, mich dabeizuhaben. Ich habe gute Kontakte zur Regierung, zur Liga, zu den Menschen.»
Und diese Kontakte werden Sie nutzen? «Sicherlich.»
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