Eine historische Wahl: In diesem Jahrhundert war kein Mitglied des Bundesrates jünger als die 34jährige Ruth Metzler. Die neue Justizministerin hat bereits eine bemerkenswerte Karriere hinter sich. Vor zehn Jahren machte sie an der Universität Freiburg das Lizentiat, mit dreissig hatte sie das Bücherexperten-Diplom in der Tasche. Ursprünglich liebäugelte die Juristin mit einem Zweitstudium an der HSG. 1990 stiess sie nach einem Probegalopp bei der Bankgesellschaft zur Treuhandfirma STG in St. Gallen; seit 1998 ist sie Vizedirektorin bei PricewaterhouseCoopers, wo auch ihr Mann Lukas Metzler als Anwalt arbeitete. Ihr wichtigstes Revisionsmandat: Marco de Stoppanis NZZ-Gruppe. Ruth Metzler förderte in dieser Männerdomäne die Frauen kräftig; in der Revisionsabteilung sind es heute deren zehn. Wäre sie übrigens nicht Bundesrätin geworden, so hätte sie in die Unternehmensberatung gewechselt. Den Sprung in die Politik verdankt Metzler einer Frau: Maria Eugster-Breitenmoser, die erste Präsidentin des Frauenforums, überredete sie 1992, als Bezirksrichterin zu kandidieren, nachdem die Innerrhoder widerwillig das Frauenstimmrecht eingeführt hatten. Ruth Metzler schaffte diese Wahl genauso wie 1995 jene ins Kantonsgericht. 1996 glückte ihr in einer Kampfwahl als erster Frau der Sprung in die Innerrhoder Standeskommission, die Regierung. Als Säckelmeisterin verschaffte sich die forsche Newcomerin an der Seite von «König» Carlo Schmid und Arthur Loepfe rasch Respekt, Finanzminister Kaspar Villiger holte sie in die Kommission für die Familiensteuerreform. Ständerat Schmid warnte die Hobbytaucherin vergeblich davor, sich ins Berner Polit-«Haifischbecken» zu begeben. Nach ihrer Wahl ist der stillstehende Landammann wieder alleiniger Herrscher Innerrhodens. Am 25. April befindet die Landsgemeinde zu Appenzell über Metzlers wichtigstes Werk: das neue Steuergesetz.
Die Appenzeller Connection
Welch ein Wunder: der mini-kanton Innerrhoden verteidigt den Bundesratssitz von Arnold Koller! Gute Kontakte pflegt Ruth Metzler zu Treuhänder Karl Fässler, ihrem Vorgänger als Säckelmeister. Eng befreundet sind die Metzlers mit dem Tierärzte-Ehepaar Andreas und Barbara Mittelholzer. Als Metzlers Heim im Krachen Brenden ob Meistersrüte eingeschneit war, gewährte ihnen der befreundete Mobiliar-Generalagent Hans Fritsche Unterschlupf. Sukkurs erhielt Metzler aus Ausserrhoden wie aus St. Gallen. Die Freisinnigen Marianne Kleiner, Hans Rudolf Merz und Dorle Vallender setzten voll auf die Karte Metzler, genauso wie der Rheintaler Zementbaron Thomas Schmidheiny. Er plädierte öffentlich für sie, obwohl er sie persönlich nicht kennt. Gute Kontakte pflegt Metzler zum Unternehmer Hans Huber (SFS-Stadler, Heerbrugg).
Wahlmänner und Verehrer
Am meisten nützten ihr jene St. Galler, die ihrer Kandidatin Rita Roos mehr oder weniger offen die Qualifikation absprachen, so etwa die Freisinnigen Milli Wittenwiler und Erika Forster. Der St. Galler SVP-Jungbauer Toni Brunner stieg für die junge Lady auf die Barrikaden, doch den entscheidenden Part spielten reifere, rechte Herren wie der Luzerner Manfred Aregger oder die Aargauer Ulrich Fischer und Willy Loretan (alle FDP). Bauernboss Melchior Ehrler (CVP) und Fuhrhalter Ulrich Giezendanner (SVP) spannten ihre Gäule für sie ein. CVP-Kollegin Ruth Grossenbacher führte sie diskret und mit Bedacht durchs gefährliche Bundeshaus-Labyrinth. Der glühende Waadtländer Metzler-Verehrer Pierre Chiffelle durfte die Angebetete wegen des SP-Stimmzwangs nicht wählen. Dafür schenkte er ihr nach der Kür eine Hanfpflanze.
Der Willisauer Ring
Willisau im Napfgebiet: in ihrer Heimat im Luzerner Hinterland hat sich Ruth Arnold, wie die neue Justizministerin mit Mädchennamen heisst, bereits früh ordentlich Respekt verschafft. Sie war die erste Frau im lokalen (Männer-) Turnverein. Die politisch vifen Willisauer haben immer wieder bekannte Politiker hervorgebracht - der markanteste: Franz Josef Kurmann, ehemaliger CVP-Präsident. CVP-Generalsekretär Hilmar Gernet und der neue Pressechef Paul Felber gehören ebenso zum Willisauer Ring wie Ständerat Franz Wicki, Chef des Bundesrats-Wahlausschusses. Ruths Vater, Alois Arnold, war CVP-Ortsparteipräsident und Gerichtspräsident. Ihr Vorbild ist ebenfalls Luzernerin: die ehemalige Ständeratspräsidentin Josi Meier.
Auf die Wahl einer angeblichen «Mannfrau» reagierten linke Feministinnen unfein. Besonders heftig schlugen die Ex-SP-Generalsekretärin Barbara Haering und die dissidente Genossin Margrith von Felten auf die Pauke. Christiane Brunner, SP-Bundesratskandidatin von 1993, widerspricht ihnen: «Wir brauchen auch rechte Frauen.» Bei den Männern fiel neben SVP-Chef Ueli Maurer ein Metzler-Gegner besonders auf: Ausgerechnet Rolf Engler, der einzige Innerrhoder Nationalrat, setzte auf Konkurrentin Rita Roos. Weil er Metzler und Roos wüst beschimpfte, wurde «Le Temps»-Kolumnist Denis Maillefer gefeuert.