Abgestürzte Flugzeuge orten, Naturkatastrophen aus der Luft abschätzen oder Rodungen im Regenwald überwachen: Für Satellitentechnik gibt es zahllose Einsatzmöglichkeiten. Allerdings ist es technisch enorm kompliziert und zum Beispiel für Hilfsorganisationen unerschwinglich, die Daten zu nutzen.
Um dieses Problem zu lösen, hat Microsoft-Gründer Bill Gates mit seiner Stiftung das «Radiant Earth-Projekt» ins Leben gerufen. Mit an Bord des millionenschweren Vorhabens ist eBay-Gründer Pierre Omidyar. Die Philanthropen wollen ein frei zugängliches und kostenloses Archiv anlegen, in dem Satellitendaten gesammelt und so aufbereitet werden, dass auch Laien sie verstehen können. Mit Hilfe von «Radiant» könnte dann auch manches uralte Rätsel der Menschheit gelöst werden, zum Beispiel die Frage, wo der legendäre Mongolenherrscher Dschingis-Khan begraben liegt.
«Satellitenbilder dürften eines der mächtigsten und unparteiischsten Werkzeuge sein, um Menschen zu erzählen, was auf der Erde vor sich geht», sagt Albert Lin von der University of California in San Diego. Nicht nur Naturbeobachtung ist möglich, es gibt auch ganz praktische Einsatzmöglichkeiten: Nach dem Absturz des Malaysian-Airlines-Fluges MH370 2014 suchten die Retter die Maschine mit Satelliten. Der Blick aus dem Weltraum half aber auch 2011 dabei, den neuseeländischen Ort Christchurch nach dem verheerenden Erdbeben neu zu kartographieren.
«Radiant» setzt auf Schwarmintelligenz der Nutzer
Zurzeit umrunden fast 1400 Satelliten die Erde. Experten schätzen, dass sich die Zahl binnen fünf Jahren verdoppeln wird. Oft werden sie nur dazu genutzt, TV- oder Kommunikationsdaten zu übertragen. Sie alle könnten jedoch viel häufiger dabei helfen, humanitäre oder ökologische Probleme zu lösen. Gäbe es dabei nicht einen Haken: Man kommt nicht ohne Weiteres an die enorme Datenmenge, die Satelliten ständig sammeln. Anne Hale Miglarese, Geschäftsführerin des «Radiant»-Projektes, sagt, die Welt werde zwar von Satelliten-Daten geradezu überflutet. Trotzdem könne es schwierig und teuer werden, sie zu finden und zu nutzen.
Hier kommt die Gates-Stiftung ins Spiel. «Radiant» soll Bilder von allen Satelliten, Drohnen und sonstigen Flugkörpern der Welt sammeln. Das Besondere ist, dass die Daten so verarbeitet werden, dass jeder sie verstehen kann. Möglich seien sogar 3D-Modelle. Dann setzen die «Radiant»-Initiatoren auf die «Schwarmintelligenz» von vielen Menschen. Interessierte Nutzer helfen von Zuhause aus an ihren Computern bei der Analyse.
Wie diese Vision wahr werden kann, war vergangene Woche Thema eines Kongresses der Gates-Stiftung in Seattle. Daten-Analysten und Wissenschaftler diskutierten, wie «Radiant» Hilfsorganisationen oder Umweltaktivisten helfen könnte. Jed Sundwall, Chef des Amazon-Internetdienstes «Global Open Data», sagt, «Radiant» wolle «Menschen ihre Zeit wiedergeben, damit sich diese auf Recherche und Analyse konzentrieren können».
Suche nach Dschingis-Khan aus der Luft
Eine weitere Einsatzmöglichkeit für «Radiant» sind archäologische Rätsel. Albert Lin hat in seiner Forschung bereits mit ähnlichen Techniken gearbeitet und berichtete in Seattle, wie ihm Satelliten und engagierte Hobby-Archäologen auf der Suche nach dem Grab von Dschingis-Khans halfen. Dabei mussten die Forscher besonders vorsichtig vorgehen. Denn viele Mongolen glauben, dass das Grab heilig ist. Werde es gestört, drohten Katastrophen oder sogar der Weltuntergang.
Hier war die Satellitentechnik ideal, denn sie basiert nur auf Bilddaten und greift nicht in den Untergrund ein. Zunächst schossen Analysten aus Australien und Norwegen Satelliten-Bilder von weit abgelegenen Gebieten in den mongolischen Bergen. Diese Bilder machten die Forscher dann der Öffentlichkeit zugänglich.
Interessierte Nutzer sollten auf den Fotos nach Auffälligkeiten suchen. Schliesslich stiess einer der Freiwilligen auf uralte Strukturen, die man nur aus dem Weltraum erkennen konnte. Dorthin konnten die Analysten dann ein Team am Boden leiten, um die wahrscheinlichsten Stellen für die Grabstätte auszumachen. Die Suche ist noch nicht beendet, aber erstmals gibt es konkrete Anhaltspunkte, wo sich die Grabstelle befinden könnte.
(reuters/ccr)
Sehen Sie in der Bildergalerie unten, welche reichen Tech-Magnaten ihr Geld nicht an ihre Kinder vererben werden: