Detailhändler stehen im Ruf, nebenbei auch Erfinder des Kupferdrahtes zu sein: Ehe sie einen Rappen ausgeben, drehen sie die Münze angeblich so lange im Hosensack, bis sie zu Draht geworden ist. Tatsächlich wahr dürfte sein, dass beruflich trainiertes Knausern auf das Privatleben abfärbt, wenn etwa Einzelhändler mit Lieferanten ständig um Zehntelrappen feilschen. Als gesichert gilt, dass diejenigen auch im grössten Wohlstand eher sparsam bleiben, die viele Jahre ihres Lebens mit wenig Geld haushalten mussten.
Der alte Schwede Ingvar Kamprad (84) (im Bild), sowohl reichster Wahlschweizer als auch erfolgreichster Möbelhändler der Welt, ist geradezu das Bilderbuchexemplar eines solchen Sparfuchses. So trauten Ende Oktober Passagiere im Geneva International Airport ihren Augen kaum: Der Multimilliardär schlurfte durch die Abflughalle, mit der einen Hand zog er mühsam einen Rollkoffer hinter sich her, mit der anderen bot Kavalier Kamprad seiner Gemahlin Margaretha Halt. Die Mutter der drei gemeinsamen Söhne war offensichtlich nicht gut zu Fuss, stützte sie sich doch auch noch auf einen Stock. Nach dem Einchecken nahm das Paar in der Halle Platz. So wie Kamprads anscheinend jeglichen Gepäckträgerservice verweigern, machen sie auch Bögen um Business- oder First-Class-Lounges: Das würde ja ein teures Ticket bedingen. Allein mit Teilen seiner Festgeldanlagen könnte sich Kamprad einen ganzen Flugplatz kaufen. Ihn scheint allerdings die Frage mehr zu beschäftigen, warum Einweggeschirr von den Kunststoff-Spritzmaschinen stets mit geriffelter Struktur ausgespuckt wird, sodass der Möbelmilliardär als braver Hausmann bisher noch jedes Mal dabei scheiterte, solche Becher und Teller völlig rückstandsfrei von Hand abzuwaschen.
Brot zum halben Preis. Die Sparsamkeit des 84-Jährigen ist legendär. Beim Bäcker am Wohnort in der Waadt etwa erwirbt Kamprad gerne die kurz vor Ladenschluss zum halben Preis feilgebotenen Backwaren. Und in der Migros-Filiale vergisst der Milliardär niemals, seine Cumulus-Bonuskarte zu zücken – auch dann nicht, wenn er eine Fünf-Franken-Uhr vom Wühltisch mit 75 Prozent Rabatt bar bezahlt.
Eine vergleichbare Mentalität bescheinigen Beobachter dem im Sommer 88-jährig verstorbenen deutschen Aldi-Discount-Pionier Theo Albrecht. Der jüngere Bruder des Schweiz-Eroberers Karl Albrecht schwor zum Beispiel auf das Einreiben von Schuhsohlen mit Spannlack, weil der Abrieb nach einer solchen Behandlung extrem vermindert und die Laufleistung der Schuhe so um Dutzende Kilometer verlängert werde. Theo Albrecht belehrte bisweilen auch Verkäuferinnen in den Aldi-Filialen, wie sie mehrere Brocken Seifenreste wieder zu einem handhabbar grossen Stück kneten können. Seinen beiden Söhnen, Theo junior und Berthold Albrecht, soll der Patron vor längeren Autofahrten einen Routenplaner in die Hand gedrückt haben mit markierten Tankstellen, an denen Benzin besonders preiswert war.
So wie der Aldi-Patriarch noch anderthalb Jahrzehnte nach Umstellung der deutschen Postleitzahlen von vier auf fünf Ziffern das bereits gedruckte und an Lager gehaltene Briefpapier eigenhändig per Bleistift aktualisierte, schnitt Albrechts ursprünglicher Landsmann und Handelskollege, der Metro-Gründer Otto Beisheim (86), vor dem Versand von Nachrichten per Telefax den Text unter der letzten Zeile so knapp ab, dass der Schlusssatz nach der Übermittlung vom Empfänger oft nicht mehr zu lesen war. Weshalb der Milliardär, wie die Aldi-Brüder aus dem deutschen Ruhrgebiet gebürtig, aber seit Jahrzehnten eingebürgert in Baar im steuergünstigen Kanton Zug, keine ganze DIN-A4-Seite sendete? Das hätte wegen der längeren Übermittlungszeit zusätzliche Rappen Telefonkosten verschlungen.
Allerdings leistete sich Beisheim schon früh einen Privatjet, während die weitaus reicheren Kamprads ausschliesslich Economy fliegen. Der Milliardär Alan Parker vom Genfersee, mit der Einrichtung von Duty-free-Shops an mehr als 100 Flughäfen zu Reichtum gekommen, frönt ebenfalls dem Flug in der sogenannten Holzklasse. Der gebürtige Brite beklagt, dass er tiefer in die Reisekasse greifen müsse, wann immer er seinen Advokaten im Schlepptau habe. Der Rechtsbeistand reklamiert nämlich angeblich: «Anwälte reisen nur erste Klasse.»
Müllabfuhr im Jet. Den absoluten Spar-Rekord hält mit dem verstorbenen Tetra-Pak-Verpackungsmilliardär Gad Rausing ein Landsmann Ingvar Kamprads. Wie der Ikea-Möbelhändler richtete auch der damalige Teilhaber der aus Lausanne gesteuerten Tetra Laval Group mit Gattin Birgit seinen Hauptwohnsitz am Genfersee ein. Geradezu verschwenderisch leistete sich das Ehepaar in der schwedischen Heimat ein Ferienhäuschen. Als allerdings die Gemeinde aus Skandinavien eine Rechnung für Müllentsorgung in Rausings Briefkasten einwarf, reagierte der Milliardär empört. Keine Öre wollte er in Schweden zahlen. Seine Begründung sorgt noch heute für Lachkrämpfe im Rathaus: Den Müll, schrieb Rausing, verpacke er höchstselbst und nehme ihn aus dem Feriendomizil jeweils mit zum Hauptwohnsitz nach Montreux – in der Gepäckablage des Flugzeuges, notabene.
Der selige Baron August von Finck (1898–1980), Vater von vier mehr oder weniger wohlgeratenen Söhnen, liess sich in seiner Hoch-Zeit als Privatbankier zu München allmorgendlich in einem VW Käfer ins Kontor chauffieren, paffte genüsslich preiswerte 20-Rappen-Zigarren, deren Stumpen der Milliardär in einer Pfeife aufrauchte. Legendär sind des Seniors pingelige Rechnungsprüfungen: Jede Lieferung von Briefpapier landete bei Sohn August zum Nachwiegen. Der Stammhalter und amtierende Clanchef, Herr auf Schloss Weinfelden im Thurgau, schnitt dazu einen Quadratmeter Papier fein säuberlich aus und legte die Streifen auf die Waage. Schlug der Zeiger nicht exakt bis zur 80-Gramm-Linie auf der Skala aus, wurde reklamiert.