Die Entscheidung des Bundesgerichts, die Mietleitungspreise der Swisscom nicht der Interkonnektionsregelung zu unterstellen, hat in der Schweizer Telekom-Branche für Frustration gesorgt. Beobachter werten das Urteil als weitere Stärkung der Monopolstellung der Swisscom und als Vorentscheid gegen die Entbündelung der letzten Meile, über die wiederum das Bundesgericht in den nächsten Wochen befindet. Besonders hart ist der Schiedsspruch für den Sunrise-Chef, Kim Frimer.

Seit der Fusion mit Diax Anfang des Jahres ist sein Unternehmen mit 1,6 Milliarden Umsatz (erwartet für 2001) und 2100 Mitarbeitern der grösste Herausforderer der Swisscom. Sunrise ist der einzige Anbieter, welcher der Swisscom im lukrativen und vom Bundesgerichtsentscheid direkt betroffenen Geschäftskundensegment nennenswerte Marktanteile abnehmen konnte: im Internetbereich (33 Prozent), im Datenverkehr (14 Prozent) und im Festnetz (13 Prozent).

BILANZ: Was bedeutet für Sie der jüngste Bundesgerichtsentscheid?
Kim Frimer:
Ich bin überrascht und enttäuscht. Wir glaubten, dass Swisscom verlieren würde. Swisscom bietet den Endkunden eine Mietleitung zu einem günstigeren Preis an als dem, den sie uns als Grossabnehmer verrechnet.

Diese Entscheidung hat die Chancen für eine Entbündelung der letzten Meile sinken lassen.
Es gibt keine Verbindung zwischen dem Unbundled Local Loop und dieser Entscheidung. Hier geht es um einen Grossabnahmepreis in einem unregulierten Geschäftsbereich. Die letzte Meile ist ein regulierter Geschäftsbereich. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass die Schweiz das einzige Land der Welt ohne Entbündelung der letzten Meile sein will.

Die Schweiz ist in vielen Bereichen ein Sonderfall!
Wenn das stimmen würde, wäre es ein ernstes Problem für die Schweizer Geschäftswelt. Der Wettbewerb verschwände. Die Preise, die durch die Liberalisierung gesunken sind, stiegen wieder. Und wenn die Schweizer Unternehmen höhere Preise für Telekom-Dienste zahlen müssten, litte ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit. Mittel- und langfristig würden sie ihre Aktivitäten ins Ausland verlagern.

Ist die Liberalisierung des Schweizer Telekom-Marktes gescheitert?
Wenn wir die Entbündelung nicht bekommen, dann ja. Hingegen gab es einige Bereiche, in der die Liberalisierung perfekt durchgezogen wurde, wie im Mobilfunk oder bei der ersten Runde der Interkonnektionspreise.

Eine neue Studie von Arthur D. Little zeigt, dass die Swisscom bei den Geschäftskunden im Mobilfunkmarkt noch immer einen Marktanteil von 98 Prozent hält. Im Fixnetz sind es 76 Prozent. Das zeugt nicht von Liberalisierungserfolg.
Es bedeutet für die Unternehmen Aufwand, den Carrier zu wechseln. Das lohnt sich nur, wenn man Geld spart. Solange die Preise nicht reguliert sind, kann die Swisscom zum Kunden gehen und mit dem Preis, den dieser mit Sunrise oder einem anderen Anbieter ausgehandelt hat, gleichziehen.

Sie könnten die Preise weiter senken. Die Swisscom müsste so lange nachziehen, bis sich echte Marktpreise bilden würden.
Das geht nicht, denn die Swisscom hat historisch bedingt die beste Kostenstruktur in der Schweiz. Aber wenn die Swisscom für die Mietleitungen intern die gleichen Preise verrechnen müsste, wie sie von uns verlangt, würde sie rote Zahlen schreiben!

Haben Sunrise & Co. den Kampf um die Geschäftskunden demnach verloren?
Wir haben den ersten Teil der Schlacht um die Top-Businesskunden verloren. Wenn man eine so grosse und gut geführte Firma wie Swisscom nicht reguliert, wird es in der Schweiz keinen Wettbewerb geben.

Wie bitte?
In allen anderen Ländern sind die Preise reguliert. Dort können die Exmonopolisten die Konkurrenz nicht einfach mit Preisdumping aus dem Markt drücken. Das passiert hier.

Wenn die Kunden bei gleichem Preis die Swisscom vorziehen: Haben Sunrise und die andern alternativen Anbieter ein Glaubwürdigkeitsproblem?
Wir haben eine ganze Anzahl der grossen Schweizer Unternehmen als Kunden. In Sachen Produktqualität haben wir also kein Problem. Aber es ist eine Frage der Bequemlichkeit. Wenn man durch einen Wechsel nichts spart, warum sollte dann noch jemand den Anbieter wechseln?

Wie sieht ihr Plan B aus, wenn die Entbündelung nicht kommt?
Unsere Strategie baut fest auf die Entbündelung. Wir haben 28 Millionen in eine WLL-Lizenz investiert. Es stellte sich heraus, dass die Technologie nicht wettbewerbsfähig ist. Es gibt keine Alternative zur letzten Meile der Swisscom. Deswegen bin ich überzeugt, dass es eine Regulierung braucht.

Das heisst, wenn die Entbündelung nicht kommt, ist Ihr ganzes Geschäftsmodell in Gefahr.
Wir riskieren zumindest, dass unser Wachstumspotenzial minimiert wird. Wir haben zwar im sonstigen Festnetzgeschäft noch ein gesundes Potenzial. Aber den Bereich der Geschäftskunden müssten wir aufgeben. «Schlacht um Top-Businesskunden verloren»
Partner-Inhalte