In luxuriösen Hotels bedeutet teurer Service nicht unbedingt guter Service. Vielreisende können darüber ein Lied singen: Zu oft muss man um die Gunst von aufgeblasenen Kellnern kämpfen, die einem schliesslich lauwarme, mittelmässige Menüs unter Silberdeckeln vorsetzen. Zu oft muss man bei der Ankunft ein halbes Dutzend Trinkgeldzapfsäulen passieren, bis man in seinem Zimmer angekommen ist. Und zu oft wird man in marmorglänzenden Hallen von blasierten Réceptionistinnen ignoriert, die damit beschäftigt sind, in ihre Computer zu schreiben: «Ich hasse diesen Gast. Ich hasse mein Leben. Ich werde auch den Gast dazu bringen, sein Leben zu hassen.»
In solchen Momenten sehnt sich der Vielreisende nach einem Aman-Resort. In den Aman-Resorts sind die Mitarbeiter von Grund auf gut zu Ihnen, arbeiten in einer Art höheren Zufriedenheit und übertragen ihre herzliche Selbstverständlichkeit auf Sie, den Gast, der mit ungekünstelter Freundlichkeit empfangen, mit spontaner Zuvorkommenheit bedient und überall mit Namen oder zumindest einem offenen Lächeln begrüsst wird. Mehr noch: Die Mitarbeiter in den Aman-Resorts scheinen nicht nur ihren Gästen Respekt entgegenzubringen, sondern auch einander, dem Hotel, sich selbst. Und die vielen eingefleischten Fans, die sich weigern, in anderen Hotels abzusteigen – die «Aman-Junkies», wie sie in der Branche heissen –, machen mit ihren Ferienerzählungen mehr Leute süchtig als jede (auch deshalb vermiedene) Werbekampagne. Das mutet beinahe schon gespenstisch an, wie eine Saga aus einer Zauberwelt.
Diese Zauberwelt wurde von einem Mann erschaffen oder besser: erfunden, der Hotels eigentlich nicht besonders mag. Als der indonesische Lebemann Adrian Zecha vor 13 Jahren einen acht Hektar grossen Kokospalmenhain in einem geschützten Winkel der thailändischen Insel Phuket erwarb und darauf ein kleines Luxusresort mit 40 Zimmern erstellte, staunte die Fachwelt: Das «Amanpuri» war ein alle Normen sprengendes Antihotel auf höchstem Niveau. Alles war anders, alles aufregend neu.
Zecha, der zuvor als Berater für die Regent-Gruppe neue Massstäbe im Luxussegment der asiatischen Hotellerie gesetzt hatte, nahm sich bei seinem revolutionären Konzept die Freiheit, all das wegzulassen, was er an Hotels hasste. Es sollte keine Praline auf dem Kopfkissen geben, kein gelangweiltes, arrogantes Personal an der Rezeption, keine Quittung, die für jede Flasche Wasser, die man bestellt, unterschrieben werden muss, keine Musik im Aufzug, keine Barbecuepartys am Pool, keinen Begrüssungscocktail mit dem Hotelmanager.
Kollegen aus seiner Zeit bei Regent sagten ihm, er sei verrückt. Sie argumentierten, dass man mit nur vierzig Zimmern kein Geld verdienen könne. Doch Adrian Zecha bewies ihnen, dass die geschäftlich erfolgreichen Genussmenschen dieser Welt bereit sind, für geschmackvolle Refugien an exotischen Plätzen ihre Ferienhäuser zwischen Capri und Long Island zu verlassen – und viele Hundert Dollar pro Nacht für intelligenten, schwerelosen Luxus und kultivierten Lifestyle auszugeben. Die Idee von Zecha schlug ein – und sie rechnete sich.
Nach dem Erfolg des «Amanpuri» baute Zecha eine Überraschung nach der anderen, holte immer wieder den Himmel auf die Erde, und zwar stets dorthin, wo sie in ihrer landschaftlichen Grundausstattung ohnehin schon wie das Paradies aussieht. Inzwischen gibt es zwölf Aman-Hotels auf fünf Kontinenten. Und sie werden kopiert, dass sich die Kokospalmen biegen. «Die Oberois, Banyan Trees, Rosewoods, Four Seasons, sie alle haben das Aman-Konzept sofort aufgesogen», meint die deutsche Reisejournalistin Sibylle Zehle. «Längst haben sich die Grenzen zwischen Kopie und Original verwischt, aber eines ist klar: Nach den Amans konnten kleine, feine Luxus-Hideaways nicht mehr so geführt werden wie zuvor. Adrian Zecha hat das oberste Segment der Luxushotellerie stärker umgekrempelt als alle Investoren und Marketingmanager zusammen. Den Angestellten gab er ihre Würde zurück, den Gästen schenkte er Glück.»
Der Schlüssel zu diesem Erfolg ist ganz einfach die Qualität. Die herausragenden Serviceleistungen. Das Kraftfeld von Herzlichkeit und Genuss, das Verwöhntwerden ohne Anbiederung oder Abfertigung. Und natürlich die architektonische Integrität: Zusammen mit dem in Paris lebenden amerikanischen Architekten Ed Tuttle hat Zecha etwas ganz Neues erfunden, eine Art Ethno-Modernismus, wenn man das so bezeichnen kann. Die Gäste wohnen in der Regel in eigenen Pavillons, die in separate Bereiche zum Wohnen und Schlafen unterteilt sind – den meisten Platz nimmt dabei meist das Bad ein, eines der Markenzeichen der Aman-Resorts.
Es gibt wohl keine andere Hotelkette mit einer vergleichbar sinnlichen Atmosphäre und keinen anderen Hotelier, der die Ästhetik so sichtbar höher bewertet als den Kommerz. Was die Ritz-Hotels vor hundert Jahren waren, sind die Aman-Resorts für die heutigen Trendsetter. Jeder, der etwas auf sich hält, möchte hier logieren. Aber während die Ritz-Hotels den ostentativen Stil der Reichen imitierten, erwarb sich die Aman-Gruppe ihren Ruf nicht mit Protz und Angeberei, sondern durch eine gelassene Verwöhnatmosphäre in spektakulärer Umgebung. Die Leute kommen nicht hierher, um gesehen zu werden, sondern um sich zu verbergen.
Das wunderbarste aller wunderbaren Aman-Resorts? Vielleicht das im Frühling 2000 eröffnete «Amanjena» in Marrakesch. Dreieinhalb Flugstunden von Zürich entfernt sind Sie in einer anderen Welt.
Sie treten also aus dem Terminal des Flughafens von Marrakesch, und drei Minuten später entkrampfen Sie sich im Fond einer klimatisierten Limousine auf makellos weissen Sitzbezügen aus Leinen, und der Fahrer, der Ihnen die gekühlten Handtücher fürs Gesicht und einen Drink reicht, fragt Sie, ob Sie lieber Mozart, Frank Sinatra oder Nina Simone hören möchten. Zwanzig Minuten später wird er in die Anlage des «Amanjena» einbiegen – ein magischer Ort, der die Ruhe und Klarheit asiatischer Tempelanlagen hat und die sinnliche Ausstrahlung eines maurischen Palastes. Sie sind angekommen.
Sie sehen keinen Schlüsselbund, keine Zimmernummer 1017, keine Trinkgeldgesichter, keinen Computer und keine Anmeldeformulare an der Réception, nur einen offenen Raum zum Durchatmen, einen ausladenden Tisch mit einer Blume darauf, dahinter eine lächelnde Marokkanerin, die Sie mit einer Freude empfängt, als wären Sie der erste Gast. Die lächelnde Marokkanerin wird Sie nun durch die Anlage führen – die ersten Blicke werden Ihnen den Atem rauben – und schliesslich durch ein Tor in einer der Mauern bitten, und dahinter können Sie es finden: Ihr privates Paradies.
Als Gast bewohnen Sie hier kein Zimmer, sondern haben ein ganzes Haus für sich. Jedes Haus ist eine luftige Konstruktion mit einer in der Mitte fünf Meter hohen Deckenkuppel. Noch bevor der Korken vom Begrüssungschampagner knallt, beschliessen Sie vielleicht, Ihre Wohnung daheim gründlich zu entrümpeln – wenn Sie überhaupt noch einmal zurückkehren wollen. Denn die Materialien, die Ideen, die Philosophie, die Adrian Zecha in die 34 «Pavillons» (alle mit privatem Garten) und zweistöckigen «Maisons» (mit jeweils zwei respektive drei Schlafzimmern und eigenem Pool) gebaut hat, sind eine Befreiung fürs Auge. Sind purer Ästhetikbalsam für überreizte Geschmacksnerven, die hohe Kunst der feinen Linien und der Reduktion. In diesen Traumrefugien scheinen die wenigen Möbel auf den Mosaikböden zu schweben. Ein Zustand, der sich auch leicht auf die Gäste übertragen kann: beim Blick vom Diwan auf Olivenplantagen und das schneegekrönte Atlas-Gebirge oder beim Dösen in der schattigen Privatsphäre auf dem breiten Lounge-Sofa im privaten Garten, der für sich kaum kleiner ist als manche Schweizer Hotelsuite.
Am Abend taucht das «Amanjena» seine kühle Eleganz in ein Lichtermeer und macht aus der maurischen Palastanlage eine Märchenkulisse aus 1001 Nacht. Das Schwimmbad funkelt wie ein Edelstein, ein Duft von Rosen und Gewürzen liegt in der Luft, die Zikaden beginnen mit ihrem nächtlichen Zirpkonzert. Bei leiser marrokanischer Live-Musik werden Ihnen auf der Terrasse der beiden Restaurants einheimische Speisen in einer zeitgenössisch leichten Version serviert.
Und dann wachen Sie am nächsten Morgen auf, blicken in die Kuppel über dem Bett, sehen auf Ihren Garten, wo ein Brunnen plätschert und das Frühstück serviert wird. Sie greifen sich vom Teller eine Frucht, die Sie noch nie geschmeckt haben, wählen einen Spiegel und schauen in ein glückliches Gesicht. Es ist Ihres.
Es muss Ihnen gehören. Es sein denn, Sie würden es nicht geniessen, dass nichts am «Amanjena» einem «normalen» Hotel ähnelt. Dass die grosszügige Anlage nur für eine Hand voll Gäste (maximal siebzig) da ist und Sie das riesige Schwimmbad auch bei vollem Haus praktisch für sich allein haben. Dass alles funktioniert und nichts fehlt – nicht die Extra-Leselampe und nicht das Holzkästchen, in dem das Briefpapier auf dem Schreibtisch liegt. Sie werden es bestimmt schätzen, dass jedes Zimmer über ein Cheminée verfügt, das nur noch angezündet zu werden braucht. Dass die Schränke selbst für die Garderobe von Elton John gross genug wären. Dass im Bad, das die Bäder aller anderen Luxushotels etwas schäbig aussehen lässt, duftende Shampoos, Badeöle und Bodylotions in hübschen Glasflaschen auf Sie warten. Oder dass Ihre Wäsche wie ein Geschenk zurückkommt, in hauchfeines weisses Papier gehüllt, mit Schleife und Orchidee.
Es sind gerade diese stimmigen Kleinigkeiten und unerwarteten Extras, mit Nachwirkung in das grosse Drama aus Landschaft und Architektur gesetzt, in denen Adrian Zechas Formel deutlich wird: die Kombination eines eleganten Purismus mit einer bis zum Schlüsselanhänger reichenden Liebe zum Detail. Es ist die Einladung, sich vom oberflächlichen Erfahrungsverbrauch zu erholen, die Offerte, genauer hinzusehen, den Augenblick auszukosten. So geschieht es nicht selten, dass in den Aman-Resorts selbst notorische Aktivisten in zenbuddhistischer Kontemplation verharren. Und wenn sie überhaupt an einen Ortswechsel denken, dann möglichst ins nächste Aman-Resort.
Wenn Sie allerdings bei der Buchung auf einen Discount hoffen, liegen Sie falsch. Jeder Gast bezahlt denselben Preis für dieselbe Leistung. Die Aman-Resorts geben niemandem einen Preisnachlass, belohnen auch niemanden mit Punkten oder Mitgliedskarten. Im Gegenteil, oft muss man sich als Gast darum bemühen, ein Zimmer zu bekommen. So wird auch keinerlei Werbung gemacht: «Ich vertraue auf die Mundpropaganda», sagt Adrian Zecha. «Das ist wie bei den Restaurants: Die wirklich guten werben nicht.»
Wer sich ein Zimmer ergattern konnte, dem wird eine Gegenleistung geboten, wie er sie sonst in kaum einem Hotel findet. Pierre Baumgartner, Gastgeber im «Amanjena» in Marrakesch, bringt es so auf den Punkt: «instant relaxation» und ein «sense of beeing» in einem Umfeld ohne Zwänge und ohne Regeln. «No rules, no obligations. Der Gast soll entscheiden, was er tun und lassen will.» Die zwölf Direktoren der zwölf Aman-Resorts geniessen weit gehende Entscheidungsfreiheiten: Während sich etwa der General Manager eines Mövenpick-Hotels bei Amtsantritt mit sieben dicken Ordnern voller Direktiven herumschlagen muss und die Four-Seasons-Hotelgruppe mit zweitausend «Standards» arbeitet, die rund um die Uhr angestrebt werden müssen, erhält ein Aman-Gastgeber lediglich einen Ordner mit der Aufschrift «Finance» in die Hand gedrückt. Pierre Baumgartner spricht von einem «gut organisierten Chaos» und baut auf den gesunden Menschenverstand seiner Mitarbeiter und Gäste: Während in einem «Four Seasons» aus Sicherheitsgründen am Schwimmbad die Wassertiefe alle paar Zentimeter in Riesenlettern angeschrieben ist und überall in den Zimmern kleine Kärtchen mit Geboten und Verboten herumstehen, ist es im «Amanjena» beispielsweise kein Problem, wenn ein Gast nachts um drei ins Schwimmbad springt. Im Gegenteil, es kann ihm passieren – wie dem Autor dieses Artikels –, dass ihm beim Verlassen des Pools eine gute Seele des Hauses spontan einen Bademantel und frischen Pfefferminztee bringt.
Ende der Neunzigerjahre sah es so aus, als wäre Adrian Zecha «out of the business». Die Shareholder hatten eine Weile lang andere Ideen als der geniale Gründer und Impresario der Aman-Gruppe. In dieser Zeit kreierte er mit der mexikanischen Luxushazienda «Mahakua» eine ganz neue Kette: die Maha- Hotels. Kaum eröffnet, gab es durch das Ausscheiden des Hauptaktionärs, des US-Investors Colony Capital, plötzlich Aman-Frieden. Nun ist Zecha wieder Herr im Haus und gut für neue Überraschungen. Ein halbes Dutzend neue Aman-Resorts sind, über die ganze Welt verteilt, in den nächsten vier Jahren geplant. Auch dort wird Sie das Fehlen von Zwängen und Regeln begeistern, die verschwenderische Liebe zum Detail betören. Und Sie nachhaltig für andere Hotels verderben.
In solchen Momenten sehnt sich der Vielreisende nach einem Aman-Resort. In den Aman-Resorts sind die Mitarbeiter von Grund auf gut zu Ihnen, arbeiten in einer Art höheren Zufriedenheit und übertragen ihre herzliche Selbstverständlichkeit auf Sie, den Gast, der mit ungekünstelter Freundlichkeit empfangen, mit spontaner Zuvorkommenheit bedient und überall mit Namen oder zumindest einem offenen Lächeln begrüsst wird. Mehr noch: Die Mitarbeiter in den Aman-Resorts scheinen nicht nur ihren Gästen Respekt entgegenzubringen, sondern auch einander, dem Hotel, sich selbst. Und die vielen eingefleischten Fans, die sich weigern, in anderen Hotels abzusteigen – die «Aman-Junkies», wie sie in der Branche heissen –, machen mit ihren Ferienerzählungen mehr Leute süchtig als jede (auch deshalb vermiedene) Werbekampagne. Das mutet beinahe schon gespenstisch an, wie eine Saga aus einer Zauberwelt.
Diese Zauberwelt wurde von einem Mann erschaffen oder besser: erfunden, der Hotels eigentlich nicht besonders mag. Als der indonesische Lebemann Adrian Zecha vor 13 Jahren einen acht Hektar grossen Kokospalmenhain in einem geschützten Winkel der thailändischen Insel Phuket erwarb und darauf ein kleines Luxusresort mit 40 Zimmern erstellte, staunte die Fachwelt: Das «Amanpuri» war ein alle Normen sprengendes Antihotel auf höchstem Niveau. Alles war anders, alles aufregend neu.
Zecha, der zuvor als Berater für die Regent-Gruppe neue Massstäbe im Luxussegment der asiatischen Hotellerie gesetzt hatte, nahm sich bei seinem revolutionären Konzept die Freiheit, all das wegzulassen, was er an Hotels hasste. Es sollte keine Praline auf dem Kopfkissen geben, kein gelangweiltes, arrogantes Personal an der Rezeption, keine Quittung, die für jede Flasche Wasser, die man bestellt, unterschrieben werden muss, keine Musik im Aufzug, keine Barbecuepartys am Pool, keinen Begrüssungscocktail mit dem Hotelmanager.
Kollegen aus seiner Zeit bei Regent sagten ihm, er sei verrückt. Sie argumentierten, dass man mit nur vierzig Zimmern kein Geld verdienen könne. Doch Adrian Zecha bewies ihnen, dass die geschäftlich erfolgreichen Genussmenschen dieser Welt bereit sind, für geschmackvolle Refugien an exotischen Plätzen ihre Ferienhäuser zwischen Capri und Long Island zu verlassen – und viele Hundert Dollar pro Nacht für intelligenten, schwerelosen Luxus und kultivierten Lifestyle auszugeben. Die Idee von Zecha schlug ein – und sie rechnete sich.
Nach dem Erfolg des «Amanpuri» baute Zecha eine Überraschung nach der anderen, holte immer wieder den Himmel auf die Erde, und zwar stets dorthin, wo sie in ihrer landschaftlichen Grundausstattung ohnehin schon wie das Paradies aussieht. Inzwischen gibt es zwölf Aman-Hotels auf fünf Kontinenten. Und sie werden kopiert, dass sich die Kokospalmen biegen. «Die Oberois, Banyan Trees, Rosewoods, Four Seasons, sie alle haben das Aman-Konzept sofort aufgesogen», meint die deutsche Reisejournalistin Sibylle Zehle. «Längst haben sich die Grenzen zwischen Kopie und Original verwischt, aber eines ist klar: Nach den Amans konnten kleine, feine Luxus-Hideaways nicht mehr so geführt werden wie zuvor. Adrian Zecha hat das oberste Segment der Luxushotellerie stärker umgekrempelt als alle Investoren und Marketingmanager zusammen. Den Angestellten gab er ihre Würde zurück, den Gästen schenkte er Glück.»
Der Schlüssel zu diesem Erfolg ist ganz einfach die Qualität. Die herausragenden Serviceleistungen. Das Kraftfeld von Herzlichkeit und Genuss, das Verwöhntwerden ohne Anbiederung oder Abfertigung. Und natürlich die architektonische Integrität: Zusammen mit dem in Paris lebenden amerikanischen Architekten Ed Tuttle hat Zecha etwas ganz Neues erfunden, eine Art Ethno-Modernismus, wenn man das so bezeichnen kann. Die Gäste wohnen in der Regel in eigenen Pavillons, die in separate Bereiche zum Wohnen und Schlafen unterteilt sind – den meisten Platz nimmt dabei meist das Bad ein, eines der Markenzeichen der Aman-Resorts.
Es gibt wohl keine andere Hotelkette mit einer vergleichbar sinnlichen Atmosphäre und keinen anderen Hotelier, der die Ästhetik so sichtbar höher bewertet als den Kommerz. Was die Ritz-Hotels vor hundert Jahren waren, sind die Aman-Resorts für die heutigen Trendsetter. Jeder, der etwas auf sich hält, möchte hier logieren. Aber während die Ritz-Hotels den ostentativen Stil der Reichen imitierten, erwarb sich die Aman-Gruppe ihren Ruf nicht mit Protz und Angeberei, sondern durch eine gelassene Verwöhnatmosphäre in spektakulärer Umgebung. Die Leute kommen nicht hierher, um gesehen zu werden, sondern um sich zu verbergen.
Das wunderbarste aller wunderbaren Aman-Resorts? Vielleicht das im Frühling 2000 eröffnete «Amanjena» in Marrakesch. Dreieinhalb Flugstunden von Zürich entfernt sind Sie in einer anderen Welt.
Sie treten also aus dem Terminal des Flughafens von Marrakesch, und drei Minuten später entkrampfen Sie sich im Fond einer klimatisierten Limousine auf makellos weissen Sitzbezügen aus Leinen, und der Fahrer, der Ihnen die gekühlten Handtücher fürs Gesicht und einen Drink reicht, fragt Sie, ob Sie lieber Mozart, Frank Sinatra oder Nina Simone hören möchten. Zwanzig Minuten später wird er in die Anlage des «Amanjena» einbiegen – ein magischer Ort, der die Ruhe und Klarheit asiatischer Tempelanlagen hat und die sinnliche Ausstrahlung eines maurischen Palastes. Sie sind angekommen.
Sie sehen keinen Schlüsselbund, keine Zimmernummer 1017, keine Trinkgeldgesichter, keinen Computer und keine Anmeldeformulare an der Réception, nur einen offenen Raum zum Durchatmen, einen ausladenden Tisch mit einer Blume darauf, dahinter eine lächelnde Marokkanerin, die Sie mit einer Freude empfängt, als wären Sie der erste Gast. Die lächelnde Marokkanerin wird Sie nun durch die Anlage führen – die ersten Blicke werden Ihnen den Atem rauben – und schliesslich durch ein Tor in einer der Mauern bitten, und dahinter können Sie es finden: Ihr privates Paradies.
Als Gast bewohnen Sie hier kein Zimmer, sondern haben ein ganzes Haus für sich. Jedes Haus ist eine luftige Konstruktion mit einer in der Mitte fünf Meter hohen Deckenkuppel. Noch bevor der Korken vom Begrüssungschampagner knallt, beschliessen Sie vielleicht, Ihre Wohnung daheim gründlich zu entrümpeln – wenn Sie überhaupt noch einmal zurückkehren wollen. Denn die Materialien, die Ideen, die Philosophie, die Adrian Zecha in die 34 «Pavillons» (alle mit privatem Garten) und zweistöckigen «Maisons» (mit jeweils zwei respektive drei Schlafzimmern und eigenem Pool) gebaut hat, sind eine Befreiung fürs Auge. Sind purer Ästhetikbalsam für überreizte Geschmacksnerven, die hohe Kunst der feinen Linien und der Reduktion. In diesen Traumrefugien scheinen die wenigen Möbel auf den Mosaikböden zu schweben. Ein Zustand, der sich auch leicht auf die Gäste übertragen kann: beim Blick vom Diwan auf Olivenplantagen und das schneegekrönte Atlas-Gebirge oder beim Dösen in der schattigen Privatsphäre auf dem breiten Lounge-Sofa im privaten Garten, der für sich kaum kleiner ist als manche Schweizer Hotelsuite.
Am Abend taucht das «Amanjena» seine kühle Eleganz in ein Lichtermeer und macht aus der maurischen Palastanlage eine Märchenkulisse aus 1001 Nacht. Das Schwimmbad funkelt wie ein Edelstein, ein Duft von Rosen und Gewürzen liegt in der Luft, die Zikaden beginnen mit ihrem nächtlichen Zirpkonzert. Bei leiser marrokanischer Live-Musik werden Ihnen auf der Terrasse der beiden Restaurants einheimische Speisen in einer zeitgenössisch leichten Version serviert.
Und dann wachen Sie am nächsten Morgen auf, blicken in die Kuppel über dem Bett, sehen auf Ihren Garten, wo ein Brunnen plätschert und das Frühstück serviert wird. Sie greifen sich vom Teller eine Frucht, die Sie noch nie geschmeckt haben, wählen einen Spiegel und schauen in ein glückliches Gesicht. Es ist Ihres.
Es muss Ihnen gehören. Es sein denn, Sie würden es nicht geniessen, dass nichts am «Amanjena» einem «normalen» Hotel ähnelt. Dass die grosszügige Anlage nur für eine Hand voll Gäste (maximal siebzig) da ist und Sie das riesige Schwimmbad auch bei vollem Haus praktisch für sich allein haben. Dass alles funktioniert und nichts fehlt – nicht die Extra-Leselampe und nicht das Holzkästchen, in dem das Briefpapier auf dem Schreibtisch liegt. Sie werden es bestimmt schätzen, dass jedes Zimmer über ein Cheminée verfügt, das nur noch angezündet zu werden braucht. Dass die Schränke selbst für die Garderobe von Elton John gross genug wären. Dass im Bad, das die Bäder aller anderen Luxushotels etwas schäbig aussehen lässt, duftende Shampoos, Badeöle und Bodylotions in hübschen Glasflaschen auf Sie warten. Oder dass Ihre Wäsche wie ein Geschenk zurückkommt, in hauchfeines weisses Papier gehüllt, mit Schleife und Orchidee.
Es sind gerade diese stimmigen Kleinigkeiten und unerwarteten Extras, mit Nachwirkung in das grosse Drama aus Landschaft und Architektur gesetzt, in denen Adrian Zechas Formel deutlich wird: die Kombination eines eleganten Purismus mit einer bis zum Schlüsselanhänger reichenden Liebe zum Detail. Es ist die Einladung, sich vom oberflächlichen Erfahrungsverbrauch zu erholen, die Offerte, genauer hinzusehen, den Augenblick auszukosten. So geschieht es nicht selten, dass in den Aman-Resorts selbst notorische Aktivisten in zenbuddhistischer Kontemplation verharren. Und wenn sie überhaupt an einen Ortswechsel denken, dann möglichst ins nächste Aman-Resort.
Wenn Sie allerdings bei der Buchung auf einen Discount hoffen, liegen Sie falsch. Jeder Gast bezahlt denselben Preis für dieselbe Leistung. Die Aman-Resorts geben niemandem einen Preisnachlass, belohnen auch niemanden mit Punkten oder Mitgliedskarten. Im Gegenteil, oft muss man sich als Gast darum bemühen, ein Zimmer zu bekommen. So wird auch keinerlei Werbung gemacht: «Ich vertraue auf die Mundpropaganda», sagt Adrian Zecha. «Das ist wie bei den Restaurants: Die wirklich guten werben nicht.»
Wer sich ein Zimmer ergattern konnte, dem wird eine Gegenleistung geboten, wie er sie sonst in kaum einem Hotel findet. Pierre Baumgartner, Gastgeber im «Amanjena» in Marrakesch, bringt es so auf den Punkt: «instant relaxation» und ein «sense of beeing» in einem Umfeld ohne Zwänge und ohne Regeln. «No rules, no obligations. Der Gast soll entscheiden, was er tun und lassen will.» Die zwölf Direktoren der zwölf Aman-Resorts geniessen weit gehende Entscheidungsfreiheiten: Während sich etwa der General Manager eines Mövenpick-Hotels bei Amtsantritt mit sieben dicken Ordnern voller Direktiven herumschlagen muss und die Four-Seasons-Hotelgruppe mit zweitausend «Standards» arbeitet, die rund um die Uhr angestrebt werden müssen, erhält ein Aman-Gastgeber lediglich einen Ordner mit der Aufschrift «Finance» in die Hand gedrückt. Pierre Baumgartner spricht von einem «gut organisierten Chaos» und baut auf den gesunden Menschenverstand seiner Mitarbeiter und Gäste: Während in einem «Four Seasons» aus Sicherheitsgründen am Schwimmbad die Wassertiefe alle paar Zentimeter in Riesenlettern angeschrieben ist und überall in den Zimmern kleine Kärtchen mit Geboten und Verboten herumstehen, ist es im «Amanjena» beispielsweise kein Problem, wenn ein Gast nachts um drei ins Schwimmbad springt. Im Gegenteil, es kann ihm passieren – wie dem Autor dieses Artikels –, dass ihm beim Verlassen des Pools eine gute Seele des Hauses spontan einen Bademantel und frischen Pfefferminztee bringt.
Ende der Neunzigerjahre sah es so aus, als wäre Adrian Zecha «out of the business». Die Shareholder hatten eine Weile lang andere Ideen als der geniale Gründer und Impresario der Aman-Gruppe. In dieser Zeit kreierte er mit der mexikanischen Luxushazienda «Mahakua» eine ganz neue Kette: die Maha- Hotels. Kaum eröffnet, gab es durch das Ausscheiden des Hauptaktionärs, des US-Investors Colony Capital, plötzlich Aman-Frieden. Nun ist Zecha wieder Herr im Haus und gut für neue Überraschungen. Ein halbes Dutzend neue Aman-Resorts sind, über die ganze Welt verteilt, in den nächsten vier Jahren geplant. Auch dort wird Sie das Fehlen von Zwängen und Regeln begeistern, die verschwenderische Liebe zum Detail betören. Und Sie nachhaltig für andere Hotels verderben.
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1 Kommentar
Seit 04.2021 gibt AZUMI Setoda in Japan.
Das Konzept ist gleich sein, aber ich habe überlegt, dass die Wahrnehmung des Resort der Japanern anders als hier oder überhaupt in der Welt ist. Und das Gebäude ist aus einem japanischen Haus genützt.
Omotenashi ist in Japan von den Japanern für die Japanern entwickelt und sie erwarten im Hotel besonders.
Wenn die Gäste Japaner sind bekommen sie japanischen Service und die anderen bekommen den Aman Original?
Ich weiß nicht, ob die Globalisierung auch den Service von Hotels einheitlich machbar ist.