Schweizer Hoteliers kommen heute nicht mehr an Online-Buchungsplattformen vorbei. Auf gesetzlichem Weg wollen sie sich gegen deren Preisdiktat wehren. Doch für eine Emanzipation von Booking.com und Co. braucht es mehr: Eine eigene Digitalisierungsstrategie.
Der Anteil der Reservationen von Hotelzimmern, die über Onlinebuchungsplattformen vorgenommen werden, steigt laufend. 2016 erreichte er über 27 Prozent, wie das Tourismusinstitut der Walliser Fachhochschule HES-SO in einer Studie errechnet hat.
Drei von vier Reservationen über booking.com
Dabei dominieren die drei Plattformen booking.com, Expedia und HRS den Markt. Den Löwenanteil davon hat sich booking.com gesichert: Rund drei von vier Reservationen über Onlinebuchungsplattformen werden über diese Seite getätigt. Die Onlineplattformen profitieren von ihrem Technologiefortschritt und ihren Marketinganstrengungen.
Hoteliers können es sich also kaum leisten, nicht auf diesen Plattformen vertreten zu sein. Die Onlineriesen können deshalb ihre Bedingungen gut durchsetzen. Laut dem Branchenverband Hotelleriesuisse unterjochen sie die Hotelbetreiber mit immer restriktiveren Vorgaben.
Unterstützung durch Parlament
Als besonders problematisch bezeichnet der Verband die sogenannte enge Preisparitätsklausel: Diese verbietet es Hoteliers, den Kunden auf ihren eigenen Internetseiten bessere Preise anzubieten als auf den Buchungsplattformen. Auf anderen Buchungsplattformen, am Telefon oder der Laufkundschaft dürfen die Hotels dagegen tiefere Preise anbieten - diese weite Preisparität hat die Wettbewerbskommission (Weko) verboten.
Mit ihrer Kritik an der engen Preisparität ist die Branche in Bundesbern auf offene Ohren gestossen. In der letzten Herbstsession beauftragte das Parlament den Bundesrat mit einer Motion, solche Bestpreisklauseln für Hotels auf Buchungsplattformen zu verbieten.
In Bern weiterhin umstritten
In Deutschland, Frankreich, Österreich und Italien hat der Staat bereits zu Gunsten der Hotels eingegriffen. «Wir wollen nur gleich lange Spiesse», sagt Christophe Hans, Leiter Wirtschaftspolitik bei Hotelleriesuisse. «Wir haben einen Etappensieg erreicht», kommentiert er den Parlamentsentscheid.
Der Bundesrat hat nun zwei Jahre Zeit, um zu handeln. Das Dossier ist in Bern aber weiterhin umstritten: Die Gegner einer stärkeren Regulierung argumentieren, solche Internetseiten brächten Fortschritte für die Konsumenten. Die Befürworter hingegen sehen solche Klauseln als Behinderung des gesunden Wettbewerbs.
Hohe Kommissionen
Doch die Klausel ist nicht der einzige Kritikpunkt an den Onlineriesen von Seiten der Hotels: Sie monieren auch überzogene Kommissionen und mangelnde Transparenz über die Rankings auf diesen Plattformen, die bestimmen, wie weit oben ein Hotel gelistet ist.
So hat auch der Preisüberwacher die Onlinebuchungsplattformen ins Visier genommen. Im September hat er ein Verfahren gegen Booking.com eingeleitet. Zuvor hatte er bei einer Untersuchung Hinweise auf einen Preismissbrauch bei den Kommissionen, die die Hotels zahlen müssen, gefunden. Die Plattform weist diese Vorwürfe vehement zurück: Die Tarife seien seit 2010 nicht mehr gestiegen.
Laut der Studie der HES-SO haben die Hoteliers 2016 152 Millionen Franken Kommissionen an die Onlinebuchungsplattformen gezahlt, im Schnitt sind das pro Hotel 34'000 Franken. Die Höhe der Kommissionen hängt von verschiedenen Faktoren ab.
Booking.com ist ein flexibler Marketing-Champion
Booking.com startete einst als kleines Start-up, das war 1996. Seither hat sich die niederländische Seite fortlaufend zu einem Digitalriesen gemausert. Die Gruppe sei ein wahrhafter Marketing-Champion, sagt Roland Schegg, Professor am Institut für Tourismus der HES-SO. Die Plattform höre nie auf, sich den Kundenbedürfnissen anzupassen und entwickle sich ständig weiter.
«Wir haben den Eindruck, dass Booking konstant Änderungen auf bestimmten Märkten testet. Dadurch beweisen sie eine unermessliche Flexibilität», sagt Hans von Hotelleriesuisse. So führt die Plattform täglich sogenannte A/B-Tests durch, wobei sie zunächst verschiedenen Nutzern mehrere Varianten eines Objekts anzeigt. Danach verwendet sie diejenige Version, die am besten bei den Kunden angekommen ist.
Digitale Strategie notwendig
In den Augen von Tourismusprofessor Schegg ist die Anpassung der rechtlichen Rahmenbedingungen nötig, aber genügt allein noch nicht, damit sich die Hotels emanzipieren können.
Die unaufhaltsame Evolution der Digitalisierung biete nämlich auch neue Möglichkeiten. So erlaubten es soziale Netzwerke, auf eine Art in Kontakt mit Kunden einzutreten, die vor 20 Jahren noch nicht möglich gewesen sei.
Gewisse Hoteliers hätten ihr Marketing einfach an Booking ausgelagert. Diese Strategie sei zwar möglich, führe aber zum Verlust der Unabhängigkeit, sagt Schegg. Dabei hätten die Hotels die Chance, eine Beziehung zu den Kunden aufzubauen, die Booking.com nicht habe.
Die Hoteliers müssten eine digitale Strategie entwickeln. Dabei seien auch Zusammenarbeiten zwischen mehreren Akteuren wie den Tourismusbüros und den grossen Hotelketten denkbar.
«Man muss fortlaufend auf allen Niveaus innovieren und versuchen, wie ein Start-up zu funktionieren», sagt Schegg. Das ist noch nicht in allen Köpfen angekommen: Viele touristische Akteure verharren laut Schegg weiterhin in einem traditionellen Schema.
(sda/ccr)