Der erste Kunde an diesem sonnigen Herbsttag landet mit seinem privaten Helikopter. Er kauft eine Dose Kaviar, und weiter geht der Flug. «Er rief mich heute Morgen an und fragte, ob er schnell vorbeikommen könne. Heute Abend fliegt er weiter in die Lenzerheide zum Znacht», sagt Renato Stefani, CEO der Kasperskian AG in Leuk-Susten. Selbstverständlich holt der Chef seine Kundschaft vom firmeneigenen Heliport ab und kutschiert sie zur Eingangshalle.

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Genauso anspruchsvoll wie seine Kunden ist auch das Produkt, das die Firma im Wallis gewinnt und vertreibt: Kaviar. Und um an die schwarzen Perlen zu kommen, muss kein Stör sein Leben lassen – die Rogen werden hier am lebenden Exemplar gewonnen.

Gezüchtet werden die Störe selten

Von dieser Methode war auch Nestlé-Präsident Peter Brabeck-Letmathe angetan, als Geschäftsführer Stefani auf Investorensuche ging. Als Hauptaktionär stieg Brabeck privat 2015 ins Kaviargeschäft ein. In der Schweiz erfreuen sich die luxuriösen Fischeier grosser Beliebtheit: Laut der Eidgenössischen Zollverwaltung stiegen die Importzahlen seit 2012 von damals fünf Tonnen auf fast sieben Tonnen im Jahr 2015. Gezüchtet werden die Störe in der Schweiz hingegen selten. Neben der Farm in Susten gibt es noch eine weitere im Tropenhaus Frutigen im Kanton Bern.

Es riecht wie an einem heissen Sommertag an der Zürcher Limmat. In der 7500 Quadratmeter grossen Halle reiht sich Wasserbecken an Wasserbecken. Darin schwimmen Störe dicht gedrängt – in den einen Behältern die Sibirischen, in den anderen die Russischen. Das Wasser hat durch die Futterpellets eine grünliche Färbung. Je nach Wachstumsstadium werden die Tiere mehrmals am Tag gefüttert. Die vom Aussterben bedrohten Knochenfische würden gemäss den behördlichen Richtlinien gehalten, sagt Stefani.

Zehn Prozent des Körpergewichts

Eine Beckenreihe weiter schwimmen einige wenige Exemplare. Sie erholen sich gerade von der Rogenentnahme – rund ein Jahr bis 18 Monate wird es dauern, bis sie wieder Kaviar produzieren. Etwa zehn Prozent des Gesamtgewichts eines Störs machen die Fischeier aus: Ein Sieben-Kilo-Exemplar ergibt also 700 Gramm Kaviar. Wie die Entnahme genau vonstattengeht, ist geheim.

Ohnehin ist Kasperskian so verschwiegen wie Google. Angaben zu der Anzahl Tiere, den gewonnenen Rogen oder der Nachzucht gibt es keine. Man wolle der Konkurrenz keine Informationen liefern, sagt Stefani. So bleibt man vage: «In unseren Becken befinden sich Störe im zweistelligen Tausenderbereich.» Die Nachzucht läuft bereits auf Hochtouren.

In einem Nebenraum stehen badewannengrosse Becken, in denen sich Hunderte kleine, bis handgrosse Störe tummeln. Befruchtet werden die Eier per Hand, die Schlupfrate liegt bei über 80 Prozent. Jede Nachzucht ist zur Hälfte männlich und weiblich. Nach rund zwei Jahren kann das Geschlecht der Fische mittels Ultraschallgerät festgestellt werden. Einige männliche Tiere werden zur Zucht behalten, die anderen nach einigen Jahren für den Verzehr geschlachtet.

Auch wird der Kaviar nicht ausschliesslich den lebenden Tieren entnommen. Ein sehr geringer Teil des Kaviars werde traditionell gewonnen. Der Stör würde aber natürlich ganz verwertet, so Renato Stefani. Doch bis die kleinen Fische ihre ersten Rogen produzieren, dauert es noch Jahre: sieben bei Russischen Stören, fünf bei Sibirischen.

Sauber und sicher

Der Ort der Entnahme und Verarbeitung liegt im hinteren Teil der Halle, gut abgeschirmt vor neugierigen Blicken. Auch aus Hygienegründen darf dort niemand unbefugt hinein. Stefani erklärt, dass die Störe mit einer nichtinvasiven Massagemethode «gemolken» würden. Der Fisch werde zum Ablaichen bewegt. Dabei würden weder Eileiter noch andere Teile des Tieres angeschnitten. «Die Entnahme dauert maximal fünf Minuten und ist für den Stör völlig ungefährlich.»

Das Wohl der Tiere stehe an erster Stelle, denn nur ein gesunder Stör produziere erneut Kaviar, so Stefani. Die Verlustrate ist bei Kasperskian sehr niedrig: Nur rund ein Prozent der Störe sterben – in anderen Betrieben, in der Aquakultur könne die Rate zwischen zehn und zwanzig Prozent liegen, sagt Renato Stefani.

Brabeck als Privatmann beteiligt

Insgesamt wurden 30 Millionen Franken in das Unternehmen investiert. Für Peter Brabeck ist das Projekt spannend: «Hochwertige Konsumgüter interessieren mich allgemein. Und an diesem Projekt ist die Nachhaltigkeit ein ausschlaggebender Faktor», sagt er, der sich seit dem Herbst 2015 als Privatmann und nicht als Nestlé-Präsident an der Kaviarzucht beteiligt. Selber geniesst er die Fischeier ab und an, und das noch lieber, wenn der Stör dafür nicht hat sterben müssen. Ohnehin beobachte er, dass die Leute bewusster Kaviar konsumierten, da es sich beim Stör um eine vom Aussterben bedrohte Tierart handle.

Ein weiterer Investor ist der in England lebende Russe Konstantin Sidorov. Denn dereinst soll der russische Markt auch aus der Schweiz beliefert werden, Sidorov hat die Kontakte. «Russland ist das Land mit dem höchsten Kaviarimport, wir sehen hier ein grosses Potenzial», sagt Brabeck. Ausserdem habe Sidorov dem Unternehmen die Lizenzvergabe für die aus Russland stammende Entnahmemethode ermöglicht. Nun soll erst einmal die Schweiz mit dem schwarzen Gold beliefert werden. Auch nach Deutschland wird geliefert, und in England hat Kasperskian einen lokalen Vertrieb.

Anschluss nicht verlieren

Als Hauptaktionär und aktiver Verwaltungsrat ist Peter Brabeck eng mit dem Kaviarunternehmen verbunden. Vor allem am Marketingkonzept und am Produktdesign schraubte er mit. «Ich investiere nur dort, wo ich auch ein persönliches Interesse habe, nicht nur, um Geld zu machen», sagt er.

Und Kasperskian verbinde genau das: Qualität, Nachhaltigkeit und ausgezeichnete Technologie. Etwas, dem sich Brabeck auch nach seinem Rückzug als Nestlé-Präsident widmen will. «Ich möchte in Projekte im Bereich neuer Technologien und Nachhaltigkeit involviert sein, die mich weiterhin an die Jugend und die Aktualität binden.»

Um mit der Marketingwelt in Kontakt zu bleiben, sitze er im Board der Designschule ECAL Lausanne. Und um den Anschluss an junge Talente nicht zu verlieren, ist er im Verwaltungsrat einer grossen Headhunterfirma. Zudem bleibt er weiterhin Vizepräsident des WEF, um «in Kontakt mit der grossen Welt zu bleiben», wie er sagt. Zudem investiere er in verschiedene Start-ups.

Nachhaltigkeit wird gross geschrieben

Ein Fischer oder Jäger sei er nie gewesen, sein Interesse an Kasperskian sei geschäftlich. «Ich möchte aber nicht nur als Investor, sondern auch auf der Hobbyseite aktiv sein.» Privat freut sich Brabeck auf Wanderungen in den Bergen – und auf sein Flugzeug: der PC-24 von Pilatus. Auch wolle er einmal längere Zeit in seinem Haus auf Ibiza verbringen. «Aber mein Hauptziel ist es, mich wieder vollkommen von meiner Erkrankung zu erholen – das braucht mehr Zeit als früher.»

In Susten bei Kasperskian wird Nachhaltigkeit grossgeschrieben: Über 2000 Solarzellen auf dem Dach der Firma erzeugen Strom für über 170 Haushalte, das Wasser in den Störbecken wird über ein Filtersystem und eine eigene Wasseraufbereitungsanlage gereinigt und wieder aufbereitet. Um die Qualität so hoch wie möglich zu halten, sind die Produktionswege kurz.

Beliefert werden zurzeit vornehmlich Hotelküchen und Restaurants. Kunden sind unter anderen das «Montreux Palace», das «Waldhotel Fletschhorn» in Saas-Fee und die «Hostellerie du Pas de l’Ours» in Crans-Montana.

Persönliche Stör-Patenschaft

Seit Oktober sind die Luxus-Fischeier im Globus zu haben. Wer es ganz persönlich wünscht, kann eine Stör-Patenschaft abschliessen und erhält dann ausschliesslich von diesem Tier seinen Kaviar. Doch auch die Rogen von Lucy oder Nancy haben ihren Preis. Zudem gibt es verschiedene Qualitätsstufen: 100 Gramm der «Master’s Selection» kosten fast 800, die gleiche Menge der «Premium Selection» 370 Franken, «Classic» 270. Für 800 Gramm der zweitgenannten Sorte zahlt man über 2400 Franken.

In der Eingangshalle kann man auf einem Bildschirm über eine Livecam den Stören beim Schwimmen zusehen, aus den Lautsprechern im Hintergrund plätschert ein Klavierkonzert, an der golden gestrichenen Wand sind die verschiedenen Kaviardosen nach Grösse aufgereiht. Auf einer Theke stehen Kühler mit Champagner und Wodka, daneben Teller und Gläser: Denn jeder darf auf einen Besuch bei Kasperskian vorbeischauen und das schwarze Gold probieren – auch ohne privaten Helikopter.

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