Österreichs 31-jähriger ÖVP-Chef Sebastian Kurz steht nach dem Wahlsieg seiner Partei bei der österreichischen Nationalratswahl vor dem Höhepunkt seiner steilen Politiker-Karriere. Der wegen seiner scharfen Asylpolitik weit über die Landesgrenzen hinweg bekannte bisherige Aussenminister hat gute Chancen, einer der jüngsten Regierungschefs der Welt zu werden.
Der gebürtige Wiener, der im Mai auf den zurückgetretenen Parteichef Reinhold Mitterlehner folgte, gilt als politisches Ausnahmetalent. Anfangs von vielen noch belächelt, mauserte er sich innerhalb weniger Jahre zur Kanzler-Hoffnung seiner Partei.
Aus dem Tal der Tränen
Schliesslich verfügt der ÖVP-Chef über die mit Abstand höchsten Popularitätswerte aller Politiker in der Alpenrepublik. Parteifreunde bezeichnen ihn als «fleissig, ambitioniert und durchsetzungsstark». Bei der Nationalratswahl gelang ihm schliesslich, was die Umfragen schon seit längerem bescheinigen: Er holte für die ÖVP deutlich mehr Wählerstimmen als bei der Wahl vor vier Jahren und führte die Partei damit nach 15 Jahren wieder an die Spitze.
«Sebastian Kurz hat die ÖVP aus dem Tal der Tränen herausgeführt», sagte der steirische Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer nach der Wahl. Nachdem Kurz das Ruder übernommen hatte, schnellten die Umfragewerte für die zuvor strauchelnde Partei schlagartig auf Platz eins in die Höhe. Jäh beendet wurde damit auch der Höhenflug der rechtspopulistischen FPÖ, die nach dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise über viele Monate die Umfragen anführte.
Koalitionspartner wurden zu Gegnern
Als ersten Schritt nach der Übernahme der Parteiführung im Mai drängte Kurz öffentlich auf Neuwahlen und verärgerte damit den Koalitionspartner SPÖ. Kurz darauf platzte das Bündnis der beiden Parteien. Regulär wären die nächsten Wahlen im Herbst 2018 geplant gewesen. Die rot-schwarze Koalition stritt zuvor seit Monaten über die Umsetzung des Regierungsabkommens und blockierte sich gegenseitig.
In einem TV-Duell im Wahlkampf erklärte Kurz, dass er ganz bewusst die Regierung aufgelöst habe, weil er der Überzeugung sei, dass diese nicht die Kraft habe, die derzeitigen Probleme zu lösen. Da das Verhältnis der beiden Parteien mittlerweile als zerrüttet gilt, ist eine Neuauflage der Grossen Koalition so gut wie auszuschliessen. Politologen sind sicher, dass stattdessen die FPÖ gute Chancen habe, in die Regierung zu kommen. Kurz kündigte jedenfalls an, mit allen Parteien über eine Koalition sprechen zu wollen.
«Staatsmann der neuen Art»
Über die Landesgrenzen hinweg bekannt wurde Kurz für seinen scharfen Kurs in der Flüchtlingspolitik. Im Wahlkampf wurde er nicht müde zu betonen, dass er massgeblich für die Schliessung der Balkanroute im März 2016 verantwortlich gewesen sei. Die Blockade der Flüchtlingsroute von der Türkei in Richtung Nordwesteuropa sorgte für deutlich sinkende Migrationszahlen in Österreich und Deutschland. Kurz bezeichnet dies als seinen grössten politischen Erfolg.
Das US-Magazin «Time» listete den Österreicher daraufhin als «Staatsmann der neuen Art» unter die «zehn Führungspersönlichkeiten der nächsten Generation». «In deutschen Medien bin ich in ein rechtes Eck gerückt und kritisiert worden», sagte Kurz vor wenigen Tagen in einem Fernsehduell mit FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache.
Politik statt Studium
Kurz wuchs als Sohn einer Lehrerin und eines Mechanikers im Wiener Bezirk Meidling auf. Nach dem Abitur begann er ein Studium der Rechtswissenschaften, was er bis heute aber nicht abgeschlossen hat. Schon früh interessiert er sich für Politik und schliesst sich der Jungen ÖVP an. 2010 wurde er Abgeordneter zum Wiener Landtag und Gemeinderat, bis er 2011 zum Staatssekretär für Integration ernannt wurde. 2013 wurde er Aussenminister und damit der jüngste EU-Politiker in diesem Amt.
Bei öffentlichen Auftritten und Interviews präsentiert er sich selbstsicher und mit geschliffener Rhetorik. Von Karikaturisten wird Kurz, der sich stets mit penibel nach hinten gekämmten Haaren zeigt, gerne mit übergrossen Segelohren gezeichnet. Sein Privatleben möchte er gerne möglichst bedeckt halten. Seine langjährige Freundin Susanne Thier hielt sich bei öffentlichen Auftritten bislang sehr im Hintergrund.
(reuters/jfr)