Was man denn tun müsse, um in der «Kronenhalle» hervorragend bedient zu werden, wurden wir nach der Auswertung unserer Umfrage zu den besten Serviceteams gefragt. Sich einen Namen in der Zürcher Bourgeoisie zu machen und sich dann Tisch für Tisch von den hinteren Speisesälen in den privilegierten Teil, die Brasserie, vorzuarbeiten, kann ja wohl nicht die Antwort sein. Und auf die eindeutige Spitzenbewertung in der BILANZ-Umfrage unter routinierten Auswärtsessern aus Gastro-, Wirtschafts- und Medienwelt hinzuweisen, befriedigt ebenso wenig.
Die Antwort liegt darin, dass man die «Kronenhalle» nicht mit den Augen eines normalen Gastes betrachten darf – das Etablissement am Bellevue ist sozusagen hors concours. Um die «Kronenhalle» zu verstehen, muss man dazugehören, muss man etwas von der unvergleichlichen Durchmischung der Gäste begreifen. Die «Privatbank unter den Restaurants» (so der Gast Hans J. Bär) ist ein Gesamtkunstwerk, ein Kosmos, ein Welttheater und zunächst einmal eine Herausforderung.
Tritt der Speisewillige durch die Eingangstür, landet er mitten im Geschehen und wird von einem halben Hundert Augen gemustert, bis er vom Zeremonienmeister an seinen Tisch begleitet wird. Wer warum wo sitzt, lässt sich nur ahnen, und für die Habitués ist es ein Vergnügen zu beobachten, wie die Damen und Herren aus aller Welt sich der Tortur des Platziertwerdens ausliefern und wie sie den Marsch in die Halbverdammung an einen mittelmässigen Tisch überspielen.
Die guten Kunden, die sich hier begrüssen, abküssen und beobachten, werden von den rund 30 Kellnerinnen und Kellnern noch wie Herrschaften behandelt. Wie beim Interieur und bei der Küche wurden auch beim Service keinerlei Konzessionen an den Zeitgeist gemacht. Viele Kellner sind trotz herkömmlicher Uniformierung echte Originale, die man sofort ins Herz schliesst – oder eben nicht.
Unverkrampfte Diskretion ist das oberste Gebot des geschmeidigen Chef de Service, Paul Senn, der schon seine Lehre in der «Kronenhalle» gemacht hat und seit vielen Jahren das Geschehen im Haus mit Sperberaugen überwacht. Und selbst wenn die Bedienung zu Stosszeiten manchmal überfordert ist, tut das der Anziehungskraft der «Kronenhalle» keinen Abbruch. Im Gegenteil: «Wer sich dieses Lokal mit seiner wertvollen Bildergalerie, dem stimmungsvollen Interieur und der vibrierenden Anwesenheit extravertierter Paradiesvögel aus Politik, Wirtschaft, Kultur und Society gelegentlich zu Gemüte führt, wird früher oder später abhängig von der Droge ‹Kronenhalle› und spätestens nach zwei Monaten Abstinenz unter massiven Entzugserscheinungen leiden», schreibt der «Gault Millau».
Cool und locker: «Schürmann’s»
Schürmann’s Restaurant in Riehen BS, das zum Trendlokal mit dem besten Serviceteam gekürt worden ist, hat mit der «Kronenhalle» eine Gemeinsamkeit: Beide Lokale sind stets bis auf den letzten Platz besetzt. Atmosphärisch und kulinarisch setzen Sandra und Andreas Schürmann auf raffinierte Schlichtheit. Der coole, ganz in Weiss gehaltene Speiseraum mit den leger arrangierten Tischen und dem diskreten (Kerzen-)Licht buhlt nicht um Aufmerksamkeit und würde sich in seiner Eleganz auch in Hamburg gut machen.
Sandra Schürmann sorgt dafür, dass man sich auf Anhieb wohl fühlt; die ungezwungene Atmosphäre überträgt sich sofort auf den Gast. Mit einer selten gelungenen Mischung aus Basler Gelassenheit und hanseatischer Geschliffenheit bemühen sich die gut geschulten Mitarbeiter darum, dass der Service mit der hochklassigen Küche mithält. So wird das ganze Serviceteam nicht nur täglich im Detail instruiert, wie die Sauce zum Lammfilet zusammengesetzt ist und woher das verwendete Olivenöl stammt, sondern auch, welche Weine zu den Abendmenüs passen.
Gesamtkunstwerk: «Bam Bou»
Während bei «Schürmann’s» die Farbe Weiss viel zum kontemplativen Ambiente beiträgt, präsentiert sich das Restaurant Bam Bou in Luzern ganz in Schwarz. Der französische Architekt Jean Nouvel hat hier, im Untergeschoss der avantgardistischen De-Luxe-Boutique-Herberge The Hotel, einen urbanen Ort geschaffen, der für sich allein eine Reise wert ist – wegen der einzigartigen Licht- und Spiegeleffekte, wegen des faszinierenden Spiels zwischen kühl und sinnlich, wegen der gelungenen Crossover-Cuisine, wegen der servicebewussten Mitarbeiter, die von Kopf bis Fuss in Schwarz gekleidet sind und mit sicherem Gespür Weltstadt-Flair erzeugen.
Urs Karli, der Mann hinter dem Gesamtkunstwerk und wohl innovativste Gastronom in der Zentralschweiz, hat die Messlatte hoch angesetzt: «Wir müssen the most stylish Restaurant der Region sein, sonst kommen die Gäste nicht», sagt er. Sein Kredo ist einleuchtend: «Das beste Lokal bringt die besten Gäste, die besten Mitarbeiter, den besten Umsatz.» Karlis Konzept scheint aufzugehen: Seine Serviceleute sind stolz, dass sie im «Bam Bou» arbeiten dürfen, auch wenn nach knallharten amerikanischen Grundsätzen gearbeitet wird: «Geh rein und lächle, egal was passiert.»
Das derzeitige Hauptproblem im Gastro- und Hotelgewerbe ist die Abwanderung junger Leute zur New Economy und zu den Telekom-Firmen, die angenehmere Arbeitszeiten und bessere Löhne bieten. Das scheint Karlis Betriebe, zu denen auch die Restaurants Latino, Thai Garden und weitere Vorzeigelokale gehören, nicht zu tangieren. «Das Jammern über Personalprobleme in der Schweizer Gas- tronomie rührt daher, dass es viel zu wenig qualitativ hoch stehende Produkte mit einem gewissen Sexappeal gibt, für die junge, attraktive Leute gerne arbeiten würden.»
Glückliche Küche: «Fischerzunft»
André Jaeger, Vorreiter der East-meets-West-Küche und international gefeierter Starkoch in der «Fischerzunft», Schaffhausen, sieht die Situation des ausgetrockneten Gastro-Arbeitsmarkts skeptischer: «Profilierte Servicemitarbeiter kann man auch in ambitionierten Restaurants kaum für längere Zeit halten. Ers- tens sind viele karrieresüchtig, was man ihnen nicht verübeln kann, und zu viele haben das Herz im Portemonnaie. Zweitens leiden wir in der Gastronomie immer noch darunter, dass man den Leuten in den Berufsschulen einredet, sie müssten so und so viele Jobs und Praktika absolvieren, damit sie im Gastgewerbe etwas wert sind. Drittens sind massive Überstunden in den meisten Gastrobetrieben nach wie vor selbstverständlich. Unser Ziel ist es, die offiziellen 42 Arbeitsstunden so weit wie möglich einzuhalten und die tolerable Mehrarbeit nicht zur Regel werden zu lassen.»
Hinter vorgehaltener Hand ergänzt Jaeger: «Viele Schweizer Toprestaurants kaufen den Mitarbeitern ihre Individualität ab und zwängen sie in ein Schema. So verliert ein Lokal jeden Charme und jedes Leben. Und die Mitarbeiter Lust und Liebe am Beruf.» In Sachen ungekünstelter, warmherziger Empfang ist die «Fischerzunft» denn auch eine Klasse für sich. Die Mitarbeiter übertragen ihre Herzlichkeit auf die Gäste und versuchen, Jaegers Philosophie – «glückliche Küche von glück- lichen Köchen, serviert von glücklichen Kellnern» – gerecht zu werden.
Jaeger war in den Achtzigerjahren einer jener Pioniere, die bemerkten, dass sowohl das Herumschreien in der Küche als auch der gespreizte Service der Vergangenheit angehören. Trotzdem setzen auch heute noch zahlreiche Feinschmeckerlokale auf hochnäsige Oberkellner, die den Gast als Vollidioten betrachten und ihn mit Arroganz herunterputzen.
Ewiggestrige Beizen
Es gibt ihn immer noch oft genug, den Chef de Service, der sich für den Chef des Gastes hält. Er wird niemals die Regeln der Höflichkeit verletzen, aber innerhalb dieser Regeln ist er zu kleinen Gemeinheiten fähig. Beispielsweise kann er den Gast bei der Wahl des Weins terrorisieren und ihm den vorgeb- lich einzig passenden Wein aufschwatzen, koste es, was es wolle. Oder er kann Sie mitleidig anlächeln, wenn Sie ihn fragen, was denn nun schon wieder ein «Turbot» sei. Gar nicht zu reden von der Demütigung, die jeden Gast erwartet, der beim letzten Besuch kein grosszügiges Trinkgeld gegeben hat. Denn der Hai im Smoking hat ein Gedächtnis wie ein Elefant. Er wird Ihnen einen Tisch zuweisen, der zwischen zwei Drehtüren eingezwängt ist, die zur Küche führen, damit Sie während des Essens krachende Teller hören können. Man wird Sie lange sitzen lassen und sich benehmen, als seien Sie der letzte Gast, auf den man je gewartet hat.
Während der Tisch mit Panoramablick den ganzen Abend mit Liebenswürdigkeiten überhäuft wird, werden Sie versuchen, den Blick des Hais zu erhaschen – er wird jedoch stets auf einen Fleck an der Wand über Ihrem Kopf starren. Solche ewiggestrigen Betriebe und die unzähligen Nullachtfünfzehn-Beizen zementieren den Ruf der Schweiz als Servicewüste.
Das Gastrogewerbe hat es nun aber an sich, dass die Qualität der Dienstleistung in hohem Mass von der Persönlichkeit der Mitarbeiterin oder des Mitarbeiters abhängt. «Dienen wird häufig noch als mindere Art von Arbeit empfunden», sagt Brigitte Schiesser vom Hotel Florhof in Zürich. «In Deutschland oder Amerika ist jeder Spezialwunsch im Restaurant zunächst einmal ‹kein Problem›, während wir Schweizer einfach etwas holprig im Umgang mit dem Gast sind.»
Keine Holprigkeit, null Steifheit und eine topfreundliche Bedienung erwarten den Gast in der heimeligen Gourmet-Hochburg Domaine de Châteauvieux in den Rebbergen von Satigny GE. Der Service unter den wachsamen Augen von Bettina Chevrier ist von einer kaum zu übertreffenden Konstanz; von der Küche beginnen wir an dieser Stelle gar nicht erst zu schwärmen. Man merkt schnell, dass die Crew Freude an der Arbeit hat.
Auch auf unvorhergesehene Situationen reagieren die Mitarbeiter unkompliziert. Kommt man beispielsweise in einer Gruppe von acht Personen, hat aber nur für sechs Personen reserviert, ist das auch im voll belegten Lokal nicht das geringste Problem; innerhalb von Sekunden wird der Tisch umdrapiert und um zwei Gedecke erweitert.
Edel-Italiener
Natürlich gibt es auch den idealtypischen, traditionellen Edel-Italiener, dessen Kellner weder Probleme mit Sonderwünschen noch mit dem Dienen an sich haben. Sie zeichnen sich durch einen bescheidenen Stolz aus, sind flink, höflich bis zur Übertreibung – und gut im Verkaufen. Kellner sind sie durch und durch und wollen es offenbar auch sein. In der BILANZ-Umfrage der besten Serviceteams haben es ein halbes Dutzend italienische Restaurants ausserhalb des Tessins in die Charts geschafft – vom «Roberto» in Genf über das «Donati» in Basel bis zum «Accademia» in Zürich. «Zum Traditionsbewusstsein gehören auch die auf jedes Wimpernzucken reagierenden Mitarbeiter», schreibt der «Gault Millau» über das «Accademia». «So fühlt man sich denn als Gast gefeiert, als sei man der König persönlich.»
Während man im «Accademia» den Aperitivo serviert bekommt, raunt der weiss livrierte Kellner: «Signor Mora wird gleich zu Ihnen kommen.» Dann erscheint er, und wir wissen: Hier behandelt ein Chefarzt seine Privatpatienten. Padrone Isidoro Mora ist der Einstein unter den italienischen Gastronomen in Zürich. Seine Relativitätstheorie über die Zubereitung von Speisen («Essen ist relativ») führt er darauf zurück, dass Gäste selbst an der ausgeklügeltsten Kreation etwas zu bemängeln finden, wenn sie mit dem Service unzufrieden sind. Und wen man nicht zum Feind haben will, muss man sich als Freund halten, ergo sind Moras Gäste seine Freunde. Die Gäste, pardon: Freunde des Hauses, scheinen die persönliche Betreuung ebenso zu schätzen wie die seit Menschengedenken unverändert gebliebene Küche mit allem, was Italien kulinarisch so grossartig macht.
Beim einen oder anderen Italiener ist bei aller Freundlichkeit Vorsicht geboten. Dann nämlich, wenn die Kellner darauf getrimmt sind, immer das Teuerste zu empfehlen, egal ob sie Ihnen Pasta mit Trüffeln zur Vorspeise oder einen speziellen Tropfen aus der Emilia-Romagna schmackhaft machen wollen. Hier gilt die Devise: zuerst fragen, was der empfohlene Grappa kostet, bevor Sie nicken!
Turnaround: Hotelrestaurants
Solche Empfehlungen sind Max Fuchs, Maît- re d’Hôtel im «Palace Luzern», zuwider. «Wenn der Gast eine Weinempfehlung wünscht, ist mein Serviceteam angewiesen, nie eine Flasche über hundert Franken vorzuschlagen. Ein gut geführtes Restaurant lässt sich daran messen, ob der Kellner eine solche Situation ausnützt oder nicht.»
Das «Palace Luzern» ist der Prototyp eines Grandhotels, das den Turnaround in die heutige Zeit geschafft hat und nicht versucht, nur von der grandiosen Vergangenheit zu zehren. Auch wenn sich hier die klassischen Hierarchien – Maître d’Hôtel, Sommelier, Chef de Brigade, Chef de Rang, Demi-Chef de Rang, Commis – noch nicht ganz aufgelöst haben, strahlt im Hotelrestaurant Le Mignon heute vieles weit über den Tellerrand hinaus. Max Fuchs, der seine Brigade unauffällig straff dirigiert und dem Haus Glanz und Klasse verleiht, verbindet Tradition und modernes Lebensgefühl, und die junge Crew kommt ganz ohne Unterwürfigkeit oder Anbiederung aus.
Auch die Restaurants im «Lausanne Palace» und im «Mandarin Oriental du Rhône» in Genf haben sich einem trendsettenden Stadtpublikum geöffnet. Schon beim Empfang ist jeglicher abschreckende Hotel-Groove weggeblasen, und die ausgezeichnet geschulten Mitarbeiter sind an Charme und Aufmerksamkeit kaum zu überbieten.
Madame schafft kein Dessert? Macht nichts. Es werden eben zwei Löffel zu dem etwas volleren Teller gereicht, damit ihr Begleiter nicht allein essen muss. Auch die Weine scheinen sie wie ihre eigene Zungenspitze zu kennen und sind auch verständnisvoll, wenn es darum geht, beschränkte finanzielle Möglichkeiten auszuschöpfen. Ähnliches liesse sich über das Restaurant Rive Gauche in der Zürcher Nobelabsteige Baur au Lac sagen, auch wenn hier der freundlich-kompetente Service manchmal fast etwas hyperaktiv in Sachen Nachfrage «Ischs rächt?» ist.
Szenelokale mit verkannten Genies
Viele Serviceleute in urbanen Szenelokalen sind jenseits ihres Brotberufs verkannte Genies. Da sie sich eigentlich zu Höherem berufen fühlen, demonstrieren sie dem Gast mittels einer zur Schau getragenen Lässigkeit ihre Distanz zu der untergeordneten Rolle ihres – temporären – Jobs. Manche Szenekellner beeindrucken mit übermässiger Freundlichkeit, um ein Privatverhältnis zu suggerieren. Auch das kann auf die Nerven gehen. Sie können keinen Teller auf den Tisch stellen, ohne dabei einen Gag oder eine unpassende Randbemerkung zu platzieren.
Die bemerkenswert motivierten Servicemitarbeiter in den Zürcher In-Restaurants Frieden, Blaue Ente, Kaisers Reblaube und Josef vermeiden solche Zusatzeinlagen weit gehend. Auch in «Caduff’s Wine Loft» zeichnet sich der Service durch eine entspannte Effizienz aus; das Lokal ist eine der aufregends- ten Neueröffnungen der letzten Jahre, wo sich schwarz gewandete Kreativisten, WorkingClass-Heroes, Wein- und Feinschmecker gegenseitig beim Schlürfen von Pinot Grigio und Brunello beobachten. Für die Weinauswahl steigt man gleich selbst in den Keller hinunter und lässt sich vom Kellermeister beraten. 1000 verschiedene Gewächse aus der ganzen Welt stehen bei Kerzenlicht und konstanten 15 Grad zur Auswahl, rund 20 davon sind jeweils auch im Offenausschank zu haben.
Zwar behaupten böse Zungen, dass der Service in der «Wine Loft» nur dann besonders gut sei, wenn ihm der leidenschaftlich engagierte Beat Caduff den Marsch blase (er führt im Winterhalbjahr parallel das Gourmetlokal «Zum Wohl!sein» in Arosa), aber wer einmal hier war, kommt immer wieder.
Kraftfeld: «Auberge de Bugnaux»
Die «Auberge de Bugnaux» profiliert sich abseits vom Mainstream und ist vor allem Insidern aus Genf und Lausanne bekannt. Sie notieren den fantastisch gelegenen und schlicht gestylten Landgasthof mitten in den Waadtländer Weinbergen ganz oben auf der Adressliste, denn hier erleben sie ein Kraftfeld von Herzlichkeit, ein Verwöhntwerden ohne Anbiederung. Wer sich in dieser wohl tuend persönlichen Atmosphäre nicht wohl fühlt, dem ist nicht zu helfen.
Die in lange Schürzen gekleideten Servicemitarbeiter sind ebenso aufmerksam wie umgänglich, und mit einem Glas Mont-sur-Rolle sieht man freudig dem Menü entgegen. Wenn man das erste Mal dort ist, wird das Fehlen einer Speisekarte irritieren. Christophe Ziegert, der charismatische Patron, macht dem Gast am Tisch die Menüvorschläge: Sie bewegen sich zwischen drei und acht Gängen von 50 bis 120 Franken. Die Freundlichkeit ist so echt, wie die Einrichtung originell ist.
«Was ein Restaurant aufregend macht, sind zur einen Hälfte unverwechselbare Service- persönlichkeiten, zur anderen Hälfte spannende Gäste», sagt Ziegert. «Beide Teile beeinflussen sich gegenseitig.» Obwohl die Nachfrage das Angebot der rund 60 Plätze seit Jahren übersteigt, sind Christophe Ziegert und seine Crew bescheiden geblieben: Wenn sie einem Gast am Telefon absagen müssen, tun sie dies nicht mit Überheblichkeit, sondern mit echtem Bedauern.
Im New-Yorker Cherry Lane Theatre spielt gerade mit grossem Erfolg das Einpersonenstück «Fully Committed». Es handelt von einem Schauspieler, der zum Empfangschef in einem Toprestaurant aufgestiegen ist und diese Machtposition mit sadistischem Vergnügen auskostet. Die Wirklichkeit in New-Yorker Trendlokalen steht dem Theaterstück in nichts nach: Hier sind die Receptionists oft einflussreicher als die Restaurantbesitzer. Jeder ist schon an der Tür eines dieser elitären Restaurants mit der Frage nach der Reservation gestoppt und wieder hinausspediert worden. Also erkundigt man sich telefonisch, ob ein Tisch für den nächsten Abend frei sei. «A table for two?», fragt eine Stimme, in der sich Ungläubigkeit mit Ungeduld mischt. «You must be joking!» Vergiss es! Den nächsten freien Tisch gibt es in drei Wochen.
Die Antwort liegt darin, dass man die «Kronenhalle» nicht mit den Augen eines normalen Gastes betrachten darf – das Etablissement am Bellevue ist sozusagen hors concours. Um die «Kronenhalle» zu verstehen, muss man dazugehören, muss man etwas von der unvergleichlichen Durchmischung der Gäste begreifen. Die «Privatbank unter den Restaurants» (so der Gast Hans J. Bär) ist ein Gesamtkunstwerk, ein Kosmos, ein Welttheater und zunächst einmal eine Herausforderung.
Tritt der Speisewillige durch die Eingangstür, landet er mitten im Geschehen und wird von einem halben Hundert Augen gemustert, bis er vom Zeremonienmeister an seinen Tisch begleitet wird. Wer warum wo sitzt, lässt sich nur ahnen, und für die Habitués ist es ein Vergnügen zu beobachten, wie die Damen und Herren aus aller Welt sich der Tortur des Platziertwerdens ausliefern und wie sie den Marsch in die Halbverdammung an einen mittelmässigen Tisch überspielen.
Die guten Kunden, die sich hier begrüssen, abküssen und beobachten, werden von den rund 30 Kellnerinnen und Kellnern noch wie Herrschaften behandelt. Wie beim Interieur und bei der Küche wurden auch beim Service keinerlei Konzessionen an den Zeitgeist gemacht. Viele Kellner sind trotz herkömmlicher Uniformierung echte Originale, die man sofort ins Herz schliesst – oder eben nicht.
Unverkrampfte Diskretion ist das oberste Gebot des geschmeidigen Chef de Service, Paul Senn, der schon seine Lehre in der «Kronenhalle» gemacht hat und seit vielen Jahren das Geschehen im Haus mit Sperberaugen überwacht. Und selbst wenn die Bedienung zu Stosszeiten manchmal überfordert ist, tut das der Anziehungskraft der «Kronenhalle» keinen Abbruch. Im Gegenteil: «Wer sich dieses Lokal mit seiner wertvollen Bildergalerie, dem stimmungsvollen Interieur und der vibrierenden Anwesenheit extravertierter Paradiesvögel aus Politik, Wirtschaft, Kultur und Society gelegentlich zu Gemüte führt, wird früher oder später abhängig von der Droge ‹Kronenhalle› und spätestens nach zwei Monaten Abstinenz unter massiven Entzugserscheinungen leiden», schreibt der «Gault Millau».
Cool und locker: «Schürmann’s»
Schürmann’s Restaurant in Riehen BS, das zum Trendlokal mit dem besten Serviceteam gekürt worden ist, hat mit der «Kronenhalle» eine Gemeinsamkeit: Beide Lokale sind stets bis auf den letzten Platz besetzt. Atmosphärisch und kulinarisch setzen Sandra und Andreas Schürmann auf raffinierte Schlichtheit. Der coole, ganz in Weiss gehaltene Speiseraum mit den leger arrangierten Tischen und dem diskreten (Kerzen-)Licht buhlt nicht um Aufmerksamkeit und würde sich in seiner Eleganz auch in Hamburg gut machen.
Sandra Schürmann sorgt dafür, dass man sich auf Anhieb wohl fühlt; die ungezwungene Atmosphäre überträgt sich sofort auf den Gast. Mit einer selten gelungenen Mischung aus Basler Gelassenheit und hanseatischer Geschliffenheit bemühen sich die gut geschulten Mitarbeiter darum, dass der Service mit der hochklassigen Küche mithält. So wird das ganze Serviceteam nicht nur täglich im Detail instruiert, wie die Sauce zum Lammfilet zusammengesetzt ist und woher das verwendete Olivenöl stammt, sondern auch, welche Weine zu den Abendmenüs passen.
Gesamtkunstwerk: «Bam Bou»
Während bei «Schürmann’s» die Farbe Weiss viel zum kontemplativen Ambiente beiträgt, präsentiert sich das Restaurant Bam Bou in Luzern ganz in Schwarz. Der französische Architekt Jean Nouvel hat hier, im Untergeschoss der avantgardistischen De-Luxe-Boutique-Herberge The Hotel, einen urbanen Ort geschaffen, der für sich allein eine Reise wert ist – wegen der einzigartigen Licht- und Spiegeleffekte, wegen des faszinierenden Spiels zwischen kühl und sinnlich, wegen der gelungenen Crossover-Cuisine, wegen der servicebewussten Mitarbeiter, die von Kopf bis Fuss in Schwarz gekleidet sind und mit sicherem Gespür Weltstadt-Flair erzeugen.
Urs Karli, der Mann hinter dem Gesamtkunstwerk und wohl innovativste Gastronom in der Zentralschweiz, hat die Messlatte hoch angesetzt: «Wir müssen the most stylish Restaurant der Region sein, sonst kommen die Gäste nicht», sagt er. Sein Kredo ist einleuchtend: «Das beste Lokal bringt die besten Gäste, die besten Mitarbeiter, den besten Umsatz.» Karlis Konzept scheint aufzugehen: Seine Serviceleute sind stolz, dass sie im «Bam Bou» arbeiten dürfen, auch wenn nach knallharten amerikanischen Grundsätzen gearbeitet wird: «Geh rein und lächle, egal was passiert.»
Das derzeitige Hauptproblem im Gastro- und Hotelgewerbe ist die Abwanderung junger Leute zur New Economy und zu den Telekom-Firmen, die angenehmere Arbeitszeiten und bessere Löhne bieten. Das scheint Karlis Betriebe, zu denen auch die Restaurants Latino, Thai Garden und weitere Vorzeigelokale gehören, nicht zu tangieren. «Das Jammern über Personalprobleme in der Schweizer Gas- tronomie rührt daher, dass es viel zu wenig qualitativ hoch stehende Produkte mit einem gewissen Sexappeal gibt, für die junge, attraktive Leute gerne arbeiten würden.»
Glückliche Küche: «Fischerzunft»
André Jaeger, Vorreiter der East-meets-West-Küche und international gefeierter Starkoch in der «Fischerzunft», Schaffhausen, sieht die Situation des ausgetrockneten Gastro-Arbeitsmarkts skeptischer: «Profilierte Servicemitarbeiter kann man auch in ambitionierten Restaurants kaum für längere Zeit halten. Ers- tens sind viele karrieresüchtig, was man ihnen nicht verübeln kann, und zu viele haben das Herz im Portemonnaie. Zweitens leiden wir in der Gastronomie immer noch darunter, dass man den Leuten in den Berufsschulen einredet, sie müssten so und so viele Jobs und Praktika absolvieren, damit sie im Gastgewerbe etwas wert sind. Drittens sind massive Überstunden in den meisten Gastrobetrieben nach wie vor selbstverständlich. Unser Ziel ist es, die offiziellen 42 Arbeitsstunden so weit wie möglich einzuhalten und die tolerable Mehrarbeit nicht zur Regel werden zu lassen.»
Hinter vorgehaltener Hand ergänzt Jaeger: «Viele Schweizer Toprestaurants kaufen den Mitarbeitern ihre Individualität ab und zwängen sie in ein Schema. So verliert ein Lokal jeden Charme und jedes Leben. Und die Mitarbeiter Lust und Liebe am Beruf.» In Sachen ungekünstelter, warmherziger Empfang ist die «Fischerzunft» denn auch eine Klasse für sich. Die Mitarbeiter übertragen ihre Herzlichkeit auf die Gäste und versuchen, Jaegers Philosophie – «glückliche Küche von glück- lichen Köchen, serviert von glücklichen Kellnern» – gerecht zu werden.
Jaeger war in den Achtzigerjahren einer jener Pioniere, die bemerkten, dass sowohl das Herumschreien in der Küche als auch der gespreizte Service der Vergangenheit angehören. Trotzdem setzen auch heute noch zahlreiche Feinschmeckerlokale auf hochnäsige Oberkellner, die den Gast als Vollidioten betrachten und ihn mit Arroganz herunterputzen.
Ewiggestrige Beizen
Es gibt ihn immer noch oft genug, den Chef de Service, der sich für den Chef des Gastes hält. Er wird niemals die Regeln der Höflichkeit verletzen, aber innerhalb dieser Regeln ist er zu kleinen Gemeinheiten fähig. Beispielsweise kann er den Gast bei der Wahl des Weins terrorisieren und ihm den vorgeb- lich einzig passenden Wein aufschwatzen, koste es, was es wolle. Oder er kann Sie mitleidig anlächeln, wenn Sie ihn fragen, was denn nun schon wieder ein «Turbot» sei. Gar nicht zu reden von der Demütigung, die jeden Gast erwartet, der beim letzten Besuch kein grosszügiges Trinkgeld gegeben hat. Denn der Hai im Smoking hat ein Gedächtnis wie ein Elefant. Er wird Ihnen einen Tisch zuweisen, der zwischen zwei Drehtüren eingezwängt ist, die zur Küche führen, damit Sie während des Essens krachende Teller hören können. Man wird Sie lange sitzen lassen und sich benehmen, als seien Sie der letzte Gast, auf den man je gewartet hat.
Während der Tisch mit Panoramablick den ganzen Abend mit Liebenswürdigkeiten überhäuft wird, werden Sie versuchen, den Blick des Hais zu erhaschen – er wird jedoch stets auf einen Fleck an der Wand über Ihrem Kopf starren. Solche ewiggestrigen Betriebe und die unzähligen Nullachtfünfzehn-Beizen zementieren den Ruf der Schweiz als Servicewüste.
Das Gastrogewerbe hat es nun aber an sich, dass die Qualität der Dienstleistung in hohem Mass von der Persönlichkeit der Mitarbeiterin oder des Mitarbeiters abhängt. «Dienen wird häufig noch als mindere Art von Arbeit empfunden», sagt Brigitte Schiesser vom Hotel Florhof in Zürich. «In Deutschland oder Amerika ist jeder Spezialwunsch im Restaurant zunächst einmal ‹kein Problem›, während wir Schweizer einfach etwas holprig im Umgang mit dem Gast sind.»
Keine Holprigkeit, null Steifheit und eine topfreundliche Bedienung erwarten den Gast in der heimeligen Gourmet-Hochburg Domaine de Châteauvieux in den Rebbergen von Satigny GE. Der Service unter den wachsamen Augen von Bettina Chevrier ist von einer kaum zu übertreffenden Konstanz; von der Küche beginnen wir an dieser Stelle gar nicht erst zu schwärmen. Man merkt schnell, dass die Crew Freude an der Arbeit hat.
Auch auf unvorhergesehene Situationen reagieren die Mitarbeiter unkompliziert. Kommt man beispielsweise in einer Gruppe von acht Personen, hat aber nur für sechs Personen reserviert, ist das auch im voll belegten Lokal nicht das geringste Problem; innerhalb von Sekunden wird der Tisch umdrapiert und um zwei Gedecke erweitert.
Edel-Italiener
Natürlich gibt es auch den idealtypischen, traditionellen Edel-Italiener, dessen Kellner weder Probleme mit Sonderwünschen noch mit dem Dienen an sich haben. Sie zeichnen sich durch einen bescheidenen Stolz aus, sind flink, höflich bis zur Übertreibung – und gut im Verkaufen. Kellner sind sie durch und durch und wollen es offenbar auch sein. In der BILANZ-Umfrage der besten Serviceteams haben es ein halbes Dutzend italienische Restaurants ausserhalb des Tessins in die Charts geschafft – vom «Roberto» in Genf über das «Donati» in Basel bis zum «Accademia» in Zürich. «Zum Traditionsbewusstsein gehören auch die auf jedes Wimpernzucken reagierenden Mitarbeiter», schreibt der «Gault Millau» über das «Accademia». «So fühlt man sich denn als Gast gefeiert, als sei man der König persönlich.»
Während man im «Accademia» den Aperitivo serviert bekommt, raunt der weiss livrierte Kellner: «Signor Mora wird gleich zu Ihnen kommen.» Dann erscheint er, und wir wissen: Hier behandelt ein Chefarzt seine Privatpatienten. Padrone Isidoro Mora ist der Einstein unter den italienischen Gastronomen in Zürich. Seine Relativitätstheorie über die Zubereitung von Speisen («Essen ist relativ») führt er darauf zurück, dass Gäste selbst an der ausgeklügeltsten Kreation etwas zu bemängeln finden, wenn sie mit dem Service unzufrieden sind. Und wen man nicht zum Feind haben will, muss man sich als Freund halten, ergo sind Moras Gäste seine Freunde. Die Gäste, pardon: Freunde des Hauses, scheinen die persönliche Betreuung ebenso zu schätzen wie die seit Menschengedenken unverändert gebliebene Küche mit allem, was Italien kulinarisch so grossartig macht.
Beim einen oder anderen Italiener ist bei aller Freundlichkeit Vorsicht geboten. Dann nämlich, wenn die Kellner darauf getrimmt sind, immer das Teuerste zu empfehlen, egal ob sie Ihnen Pasta mit Trüffeln zur Vorspeise oder einen speziellen Tropfen aus der Emilia-Romagna schmackhaft machen wollen. Hier gilt die Devise: zuerst fragen, was der empfohlene Grappa kostet, bevor Sie nicken!
Turnaround: Hotelrestaurants
Solche Empfehlungen sind Max Fuchs, Maît- re d’Hôtel im «Palace Luzern», zuwider. «Wenn der Gast eine Weinempfehlung wünscht, ist mein Serviceteam angewiesen, nie eine Flasche über hundert Franken vorzuschlagen. Ein gut geführtes Restaurant lässt sich daran messen, ob der Kellner eine solche Situation ausnützt oder nicht.»
Das «Palace Luzern» ist der Prototyp eines Grandhotels, das den Turnaround in die heutige Zeit geschafft hat und nicht versucht, nur von der grandiosen Vergangenheit zu zehren. Auch wenn sich hier die klassischen Hierarchien – Maître d’Hôtel, Sommelier, Chef de Brigade, Chef de Rang, Demi-Chef de Rang, Commis – noch nicht ganz aufgelöst haben, strahlt im Hotelrestaurant Le Mignon heute vieles weit über den Tellerrand hinaus. Max Fuchs, der seine Brigade unauffällig straff dirigiert und dem Haus Glanz und Klasse verleiht, verbindet Tradition und modernes Lebensgefühl, und die junge Crew kommt ganz ohne Unterwürfigkeit oder Anbiederung aus.
Auch die Restaurants im «Lausanne Palace» und im «Mandarin Oriental du Rhône» in Genf haben sich einem trendsettenden Stadtpublikum geöffnet. Schon beim Empfang ist jeglicher abschreckende Hotel-Groove weggeblasen, und die ausgezeichnet geschulten Mitarbeiter sind an Charme und Aufmerksamkeit kaum zu überbieten.
Madame schafft kein Dessert? Macht nichts. Es werden eben zwei Löffel zu dem etwas volleren Teller gereicht, damit ihr Begleiter nicht allein essen muss. Auch die Weine scheinen sie wie ihre eigene Zungenspitze zu kennen und sind auch verständnisvoll, wenn es darum geht, beschränkte finanzielle Möglichkeiten auszuschöpfen. Ähnliches liesse sich über das Restaurant Rive Gauche in der Zürcher Nobelabsteige Baur au Lac sagen, auch wenn hier der freundlich-kompetente Service manchmal fast etwas hyperaktiv in Sachen Nachfrage «Ischs rächt?» ist.
Szenelokale mit verkannten Genies
Viele Serviceleute in urbanen Szenelokalen sind jenseits ihres Brotberufs verkannte Genies. Da sie sich eigentlich zu Höherem berufen fühlen, demonstrieren sie dem Gast mittels einer zur Schau getragenen Lässigkeit ihre Distanz zu der untergeordneten Rolle ihres – temporären – Jobs. Manche Szenekellner beeindrucken mit übermässiger Freundlichkeit, um ein Privatverhältnis zu suggerieren. Auch das kann auf die Nerven gehen. Sie können keinen Teller auf den Tisch stellen, ohne dabei einen Gag oder eine unpassende Randbemerkung zu platzieren.
Die bemerkenswert motivierten Servicemitarbeiter in den Zürcher In-Restaurants Frieden, Blaue Ente, Kaisers Reblaube und Josef vermeiden solche Zusatzeinlagen weit gehend. Auch in «Caduff’s Wine Loft» zeichnet sich der Service durch eine entspannte Effizienz aus; das Lokal ist eine der aufregends- ten Neueröffnungen der letzten Jahre, wo sich schwarz gewandete Kreativisten, WorkingClass-Heroes, Wein- und Feinschmecker gegenseitig beim Schlürfen von Pinot Grigio und Brunello beobachten. Für die Weinauswahl steigt man gleich selbst in den Keller hinunter und lässt sich vom Kellermeister beraten. 1000 verschiedene Gewächse aus der ganzen Welt stehen bei Kerzenlicht und konstanten 15 Grad zur Auswahl, rund 20 davon sind jeweils auch im Offenausschank zu haben.
Zwar behaupten böse Zungen, dass der Service in der «Wine Loft» nur dann besonders gut sei, wenn ihm der leidenschaftlich engagierte Beat Caduff den Marsch blase (er führt im Winterhalbjahr parallel das Gourmetlokal «Zum Wohl!sein» in Arosa), aber wer einmal hier war, kommt immer wieder.
Kraftfeld: «Auberge de Bugnaux»
Die «Auberge de Bugnaux» profiliert sich abseits vom Mainstream und ist vor allem Insidern aus Genf und Lausanne bekannt. Sie notieren den fantastisch gelegenen und schlicht gestylten Landgasthof mitten in den Waadtländer Weinbergen ganz oben auf der Adressliste, denn hier erleben sie ein Kraftfeld von Herzlichkeit, ein Verwöhntwerden ohne Anbiederung. Wer sich in dieser wohl tuend persönlichen Atmosphäre nicht wohl fühlt, dem ist nicht zu helfen.
Die in lange Schürzen gekleideten Servicemitarbeiter sind ebenso aufmerksam wie umgänglich, und mit einem Glas Mont-sur-Rolle sieht man freudig dem Menü entgegen. Wenn man das erste Mal dort ist, wird das Fehlen einer Speisekarte irritieren. Christophe Ziegert, der charismatische Patron, macht dem Gast am Tisch die Menüvorschläge: Sie bewegen sich zwischen drei und acht Gängen von 50 bis 120 Franken. Die Freundlichkeit ist so echt, wie die Einrichtung originell ist.
«Was ein Restaurant aufregend macht, sind zur einen Hälfte unverwechselbare Service- persönlichkeiten, zur anderen Hälfte spannende Gäste», sagt Ziegert. «Beide Teile beeinflussen sich gegenseitig.» Obwohl die Nachfrage das Angebot der rund 60 Plätze seit Jahren übersteigt, sind Christophe Ziegert und seine Crew bescheiden geblieben: Wenn sie einem Gast am Telefon absagen müssen, tun sie dies nicht mit Überheblichkeit, sondern mit echtem Bedauern.
Im New-Yorker Cherry Lane Theatre spielt gerade mit grossem Erfolg das Einpersonenstück «Fully Committed». Es handelt von einem Schauspieler, der zum Empfangschef in einem Toprestaurant aufgestiegen ist und diese Machtposition mit sadistischem Vergnügen auskostet. Die Wirklichkeit in New-Yorker Trendlokalen steht dem Theaterstück in nichts nach: Hier sind die Receptionists oft einflussreicher als die Restaurantbesitzer. Jeder ist schon an der Tür eines dieser elitären Restaurants mit der Frage nach der Reservation gestoppt und wieder hinausspediert worden. Also erkundigt man sich telefonisch, ob ein Tisch für den nächsten Abend frei sei. «A table for two?», fragt eine Stimme, in der sich Ungläubigkeit mit Ungeduld mischt. «You must be joking!» Vergiss es! Den nächsten freien Tisch gibt es in drei Wochen.
Partner-Inhalte