In Zürich ist der Dalai Lama vor rund 9000 Anhängern aufgetreten. Das mehrheitlich tibetischstämmige Publikum erhielt dabei eine Unterweisung in buddhistischer Theorie und Praxis. Doch die Lehren des Dalai Lama sind nicht nur für Eingeweihte gedacht. Viele Ideen lassen sich unabhängig von der religiösen Überzeugung anwenden. Das sind die wichtigsten:

1. Selbständig denken

Reines Auswendiglernen führt nicht zum Ziel, so argumentiert der Dalai Lama. Es ist wichtiger, die Dinge richtig zu verstehen. Das gilt für den Glauben: Religiösen Lehren sollte man nicht aus Hingabe folgen, sondern weil man Gründe und Aussagen gründlich an der Realität geprüft hat. Wenn eine Aussage im Widerspruch steht zur Realität, muss sie neu interpretiert werden. Diese Herangehensweise lässt sich auf andere Lebensbereiche übertragen. Wenn sich eine Theorie nicht bestätigen lässt, muss sie weiterentwickelt werden.

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

2. Von der Wissenschaft lernen

Wissenschaft und Religion stehen nicht in Konkurrenz zueinander. Vielmehr liefert die Wissenschaft dem Dalai Lama zufolge wichtige Erkenntnisse für die religiöse Praxis. So helfen die Neurowissenschaften zu verstehen, was bei der Meditation passiert. Und die Relativität in der Physik ist ein Pendant zur Leere des Geistes, die von Buddhisten angestrebt wird. Denn so wie ein Objekt in der Quantenphysik erst durch die Beobachtung definiert wird, entstehen Dinge nach buddhistischer Auffassung erst durch die Zuschreibung, die wir ihnen geben.

3. Keine überzogenen Erwartungen

Wut, Ärger, Hass und das Leiden im Allgemeinen entstehen mehrheitlich durch falsche Bilder und Fabrikationen im eigenen Kopf. Sie sind grösstenteils Projektionen eigener Wünsche und Probleme. Nur wer seinen Geist vom Begehren befreit, kann Gelassenheit und Zufriedenheit erlangen. Selbst für ihn sei das ein langer Weg gewesen, sagt der Dalai Lama. Aber nach 60 Jahren Meditation und Beschäftigung mit der Leere empfinde er kaum mehr Wut oder ungesunde Bindung.

4. Gutes tun

Die 80 oder bestenfalls 100 Jahre, die dem Menschen gegeben sind, sollte er nutzen, um anderen Menschen zu helfen. Leiden, Krieg und Zerstörung wird vom Streben nach Selbstverwirklichung hervorgerufen. Wenn die Menschen jedoch eine altruistische Geisteshaltung an den Tag legen, kann die Welt als Ganzes zu einem besseren Ort werden. Aber natürlich nur, wenn das Mitgefühl nicht graue Theorie bleibt, sondern sich auch in konkreten Taten ausdrückt.

5. Nicht nur Freunden helfen

Mitgefühl und Liebe sind häufig mit Begehren verbunden. So helfen wir denjenigen Menschen, die wir lieben und brauchen, während uns alle anderen egal sind. Viel wichtiger wäre es, auch denjenigen Menschen zu helfen, die uns nichts bringen oder sogar schaden wollen. Wahres Mitgefühl kommt aus der Erkenntnis, dass alle Menschen das Recht auf Glück und die Überwindung des Leidens haben, unabhängig davon, wie wir persönlich zu ihnen stehen.

6. Der Weg ist das Ziel

Jeder Tag, der mit der richtigen Geisteshaltung verbracht wurde, ist ein sinnvoller Tag. Auch wenn der Pfad zur Erleuchtung unzählige Wiedergeburten braucht und sehr lange dauert, ist das kein Problem. Wer ernsthaft nach Erkenntnis strebt und dem Wohl aller Lebewesen dienen will, profitiert selber auch davon. Das bedeutet, dass wir uns nicht in erster Linie auf das Ziel fokussieren dürfen. Auch der Weg dahin kann erfüllend sein.

7. Den inneren Frieden finden

Wer Verlangen und Begierde überwindet, wird selber glücklicher. Und ein positiver Mensch ist auch ein angenehmerer Zeitgenosse für seine Mitmenschen. Gerade jüngere Leute würden besonders profitieren, sagt das geistliche Oberhaupt der Tibeter mit einem Augenzwinkern: «Kümmert euch um den Frieden eures Geistes und ihr werdet sogar besser aussehen.»