Sie sind einer der wenigen Wirtschaftsjournalisten, die einem breiteren Publikum bekannt sind. Warum?
Richard Quest*: Ich weiss es ehrlich gesagt nicht. Eine Rolle spielt sicher, dass ich bei CNN arbeite, dem grössten TV-Sender der Welt. Dazu kommt, dass meine Produzenten und ich überzeugt sind, dass es in der Wirtschaft nicht um langweilige Zahlen geht, sondern um den echten Lebensalltag aller Menschen. Und das ist es, was wir in unseren Sendungen vermitteln wollen.

Was ist denn die Relevanz von Wirtschaftsjournalismus für Leute, die nicht an der Börse handeln oder eine Firma führen?
Nehmen wir Ihr Handy. Haben Sie das selbst gekauft?

Nein...
Dann halt Ihre Brille. Warum haben Sie genau diese Brille gewählt und nicht eine andere? Das war eine bewusste Geschäftsentscheidung. Wir alle fällen jeden Tag solche Entscheidungen. Das ist Wirtschaft und darum geht es mir als Journalist.

Als Moderator und Reporter bei CNN und früher bei der BBC haben Sie viele wichtige Leute getroffen. Wer hat Sie beeindruckt?
Mir imponieren Leute mit Charisma. Bill Gates war immer sehr eindrücklich oder Martin Sorell von WPP. Auch Margaret Thatcher hatte eine sehr eindrucksvolle Persönlichkeit. Oder als religiöser Führer auf eine etwas andere Weise der Dalai Lama. Viele Anführer umgibt eine Aura, so dass man ihnen automatisch folgen will, wenn man sie trifft.

Aber sind solche Leute nicht auch oftmals schwierige Gesprächspartner?
Wahre Anführer nicht. Sie können manchmal temperamentvoll sein oder fordernd. Natürlich wollen viele Führungspersönlichkeiten die Themen in Interviews selber setzen, auch weil sie oft sehr stark beraten werden in ihrem Umgang mit den Medien. Doch da muss man als Journalist Mittel und Wege finden, das Gespräch an sich zu nehmen und auch einmal eine unangenehme Frage zu stellen.

Ihre Fragen stellen Sie unter anderem, wenn Sie live vom Weltwirtschaftsforum berichten. Was war für Sie das wichtigste Thema in diesem Jahr in Davos?
Es gab zwei Themen, die sehr wichtig waren: die zunehmende Ungleichheit und das unterschiedliche globale Wirtschaftswachstum. Keine Frage, dass uns der Wachstumsunterschied zwischen den USA und Europa noch stark beschäftigen wird.

Ist denn Davos überhaupt der richtige Ort, um solche Fragen zu besprechen? Schliesslich findet das WEF weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt – und es scheint mir fraglich, ob die WEF-Teilnehmer tatsächliches Interesse an Themen wie Armut und Ungleichheit haben.
Vielleicht steht die Ungleichheit nicht bei allen ganz zuoberst auf der Prioritätenliste. Aber das Bewusstsein wächst. Und das WEF ist genau der richtige Ort für solche Themen. Das WEF bietet NGOs wie Oxfam oder Save the Children usw. die Möglichkeit mit den Personen zu sprechen, auf die es ankommt. Denn letztlich ist klar: Wandel geht meist nicht von den normalen Leuten aus. Am WEF kommen die Leute zusammen, welche die wirklich wichtigen politischen Entscheidungen treffen können.

Also alles perfekt beim WEF?
Nein. Das WEF hat sich in den letzten Jahren auf zu viele Themen eingelassen, mit der Folge, dass auch immer mehr heisse Luft produziert wird. Das WEF sollte wieder einfacher werden. Die Organisatoren müssen sich wirklich überlegen, wohin sie das WEF führen wollen.

Was uns als Schweizer natürlich auch interessiert, ist das Bild der Schweiz im Ausland. Sie waren als Journalist schon sehr oft hier. Sind Sie eigentlich auch schon als Tourist in die Schweiz gereist?
Nein, aber da dürfen Sie nichts reininterpretieren. Denn ich war auch noch nie als Tourist in Griechenland oder Deutschland. Tatsächlich würde ich sehr gerne einmal nach Davos noch ein paar Tage Skifahren anhängen. Das wäre sicher toll.

Sind Sie denn ein guter Skifahrer?
Überhaupt nicht. Ich bin ein miserabler Skifahrer. Trotzdem möchte ich das einmal machen.

Was sind denn die Schweiz-Themen, die auch im Ausland interessieren?
Der Reichtum in diesem Land und wie damit umgegangen wird. Ich weiss zwar, dass die Schweiz nicht nur aus Kuckucksuhren und Schokolade besteht. Doch die Vorstellung der Schweiz – Berge, Kuckucksuhren, Schokolade, Geld – fasziniert viele Menschen. Dazu kommt die einzigartige politische Kultur mit den Kantonen und den Volksabstimmungen.

In Europa werden die Schweiz und ihre Bewohner oftmals als egoistisch dargestellt. Wie sehen Sie das?
Netter Versuch. Aber ich werde sicher nicht das halbe Land beleidigen in diesem Interview. Was man sagen kann, ist aber, dass die Schweiz zur Zeit vor grossen wirtschaftlichen Problemen steht.

Eines dieser Probleme ist wohl der starke Franken. Haben Sie das gespürt, dieses Jahr in Davos?
Selbstverständlich. Die Schweiz war noch nie billig. Aber jetzt kann man auf alles nochmals 15 Prozent dazurechnen – da ist wirklich eine Schmerzgrenze erreicht. Ich habe auf Twitter geschrieben, wie ich sieben Dollar für ein Getränk bei Starbucks bezahlt habe. Sieben Dollar, das ist viel Geld für eine heisse Schokolade.

Und aus einer gesamtwirtschaftlichen Perspektive?
Das Wachstum wird verlangsamt und die Inflation wird negativ, was natürlich noch weitere Probleme mit sich bringt. Irgendwann wird sich die Situation zwar sicher wieder entspannen, aber die Schweizer sollten sich auf ein paar wirklich schwierige Momente gefasst machen. Ich bin mir auch sicher, dass die Nationalbank niemals geplant hatte, den Mindestkurs so lange zu verteidigen. Sie wollte damals kurzfristig eingreifen und hat dann gesehen, dass es mit Europa immer weiter bergab geht, so dass sie weitermachen musste, bis es irgendwann nicht mehr ging.

Weil es zu teuer wurde?
Nein, nicht deshalb. Die SNB hat gemerkt, dass ein Ende nicht in Sicht ist.

*Richard Quest ist Wirtschafts-Moderator bei CNN International. Für den Sender präsentiert der Brite unter anderem «Quest Means Business» und berichtet seit vielen Jahren live vom WEF in Davos.

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