Silvio Denz lebt nach einer besonderen Zeitrechnung. Wird er nach seinem Alter gefragt, sagt er 49, dabei wird er das erst im Herbst dieses Jahres. «Ich spüre eine gewisse Rastlosigkeit», sagt er und untertreibt gewaltig. Punkto Tempo und Intensität übertrifft Denz das Normalmass bei weitem. Über 250 Tage im Jahr pendelt er zwischen Paris, New York und Tokio. Jettet er gerade nicht um den Globus, schaltet er ein paar Tage in London dazwischen, wo er im vornehmen Stadtteil Mayfair eine Zehn-Zimmer-Villa erworben hat. Als Silvio Denz über Weihnachten auf Bali eine Woche Urlaub machte, fiel er der Langeweile anheim.

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

Dabei könnte er durchaus dem Müssiggang frönen angesichts seines Vermögens von 200 Millionen Franken – eine konservative Schätzung. Denz war gerade 43 Jahre alt, als er einen Deal machte, von dem andere ein Leben lang träumen. Im Sommer 2000 verkaufte er die Alrodo-Discountparfümerien, mit deren Filialen er in rasantem Tempo die ganze Schweiz überzogen hatte, an den französischen Parfümeriekonzern Marionnaud. Als die Marionnaud-Strategen bei Denz wegen einer Übernahme vorsprachen, verwarf dieser zunächst einmal die Hände. Er fühlte sich zu jung, um auf Kreuzfahrtschiffen und Golfplätzen zu ergrauen. Doch dann lockten die Franzosen mit einem finanziell derart interessanten Angebot, dass er nicht Nein sagen konnte.

Den Erlös investierte er risikoarm in Liegenschaften und Obligationen, aber auch in ausgewählte Aktien. Beim Erwerb einer Beteiligung an Galenica stellte er seinen ausserordentlichen Instinkt fürs Geldvermehren unter Beweis. Mit einem Kursanstieg von 40 Prozent über die letzten vier Jahre gehört der Berner Pharmagrossist zu den Highflyern an der Börse; Denz’ Paket von drei Prozent des Aktienkapitals ist derzeit 40 Millionen Franken wert. «Das Unternehmen überzeugte mich wegen seiner breiten Abstützung in der Produktion, im Gross-, Detail- und Versandhandel sowie wegen seines exzellenten Managements», sagt der Investor.

Stattlich verdient Denz auch im Londoner Immobilienhandel, in dem er seit gut einem Jahr mit spitzbübischer Freude mitmischt. Zusammen mit einem ansässigen Immobilienspezialisten kauft er alte Häuser an besten Lagen in der City und renoviert sie, um sie dann Gewinn bringend zu veräussern, angesichts der boomenden Land- und Häuserpreise in London «ein unglaublicher Spass» (Denz).

Daneben leistet sich Silvio Denz das Privileg, sein Hobby zum Beruf zu machen. Der Liebhaber erlesener Weine hat in der Produktion und im Handel mit Wein Fuss gefasst und expandiert dort alles andere als gemächlich. Zu seiner Ermitage Holding mit Sitz in Zollikerberg gehören unter anderem Beteiligungen an zwei Schweizer Weinhandelsunternehmen, der Grand Vins Wermuth und der Casa del Vino Ebinger von seinen Freunden Franz Wermuth und Frank Ebinger. Daneben beteiligte er sich mit eben diesen Freunden sowie dem ehemaligen Werber Bruno Widmer, Besitzer der Weinhandlung Brancaia, am Weingut Clos d’Agon an der Costa Brava.

Anfang April dieses Jahres unternahm Denz seinen bislang grössten Schritt im Weingeschäft. Er kaufte das sechs Kilometer östlich von St-Emilion gelegene Weingut Château Faugères, das 25 Mitarbeiter beschäftigt. Auf dem 60 Hektar grossen Weinberg, der sich je zur Hälfte über St-Emilion und die Côtes de Castillon erstreckt und darum zwei Appellationen umfasst, werden jedes Jahr gegen 250 000 Flaschen produziert. Das vorrangige Ziel von Silvio Denz ist es, den Ausstoss qualitativ zu steigern. «Ich suchte einen Wein mit Tradition, der sich aber zugleich ausbauen lässt», sagt Denz.

Als Perle im Sortiment gilt der 1998 lancierte Péby Faugères, der je nach Jahrgang zwischen 100 und 150 Franken pro Flasche kostet und vom Weinatlas von Parker mit 93 bis 96 von 100 möglichen Punkten bewertet wird. Für den Péby hat Silvio Denz die lediglich alle zehn Jahre stattfindende Aufnahme in die oberste Liga «Grand Cru Classé» beantragt, die, wenn es gelingt, im kommenden Jahr erfolgt. Dazu investiert Denz in den Bau eines neuen Weinkellers. Um Bekanntheit und Renommee des Péby Faugères zu erhöhen, soll er in den besten Restaurants der Welt eingeführt werden.

Die Zeit, seine neue Existenz als Schlossherr zu geniessen, nimmt sich Silvio Denz nicht. Bereits sondiert er im Bordelais weitere zum Verkauf stehende Weingüter und hat auch eines im Auge, das jährlich rund 50 000 Flaschen ausstösst. Mitte Mai war er mit seinen Geschäftspartnern Franz Wermuth, Frank Ebinger und dem renommierten dänischen Önologen Peter Sisseck im amerikanischen Napa Valley unterwegs, um die jüngsten Jahrgänge zu verkosten. «Es ist beeindruckend, wie viel im Valley investiert wird», sagt Denz, «es werden keine Kosten gescheut, um Topweine herzustellen. Da können die Winzer in Europa einiges dazulernen.» Voraussichtlich werde er einige dieser Technologien unter Beizug von US-Weinbauexperten und -beratern im Bordelais einsetzen. Sobald er den Château Faugères auf ein Weltklasseniveau gehoben habe, könne er sich vorstellen, in Kalifornien ein Weingut zu erwerben. Um in die grossen Handelskanäle und die guten Restaurants vorzudringen, ist er nicht nur auf Qualität, sondern auch auf Quantität angewiesen. Die Menge verschafft Macht im Handel.

Mit Wein setzt Denz jährlich rund fünf Millionen Franken um – wenig im Vergleich mit seinem eigentlichen Schwerpunkt, dem Handel und der Kreation von Parfums, der pro Jahr rund 75 Millionen Franken erzielt. Das ist etwa halb so viel wie früher mit Alrodo, aber für Silvio Denz viel weniger kräftezehrend. Kleines Risiko und hohe Margen, das sind die Ingredienzen des Parfumgrosshandels. Bei Alrodo beschäftigte Denz 800 Angestellte, sass auf Mietverträgen und Warenlagern; heute stehen in Büros in Zollikerberg und London gerade mal zwei Dutzend Mitarbeiter auf seiner Lohnliste. Roland Weber, ehemaliger Geschäftsführer von Alrodo, ist Verwaltungsratspräsident der Interparfums Holding, in der Denz seine Parfumgeschäfte gebündelt hat.

Das Sortiment umfasst rund ein Dutzend Parfums, die Denz zusammen mit Riechstoffherstellern wie Givaudan, Firmenich oder IFF plant, herstellt und vertreibt. Dazu gehören etwa die Parfums Alain Delon, die frühere Alrodo-Hausmarke, die allein in Japan jährlich 15 Millionen Franken umsetzt. Von Autoimporteur Walter Frey kaufte Denz die Lizenz der Parfums Jaguar und baute eine neue Generation von Jaguar-Duftwässern auf, die vor allem in den Vereinigten Staaten gefragt sind. Zur Palette gehört ausserdem der Klassiker Madame Grès mit den Duftnoten Cabochard, Cabotine, Cabaret und ganz neu Caline. Jedes Jahr kommen ein bis zwei neue Parfums dazu, im Herbst soll das Eau de Jaguar lanciert werden. In jedem Land verpflichtet Silvio Denz geeignete Vertriebspartner, in den USA ist es die zu Procter & Gamble gehörende Cosmopolitan Cosmetics, in Europa Elizabeth Arden.
Dass sich Denz mit Genussmitteln umgibt, war trotz einem wenig spektakulären Werdegang – Banklehre, Devisenhändler beim Lausanner Handelshaus André, Marketingausbildung bei Miller Brewing in den Vereinigten Staaten – vorgezeichnet. Die Leidenschaft zum Wein erbte er vom Vater, einem Kaufmann, der auf dem familieneigenen Rebberg im aargauischen Fricktal Blauburgunder kultivierte und daneben eine grosse Bordeaux-Sammlung aufbaute. Sein Onkel Fritz Steiger, der im Jahr 1976 die Firma Import Parfumerie gegründet hatte, führte ihn ins Parfumgeschäft ein.

Alrodo war im Jahr 1978 als Einkaufsgesellschaft von Impo errichtet worden. Silvio Denz übernahm Alrodo 1984, expandierte in den Versand- und Grosshandel und später mit Discountparfümerien in den Detailhandel. Sein Onkel war es auch, der Silvio Denz für die Freimaurerei begeisterte. Mit 33 Jahren – ein zartes Alter für die aus gesetzten Herren bestehende Bruderschaft – wurde Denz Mitglied der Zürcher Loge «In Labore Virtus» und lebt seither wie sechs Millionen Freimaurer auf der ganzen Welt den Idealen Toleranz, Humanität und Gerechtigkeit nach.

Seine Leidenschaft für Parfums lebt Denz auch als Sammler aus. Er hält nach eigenem Bekunden die grösste Sammlung antiker Parfumflaschen von René Lalique, einem der bekanntesten Schmuck- und Glaskünstler des Art déco. Einmal pro Jahr veranstaltet Denz in Genf eine Auktion von alten Parfumflaschen, bei denen Preise erzielt werden, die den erlesensten Bordeaux-Tropfen in nichts nachstehen. Der Flacon Pavot von René Lalique wird beispielsweise auf einen Wert von 60 000 Franken geschätzt, bescheidenere Fläschchen wie der Klassiker L’Air du Temps von Nina Ricci bringen es auf 10 000 Franken. An einer einzigen Auktion werden nicht selten Flacons im Wert von über einer Million Franken versteigert.

Das Interesse von Denz für die schönen Dinge des Lebens gilt auch den bildenden Künsten. In seinem Verlag Art & Fragrances gibt er Kunstbücher heraus, im südfranzösischen Saint-Paul-de-Vence ist er Teilhaber einer Galerie. Daneben gehört ihm eine Vielzahl von Originalgemälden aus dem Zeitalter des Barock; ein Rubens-Bild aus seinem Bestand hängt als Leihgabe im Rubens-Haus in Antwerpen. Er sammelt auch Schweizer Kunst vom Anfang des 20. Jahrhunderts – Ferdinand Hodler, Cuno Amiet – oder Gemälde von Marc Chagall, Fernand Léger oder Georges Braque. Werke zeitgenössischer Künstler gehören dazu, zum Beispiel von Sam Francis, Claudio Parmiggiani oder Arman, mit dem Silvio Denz auch ins Geschäft gekommen ist. Vor einigen Jahren schuf er mit dem französischen Objektkünstler ein Parfum namens Arman Stradivarius.

Wäre da nicht das hektische Geschäftsgebaren, Silvio Denz könnte vom Habitus her selbst als Künstler durchgehen. «Ich muss mich keinen Zwängen mehr aussetzen», sagt er und signalisiert das auch klar: Die Haare sind in den Nacken gewachsen, und statt wie früher Anzug und Krawatte trägt er heute bequem Safarihemd und Jeans. Logisch, der Mann muss niemandem mehr etwas vormachen.