Der Schnee glitzert im Sonnenschein. Ein Paar steht am Lift, und auch die Ski glitzern: Sie fährt Ski von Chanel, er hat ein Paar von Lacroix an den Füssen. Mit einem Ruck geht die Fahrt los, der Schlepplift zieht die beiden hoch. Der Wert des Edelmaterials: knapp 67 000 Franken. Der Löwenanteil entfällt auf das massgefertigte Lacroix-Modell Ultime mit Edelsteinen für 63 000 Franken. Mit einem exklusiven Skikoffer kostet dieses Modell sogar über 75 000 Franken. Dafür gibt es das Set auch nur zehnmal auf diesem Planeten. Die Chanel-Bretter sind daneben mit fast 4000 Franken geradezu ein Schnäppchen.
Die Verantwortlichen der beiden französischen Edelmarken sind nicht die Einzigen, welche die Wintersportgeräte als neuen Markt entdeckt haben. Luxusski sind im Trend. Vor allem jene, die weniger mit Showeffekten glänzen als mit echtem handwerklichem Können.
Die Münchner Thorsten Schwabe und Gregor Baer gehören mit ihrem Label
Indigo zu den Pionieren der Luxusski-Szene. Als Snowboarding Mitte der achtziger Jahre in den USA aufkam, gab es in Europa keine Bretter. «Wir haben sie uns selber gebaut», sagt Schwabe. Mit Hilfe eines Videos, mit Fantasie, etwas handwerklichem Geschick und Begeisterung gingen sie daran, aus Eschenholz und Fiberglas ihre eigenen Boards zu basteln.
Schwabe und Baer fertigten neben Schule und Studium immer öfter auch für Freunde. Mit dem Snowboardboom, der in den neunziger Jahren die Pisten überrollte, entwickelte sich das bayrische Garagen-Start-up schnell zu einer gefragten Marke in der Szene. «Mit der Zeit haben wir uns ein grosses Know-how erarbeitet, wie man Boards bauen muss, damit sie wirklich gut sind», sagt Schwabe. Dieses Wissen haben sie für Ski adaptiert.
Wichtig für die dauerhafte Qualität ist die Spannung, unter welcher der Ski steht. Denn er muss federn. «Diese Vorspannung lange zu erhalten, ist das A und O im Skibau», sagt Schwabe. Holz, das man unter Druck biegt, neigt dazu, in die ursprüngliche Form zurückzukehren – die Vorspannung nimmt ab, die Fahreigenschaften werden schlechter. Nach einigen Saisons sind die Ski eher reif für die Müllabfuhr als für eine Abfahrt.
Die Indigo-Skibauer bekamen das Problem mit einem Kern aus Bambus in den Griff, auf den die beiden ein europäisches Patent haben. Im Vergleich zu Stahl hat Bambus eine viermal höhere Zugfestigkeit. Auch kann man ihn besser verarbeiten. «Bambus lässt sich unter Druck und Temperatur so biegen, dass er dauerhaft in Form bleibt», sagt Schwabe. Wichtig ist auch die Sorgfalt der Verarbeitung. Während industriell gefertigte Ski nur etwa fünf bis zehn Minuten in der Presse bleiben, die sie in Form bringt, dauert das Pressen von Indigo-Ski gut eine Stunde. Dabei wird die Temperatur langsam erhöht, dann langsam wieder abgekühlt. Das ist wichtig, damit die Harze, mit denen die Schichten des Skis zusammengeklebt werden, richtig auskristallisieren können. Geschieht das zu schnell, können sich im molekularen Geflecht kleine Fehlstellen bilden, die rasch zu Rissen führen. «Will man eine hohe Qualität, muss man sich Zeit nehmen», sagt Schwabe. Im Jahr produziert Indigo nur 2000 Paar Ski.
Dieselbe Werkstatt fertigt auch die Bogner-Ski, in denen ebenfalls die Indigo-Technologie mit dem Bambuskern steckt. Je nach Modell der beiden Marken bewegen sich die Preise zwischen 2300 und 5000 Franken.
Einen besonderen Kern haben auch die Ski der Schweizer Marke Zai. In den letzten sechs Jahren haben die Bretter aus Disentis Kultstatus erreicht. Die handgefertigten Ski, deren Kern ein mit Karbonfasern ummantelter Stein ist, stellt eine kleine Manufaktur unterhalb des Klosters im Bündner Dorf her. «Was liegt näher, als ein Naturprodukt aus den Engadiner Bergen zu verwenden?», sagt Simon Jacomet (45), Mitbegründer von Zai.
Über vier Millionen Franken Aktienkapital bekam das Start-up mit auf den Weg, in den schwarzen Zahlen ist es aber noch nicht. Investiert haben zum Beispiel der Musiker Dieter Meier und Ex-Werber und Swiss-Verwaltungsrat Walter Bosch. Ein exzellentes Produkt, eine gute Story um die Ski und ihre Technologie sowie geschicktes Marketing haben den Ruf der Bünder Ski beflügelt. «Wir machen aber keine eigentlichen Luxusski, sondern Hightech-Produkte, die sich hervorragend fahren und die Könner kaufen», sagt Simon Jacomet.
Seine Karriere hat er in den Entwicklungsabteilungen grosser Skifirmen begonnen. Irgendwann hatte Jacomet die Nase voll von den Sachzwängen, die dort das Arbeiten bestimmten. Ski zu bauen, bei denen er keine Kompromisse in der Qualität machen muss, ist heute sein Tagewerk. Zusammen mit dem Banker Benedikt Germanier, der nach einem Karriereknick keine Lust mehr auf das alte Fahrwasser hatte, suchte er Investoren für seine Idee, eine Manufaktur für hochwertige Ski zu gründen.
Die Bündner versuchen stets, mit bisher im Skibau nicht verwendeten Materialien neue Wege zu gehen. Wie sehr Zai auf Hightech setzt, zeigt sich in der Zusammenarbeit mit Partnern. Letztes Jahr brachte die Manufaktur zusammen mit der Uhrenfirma Hublot die Zai-Hublot-Ski auf den Markt. Dieses Jahr gehen die Zai-Bentley-Ski auf die Piste (siehe Interview). «Dabei geht es nicht einfach darum, ein Logo auf ein bestehendes Produkt zu kleben, sondern gemeinsam etwas Neues zu entwickeln», sagt Zai-Chef Jacomet.
Der wichtigste Technologietransfer von Bentley zu Zai war der Kautschuk, den die englischen Autobauer exzessiv in ihren Karossen verwenden. Die Bündner experimentierten, bis sie eine Lösung fanden, ihn sinnvoll in den Skibau zu integrieren. «Die Kooperation hat uns ein ganzes Stück weitergebracht», sagt Jacomet. In einem Jahr hat Zai den Bentley-Ski entwickelt. Genau 250 Stück werden davon gefertigt und kommen ab Mitte Januar für 9800 Franken auf den Markt. Verbiegen liessen sich die Bündner bei der Zusammenarbeit nicht. Mit den englischen Designern diskutierten sie auf Augen-höhe. «Ich erzähle denen ja auch nicht, wie man Autos baut», sagt Jacomet.
Das Können von Ingenieuren steckt auch in den Luxusski des italienisch-monegassischen Bootsbauers Wally. Dass dieser überhaupt in das Skigeschäft einstieg, hat mit der alten Freundschaft zwischen dem Schweizer Skilehrer Nick Nussbaum aus St. Moritz und Wally-CEO Luca Bassani Antivari zu tun. Als Ende der neunziger Jahre die Karbontechnologie aufkam, begann Wally Yachten zu bauen, deren Rumpf aus Kohlefasern bestand – gerade erst hat Wally mit der 150 Millionen Franken teuren Hermès-Yacht Schlagzeilen gemacht. «Beim Skifahren hatten wir die Idee, dass man einen Ski bauen müsste, der wie eine Wally-Yacht ist», sagt Bassani Antivari. «Die damaligen Karbonski haben aber keine guten Leistungen gebracht.»
Seine Ingenieure in Monte Carlo gingen daran, Elemente aus der Bootstechnologie auf den Skibau zu übertragen. Das Ergebnis war ein leichter Ski, der hervorragende Eigenschaften hat: Er ist flexibel, hat aber einen guten Griff im Schnee und auch auf vereister Piste. «Es ist einfach altes Denken, zu glauben, ein Ski müsse schwer sein», sagt Bassani Antivari. Die Wally-Ski sind leichter als die Bretter anderer Marken. Ein grosses Geschäft machen die Monegassen mit ihnen nicht. Jedes Jahr kommen nur etwa 200 Paar auf den Markt, das Einsteigermodell kostet rund 3000 Franken. Käufer sind laut Nussbaumer hauptsächlich Leute, «die Wert auf einen wirklich guten Ski legen, mit dem man bequem fahren kann».
Ein Newcomer unter den Konstrukteuren hochwertiger Ski ist Birdos aus Andermatt. Gegründet hat das Unternehmen vor drei Jahren der Amerikaner Dan Loutrel eher aus einer Not heraus. Der begeisterte Skifahrer aus Boston hatte zwar genug Geld, um eine Saison lang in der Schweiz zu leben, um Ski zu fahren, für ein angemessenes Sportgerät reichte es allerdings nicht. «Also habe ich angefangen, mir selber Ski zu bauen», sagt er. Freunde wurden auf ihn aufmerksam und bestellten. Das Besondere an Birdos-Ski: Sie werden individuell an die Bedürfnisse des Kunden angepasst. «Die Form der Ski wird danach gewählt, ob jemand oft oder nie Tiefschnee fährt und ob er es schnell oder langsamer mag», sagt Loutrel, dem die Firma Birdos zusammen mit seiner Schweizer Frau Heidi gehört. Wer möchte, kann auch das Design individuell wählen. Gerade einmal 100 Paar pro Jahr fabrizieren Dan Loutrel und ein Mitarbeiter, ein Schwede, der ebenfalls beim Skifahren hier hängen geblieben ist.
Die Kunden sind meist begeisterte Freerider ab Anfang zwanzig, aber auch etwas ältere Enthusiasten, die jetzt über das Geld verfügen, um individuell angepasste Ski zu erwerben. Hinter Birdos stecken keine grossen Investoren, das Betriebskapital stammt aus der Familie, weshalb das Andermatter Start-up keine grossen Sprünge machen kann. «Aber es geht langsam aufwärts», sagt Loutrel.
Die maximale Kapazität von Birdos beträgt etwa 300 Paar jährlich, die Preise liegen bei 2000 Franken und mehr. Bestellungen kommen mittlerweile auch aus Deutschland und Skandinavien. «Teure Ski verkaufen sich unter Kennern gut», sagt Loutrel. Wer ein Paar Luxusski fährt, beweist nicht nur, dass er tiefe Taschen hat, sondern auch, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit gut Ski fährt.