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Natürlich freue er sich über die Verleihung der dritten Goldmedaille in Folge, sagt Andreas Bossard, in der Zuger Exekutive für Soziales, Umwelt und Sicherheitsfragen zuständig. Gemäss dem Städte-Ranking 2009 von BILANZ ist die Zentralschweizer Handelshochburg unter dem Strich der attraktivste Arbeits-, Erholungs- und Wohnort der Schweiz.

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Ihre Attraktivität verdankt die Kleinstadt mit derzeit 26  000 Einwohnern nicht nur ihrem milden Steuerklima. Zug überzeugt daneben auch mit unberührter Natur und einer idyllischen Lage – Alpenblick und Seeanstoss inklusive. Der Erholungswert ist hoch: Der malerische Zugerberg, beachtliche Waldflächen unweit des Siedlungsgebiets und ein weitgehend frei begehbares Seeufer zeugen davon. Auf Dauer drohen sich wirtschaftliche Dynamik und Beschaulichkeit jedoch auch hier, wo sich die Standortvorteile häufen, in die Quere zu kommen. «Je mehr wir zu einem Magnet werden, desto grösser ist die Gefahr, dass das kleinstädtische Gepräge verloren geht und die Lebensqualität in der Stadt Zug insgesamt sinkt», befürchtet Andreas Bossard.

Der anhaltende Sog, den Zug auf Firmen, Geschäftsleute und gut verdienende Private ausübt, erzeugt einen gewaltigen Druck auf die Infrastruktur und die wenigen noch freien Bauparzellen. Trotz Krise wird in der Stadt wie wild gebaut; ganze Quartiere werden gegenwärtig neu erschlossen. Die Immobilienpreise im Ort kennen seit Jahren nur eine Richtung:Fand man vor fünf Jahren in der Stadt Zug mit etwas Glück noch eine 4½-Zimmer-Eigentumswohnung für 600  000 Franken, kosten Appartements dieser Grösse heute allesamt über eine Million.

Da bleibt vielen Mittelstandsfamilien, die sich gerne ein Eigenheim leisten würden, mittlerweile nichts anderes übrig, als in günstigere Nachbarkantone auszuweichen – ins Freiamt oder ins nahe Zürichbiet. Nach Aussage von Bossard, Mitglied der Christlich-Sozialen Partei (CSP), sei die «Gefahr einer Verarmung bei der sozialen Durchmischung» nicht von der Hand zu weisen. Tiefe Steuern, betont er, seien eben nur die eine Seite der Medaille. Und zitiert eine Studie, wonach es sich erst bei einem Jahreseinkommen von über 200  000 Franken finanziell auszahle, nach Zug zu übersiedeln: «Wir zahlen zwölfmal Miete, aber nur einmal Steuern pro Jahr», illustriert Bossard das Problem.

BILANZ analysiert und vergleicht seit 2006 regelmässig die wirtschaftliche Dynamik und Attraktivität von Schweizer Städten mit über 10  000 Einwohnern. 2009 wurde das Ranking auf eine neue Basis gestellt und die Kriterienauswahl verfeinert (siehe «Methodik» in "Weitere Artikel"). Auch im neuen Ranking figuriert Zug auf dem ersten Platz. Sowohl beim Kriterium Arbeitsmarkt wie beim Erholungswert ist die Stadt spitze – im Rahmen des nationalen Steuerwettbewerbs belegt Zug den dritten Platz und beim Reichtum den fünften. Auf dem zweiten Gesamtrang behauptet sich derweil Zürich – ebenfalls wie 2008. Die Limmatstadt ist beim Kriterium Zentralität nicht zu schlagen, verfügt trotz Bankenkrise über einen vitalen Arbeitsmarkt und zählt auch in Sachen öffentlicher Verkehr schweizweit zu den Vorreitern.

Der Verkehr bleibe neben dem Wohnen ein Schlüsselthema bei der Stadtentwicklung, erklärt Zürichs Stadtpräsidentin Corine Mauch. Sie ist stolz darauf, dass es auch bei der schnellen Entwicklung in den letzten Jahren gelungen sei, die Qualitäten der Stadt zu erhalten und weiter auszubauen: «Das Kulturangebot ist attraktiv, die Menschen fühlen sich sicher, Unternehmen finden gute Bedingungen vor und lassen sich hier nieder. Die Sozialstruktur ist intakt, die sozialen Netze sind tragfähig und die Finanzen in Ordnung.»

Reservenabbau in Zürich. Da sieht die Stadtpräsidentin derzeit aber auch den grössten Handlungsbedarf: «Natürlich stellen die Wirtschaftskrise und die deshalb sinkenden Steuererträge Zürich vor Herausforderungen.» Jetzt gelte es, die in guten Jahren angehäuften Reserven klug einzusetzen. Die Stadt selbst könne die Konjunktur kaum beeinflussen, so Mauch, aber an ihren laufenden Programmen und Aktivitäten festhalten, die mithelfen, die Auswirkungen der Krise abzufedern.

Einen grossen Sprung nach vorne, vom zehnten auf den dritten Platz, macht in der vorliegenden Standortqualitäts-Erhebung die Gemeinde Freienbach SZ. Der Gemeindeverbund der fünf Dörfer Bäch, Freienbach, Hurden, Pfäffikon und Wilen punktet nicht nur als landesweit renommierte Steueroase (Steuerbelastung Rang 1), sondern auch hinsichtlich Dynamik (Rang 4), Arbeitsmarkt (Rang 3) und – kaum überraschend – beim Haushaltsvermögen, das heisst der überdurchschnittlichen Kaufkraft der zahlreichen Spitzenverdiener vor Ort (Rang 2).

Im Stau in Freienbach. Wie in Zug hat die ungebrochene Popularität der Fiskaloase am oberen Zürichsee aber auch ihre Schattenseiten. In Freienbach versucht man nun sogar, das Tempo gezielt etwas zu drosseln, denn das verlockende Steuerklima, kombiniert mit der Nähe zu Zürich, hat auch hier zu einem beispiellosen Bau- und Immobilienboom geführt. «Wir möchten die massive Entwicklung brechen, um vermehrt auch qualitativ zu wachsen», bestätigt Gemeindepräsident Kurt Zurbuchen. Handlungsbedarf besteht nicht zuletzt, was die Ortsbilder gewisser Dörfer am oberen Zürichsee angeht, wo sich mehr und mehr Terrassensiedlungen aneinanderdrängen. Die bebaubaren Landreserven sind stark geschrumpft, weshalb man zusehends auf eine «innere Verdichtung» setzt, wie Zurbuchen erklärt. Bestehende Liegenschaften und ehemalige Fabriken würden neu genutzt; aus vorhandenen Gebäuden versuche man, mehr herauszuholen.

Gegen die teilweise katastrophalen Zustände im Individualverkehr – zu Stosszeiten ist auf der Durchfahrtsstrasse in Pfäffikon oft kaum mehr an ein Vorwärtskommen zu denken – kämpft man mit Ausbauprojekten für den öffentlichen Verkehr und neuen Strassenprojekten. Stolz ist man laut Zurbuchen vor allem darauf, dass es Freienbach und seinen Nachbardörfern gelungen sei, auch neue Firmen anzulocken, womit sich diese mitunter als «Diamantküste» apostrophierte Gegend nicht bloss als steuergünstiger Wohn- und Schlafstandort etabliert habe.

Ein Punkt, an dem auch in Winterthur gearbeitet wird. Die Stadt hat sich in den letzten Jahren kontinuierlich nach vorne geschoben und lag 2008 noch auf Rang 21. Nicht zuletzt aufgrund des neuen Berechnungsschlüssels hat Winterthur innert Jahresfrist nochmals zehn Plätze gutgemacht und belegt aktuell Rang 11. Die Eulachstadt punktet vor allem beim öffentlichen Verkehr (Rang 2) und bei der Zentralität (Rang 11), behauptet sich aber auch bei den Kriterien Arbeitsmarkt und Dynamik im vorderen Drittel.

Kulturboom in Winterthur. Was umso mehr verblüfft, als in Winterthur wegen notwendig gewordener Restrukturierungen bei Traditionsunternehmen wie Sulzer, Rieter und der Winterthur-Versicherung, die heute zum Axa-Konzern gehört, vor noch nicht allzu langer Zeit Tausende von Arbeitsplätzen verloren gingen. Stadtpräsident Ernst Wohlwend, seit 2002 im Amt, meint dazu: «Die Ausgangslage war ungünstig, aber wir haben nach dem Schock der tief greifenden Desindustrialisierung alte Qualitäten der Stadt wieder aufleben lassen.» Besonders das Kulturangebot wurde in Winterthur gezielt ausgebaut, etwa mit dem Casinotheater, den Kurzfilmtagen oder dem landesweit ausstrahlenden Fotomuseum.

Das Image der Stadt hat sich eindeutig verbessert, zudem profitiert sie von ihrer Nähe zu Zürich. Winterthur bietet Stadtwohnraum, der in der Limmatstadt zunehmend knapp und teuer wird. Man befinde sich schliesslich auf «Tramdistanz zu Zürich», meint Präsident Wohlwend, und brauche nur eine knappe Viertelstunde bis zum Flughafen: «Der Club of Rome hat seinen Standortentscheid für Winterthur mit gutem Grund gefällt.» Dank kantonalem Finanzausgleich, von dem die traditionelle Arbeiterstadt profitiert, kann auch die Steuerbelastung im Rahmen gehalten werden (Rang 37). Ein Schwachpunkt bleibt der Nachholbedarf beim motorisierten Individualverkehr. Nach dem starken Bevölkerungswachstum der letzten Jahre lenken die Behörden ihr Augenmerk nun vermehrt auf ein stimmiges Verhältnis zwischen Wohnen und Arbeiten, was vorrangig Erhalt und Aufbau von Arbeitsplätzen bedeutet.

Etwas anders gelagert ist die Problematik in dem seit je von der Uhrenindustrie geprägten Arbeiterstädtchen Le Locle, dem vor wenigen Wochen die Ehre zuteil wurde, zusammen mit La Chaux-de-Fonds ins Welterbe-Register der Unesco eingetragen zu werden. Dessen ungeachtet trägt Le Locle in unserem Städte-Ranking gleich wie im Vorjahr auch 2009 die rote Laterne. Die schlechte Platzierung überrasche ihn nicht, meint Stadtpräsident Denis de la Reussille auf Anfrage. «Sie versuchen, die Lebensqualität an einem Ort fast nur mit ökonomischen Kriterien zu erfassen», kritisiert er. Die Lebensqualität in Le Locle sei «sehr hoch», sagt der welsche Stapi. Nur ein Prozent der Bevölkerung benutze regelmässig das Flugzeug, begründet er seine Aussage. 99 Prozent seien dagegen glücklich, keinen Lärmimmissionen ausgesetzt zu sein.

Die soziale Stabilität und Solidarität unter der Bevölkerung sei in Le Locle grösser als anderswo, behauptet de la Reussille und streicht die «gute gesellschaftliche Durchmischung» hervor. Was nicht zuletzt daran liegen dürfte, dass man im schmucken Uhrenstädtchen mit knapp über 10  000 Einwohnern auch heute noch relativ problemlos eine 4½-Zimmer-Wohnung für 1200 Franken im Monat findet. «Nicht nur Reiche können hier wohnen», unterstreicht de la Reussille diesen Standortvorteil. Obwohl sich die Arbeitsplatzsituation in den letzten Monaten verschlechtert hat, glaubt das Stadtoberhaupt an eine prosperierende Zukunft seiner Kommune: «Für mich symbolisieren die Ghettos der Reichen am Zürichsee und in Schwyz nicht die Zukunft.»

Was bei der Betrachtung der Rangliste tatsächlich auffällt: Wegen der relativ starken Betonung der wirtschaftlichen Dynamik – abgebildet durch Kriterien wie Bevölkerungswachstum, Wohnungsbau, Beschäftigungsquote, Kaufkraft, Firmengründungen und Erreichbarkeit – ist eine gewisse «Zürichlastigkeit» im vorderen Teil der Tabelle nicht zu vermeiden. So liegen die bestplatzierten 15 Städte allesamt im Einzugsgebiet des grössten Schweizer Wirtschaftszentrums. Mit Nyon (Kanton Waadt) folgt erst auf Rang 16 die erste Gemeinde im Grossraum Genf. Liestal als Standortgewinner im Einzugsgebiet der Agglomeration Basel bringt es auf den 26.  Platz, Basel-Stadt selbst figuriert auf Rang 40 – dicht gefolgt von Lausanne (Rang 41) und Bern (Rang 43).

Berner Steuerhölle. In allen drei Städten, die naturgemäss erhebliche Zentrumslasten zu schultern haben, drückt insbesondere eine vergleichsweise hohe Steuerbelastung auf die Bewertung. Bern schafft es diesbezüglich nur auf Rang 116, hinter Lausanne (Rang 99) und Basel-Stadt, das sich in den letzten Jahren mit einigem Erfolg darum bemüht, das Image einer «Steuerhölle» loszuwerden (Rang 91). Was die Situation auf den regionalen Arbeitsmärkten betrifft, liegt Bern mit seinem hohen Anteil an Staatsangestellten auf dem zweiten Platz, während die Life-Sciences-Hochburg Basel auf Platz 10 landet.

«Es freut mich sehr, dass wir hinsichtlich der Beschäftigung im letzten Jahr einen grossen Schritt nach vorne gemacht haben», kommentiert der Stadtbasler Regierungspräsident Guy Morin die verbesserte Arbeitsmarktlage im Dreiländereck. In diesem Resultat spiegle sich einmal mehr, dass sich der Pharmasektor als relativ krisenresistent erweise. Den Bilateralen  II und einem wachsenden Bedarf an qualifizierten Arbeitskräften, vor allem in der forschungsintensiven Medikamentenbranche, verdankt es Basel, dass die Wohnbevölkerung im Stadtkanton seit Ende 2007 nach mehrjährigem Rückgang erstmals wieder zaghaft wächst. «Der Trend hat sich gedreht. Seit anderthalb Jahren nimmt die Bevölkerung wieder zu», bekräftigt Morin nicht ohne Genugtuung. Dass die Nordwestschweizer Kultur- und Messestadt, die während der Art Basel alljährlich zum Nabel der internationalen Kunstszene mutiert, beim Kriterium Erholungswert weit abgeschlagen nur unter «ferner liefen» rangiert, kann Morin, welcher der Grünen Partei angehört, nur schlecht nachvollziehen.

Vorbehalte aus Basel. «Leider haben wir in Basel keinen See. Da können wir nichts machen», gibt er schmunzelnd zu verstehen. Er wage es zu bezweifeln, dass allein die Nähe zu einem stehenden Gewässer für die Lebensqualität an einem Ort derart ausschlaggebend sei: «Bei der Basler Bevölkerung ist das Rheinufer als Lebensraum und Begegnungsort sehr beliebt, und wir tun vieles, um diesen Bereich der Stadt weiter aufzuwerten.» Trotz punktuellen Vorbehalten am Kriterienraster lässt Morin keine Zweifel darüber aufkommen, dass er den Standortwettbewerb zwischen den Schweizer Städten grundsätzlich für «gesund und wichtig» hält. Zu diesem Zweck benötige man selbstredend auch Rankings: «Sie zeigen Trends auf und spornen die Politiker an, sich weiter anzustrengen.»